Blasenfunktionsstörungen

Symptombeschreibung:

Neurogene, d. h. auf der fehlerhaften Funktion wichtiger Nervenbahnen beruhende, Blasenfunktionsstörungen gehören zu den häufigsten Symptomen der MS. Sie werden aus Scham oft verdrängt und schränken die Lebensqualität erheblich ein.

Bei den Blasenfunktionsstörungen werden unterschieden:

  • Detrusor-Hyperreflexie (spastische Blase) mit eingeschränkter Speicherfunktion, imperativem Harndrang, erhöhter Miktionsfrequenz (vermehrtes Urinieren) und Inkontinenz.
  • Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie (DSD) mit vermehrtem Harndrang, verzögerter Blasenentleerung, Harnretention (keine vollständige Entleerung der Blase) und Inkontinenz.
  • Blasen-Hyporeflexie (schlaffe Blase) mit unvollständiger Blasenentleerung und erhöhtem Restharn.

Im Verlauf der Erkrankung sind bis zu 80 % der MS-Erkrankten von der spastischen Blase und der Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie mit vermehrtem Harndrang betroffen, die schlaffe Blase liegt bei 10–15 % der MS-Kranken vor.

Blasenfunktionsstörungen können zu wiederholten Harnwegsinfekten führen, zu Schlafstörungen wegen nächtlicher Toilettengänge, Blasen- und Unterbauchschmerzen mit Zunahme einer assoziierten Spastik.

Eine frühzeitige Behandlung von Blasenfunktionsstörungen soll langfristige Folgeschäden vermeiden und die Lebensqualität verbessern. Deshalb sprechen Sie Blasenfunktionsstörungen unbedingt bei Ihrem behandeln Art an, damit eine gezielte Diagnostik und Therapie der Blasenfunktionsstörungen erfolgen kann. Oftmals ist die Bestimmung der Restharnmenge mittels Sonographie oder Einmalkatheter ausreichend. Bei unzureichendem Therapieerfolg (fortbestehende Inkontinenz und Restharnbildung) ist unbedingt eine urodynamische Untersuchung erforderlich, um die Speicher- und Entleerungsfunktion der Blase zuverlässig bestimmen zu können.

Ziel der Therapie:

Verbesserung der Speicherfunktion der Blase mit möglichst vollständiger Entleerung, Normalisierung des Harndrangs, Wiederherstellung der Kontinenz, Vermeidung von Komplikationen wie wiederholte Harnwegsinfekte, Urosepsis, Schädigung der oberen Harnwege, Nierensteinbildung und eingeschränkte Nierenfunktion und Verbesserung der Lebensqualität.

Neurogene Blasenfunktionsstörungen sollen durch einen in der Inkontinenztherapie ausgewiesenen Urologen in enger Abstimmung mit dem behandelnden Neurologen behandelt werden.

Zur Behandlung neurogener Blasenfunktionsstörungen stehen medikamentöse, nicht-medikamentöse und operative Therapien zur Verfügung. Durch richtiges Verhalten können MS-Erkrankte Blasenfunktionsstörungen vor allem im Frühstadium günstig beeinflussen. Wichtig ist:

  • ausreichend und gleichmäßig verteilt zu trinken,
  • regelmäßige Toilettengänge zu planen,
  • Harndrang nicht zu unterdrücken,
  • Trink- und Urinmenge z.B. durch ein sog. Miktionstagebuch zu kontrollieren,
  • Blasen- und Toilettentraining,
  • Information über mögliche Hilfsmittel.

Nicht-medikamentöse Therapie:

Hierzu gehören das Beckenbodentraining, Elektrostimulation, EMG-Biofeedback, urologische Rehabilitation mit urologischer Diagnostik und Behandlung.

Medikamentöse Therapie:

Die medikamentöse Behandlung umfasst je nach Art der Funktionsstörung Anticholinergika (bei überaktiver Blase), Alphablocker und Antispastika (bei Blasenentleerungsstörungen), Desmopressin zur intermittierenden, nicht zur Dauertherapie und nicht anzuwenden bei Herz- und Niereninsuffizienz (verringert nächtliche Urinproduktion und -ausscheidung), Antibiotika (bei akutem Harnwegsinfekt – Erregertestung und ausreichend lange Therapie empfohlen), Methionin (zur Vorbeugung wiederholter Harnwegsinfekte).

Wirkweise:

Anticholinergika unterdrücken die Wirkung des Botenstoffes Acetylcholin, der die Darmtätigkeit anregt. Alphablocker blockieren die Wirkung von Adrenalin und Noradrenalin auf das vegetative (unbewusste) Nervensystem. Desmopressin ist ein Hormon, das die (Wieder-)Aufnahme von Wasser aus der Niere in den Körper fördert und so die Urinmenge verringert.

Operative / invasive Maßnahmen:

Intermittierender Selbstkatheterismus (ISK), Botulinumtoxin-Spritze in den Blasendetrusor, suprapubische Ableitung

Wissenswertes:

Blasenfunktionsstörungen können durch häufigen nächtlichen Harndrang zu einer deutlichen Zunahme einer eventuell vorhandenen Fatigue führen. Harnwegsinfekte können Schübe auslösen und Spastik oder andere Symptome der MS verstärken. Es gibt zahlreiche Hilfsmittel, um den Alltag mit Blasenfunktionsstörungen gestalten zu können.

Letzte Änderung: 21.01.2021