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Jung und MS – Stellschrauben in der Lebensplanung – #1

Wie geht es uns mit unserer MS in verschiedenen Lebensphasen? Dieser Frage ging das Magazin together 2020 nach. Zwischen den Jahren veröffentlicht AMSEL die Reihe auf amsel.de. Hier #1: Jung und MS - Die Diagnose MS bringt für jüngere Menschen generationstypische Fragen mit sich. Was muss beim Übergang von Schule und Beruf bzw. zu Beginn des Berufslebens beachtet werden? Muss ich die Erkrankung dem Arbeitgeber mitteilen? Welche Vorteile bringt ein Schwerbehindertenausweis? Wie sieht es mit Kinderwunsch aus? Auch wenn es kaum pauschale Antworten gibt, gilt es ein paar grundsätzliche Überlegungen zu beachten.

Multiple Sklerose in verschiedenen Lebensphasen: together 2020

2020 beschäftigte sich das AMSEL-Mitgliedermagazin together mit Multipler Sklerose in unterschiedlichen Lebensphasen. Insgesamt erschienen oder erscheinen noch:

Dazu erschien jeweils ein Porträt eines Menschen mit Multipler Sklerose von Christine, Roland und Waltraud. Die Multiple Sklerose verläuft individuell völlig unterschiedlich. Daher können diese Porträts auch nicht repräsentativ für die jeweilige Lebensphase stehen, sondern geben Einblick in ganz persönlche Biografien.

Beruf und MS? – Das geht

Die Berufswahl ist von großer, weil langfristiger Bedeutung. Eine gut durchdachte Entscheidung kann dazu beitragen, den Beruf mit MS sehr lange auszuüben. Viele MS-Betroffene sind bis zum Eintritt in das reguläre Rentenalter berufstätig. Auch wenn die MS die Berufswahl nicht grundsätzlich bestimmen sollte, gibt es ein paar Faktoren zu beachten. Wird beispielsweise ein körperlich anspruchsvoller Beruf oder ein Beruf mit hoher Stressbelastung angestrebt, sollte in die Überlegungen mit einbezogen werden, wie man bei eventuell eintretenden gesundheitlichen Einschränkungen auf andere Tätigkeiten oder Berufe ausweichen kann. Denn niemand kann vorhersagen, ob und welche Symptome künftig auftreten können.

Steht ein Bewerbungsgespräch an, kommen möglicherweise Zweifel, wie man sich im Hinblick auf die Mitteilung der Erkrankung verhält. Gut zu wissen: eine Diagnose muss dem Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt mitgeteilt werden. Die Frage eines Arbeitgebers beim Einstellungsgspräch nach einer Schwerbehinderung ist wegen des Benachteiligungsverbotes für Schwerbehinderte unzulässig geworden. Eine Ausnahme von diesem Diskriminierungsverbot wird allerdings dann angenommen, wenn Bewerber aufgrund ihrer Schwerbehinderung bzw. wegen körperlichen, geistigen oder seelischen Beeinträchtigungen nicht in der Lage sind, die von ihnen als zukünftige Arbeitnehmer geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen oder sich daraus besondere Risiken ergeben. Dabei ist immer vom aktuellen Gesundheitszustand auszugehen, denn Prognosen hinsichtlich des zukünfti- gen Krankheitsverlaufs sind bei der MS nicht möglich. Grundsätzlich sind jedoch immer die Gegebenheiten des Einzelfalls zu beachten. Im Beamtenrecht gelten grundsätzlich andere Regelungen.

Wer ein Studium oder eine Ausbildung anstrebt, kann unter bestimmten Voraussetzungen Prüfungserleichterungen und andere Nachteilsausgleiche nutzen. Die Hochschulen tragen dafür Sorge, dass Studierende mit Behinderungen in ihrem Studium nicht benachteiligt wer- den. Wenn beim Start in das Berufsleben größere Schwierigkeiten bestehen, kann auch eine geförderte Ausbildung durch die Arbeitsagentur eine Option sein. Besonders gut überlegt sollte der Schritt in die Selbstständigkeit sein, da MS-Betroffene meist nicht mehr in passende, finanzierbare private Versicherungstarife kommen.

Wer sich schon in Arbeit befindet, steht eventuell vor Fragen wie der Arbeitszeitreduzierung, Umgang mit hoher Stressbelastung oder Outing. Lösungen können eine Reduzierung der Arbeitszeit in Verbindung mit einer Teilerwerbsminderungsrente sein, technische Hilfen am Arbeitsplatz und Förderungen auf dem Weg zur Arbeit. Sie können eine große Erleichterung darstellen und zum Erhalt des Arbeitsplatzes beitragen. Wenn eine Arbeit im bisherigen Beruf nicht mehr möglich ist, kann eine Umschulung oder zusätzliche Qualifizierung eine Lösung sein, um weiterhin im Berufsleben aktiv bleiben zu können. Keinesfalls sollte ein Arbeitnehmer zu schnell von sich aus oder auf Druck des Arbeitgebers die Arbeitszeit reduzieren oder gar das Arbeitsverhältnis auflösen. Eine ausführliche Beratung bei einer neutralen Stelle über mögliche Arbeitsplatzanpassungen, Arbeitnehmerrechte und Leistungsansprüche sollte im Zweifel immer der erste Schritt sein.

Schwerbehindertenausweis und Rente

Viele MS-Betroffene haben in jungen Jahren keine nennenswerten Einschränkungen. Sind jedoch gesundheitliche Beeinträchtigungen vorhanden, stellt die Frage nach einem Schwerbehindertenausweis oder einer Erwerbsminderungsrente junge Menschen häufig vor eine seelische Herausforderung. Sich damit auseinanderzusetzen, obwohl doch gerade erst der Einstieg in das Berufsleben bevorsteht oder gelungen ist, fällt nicht leicht. Dabei gilt es zu bedenken, dass es hilfreich sein kann, die Wege zu den entsprechenden Leistungen und die damit verbundenen Vorteile zu kennen.

Eine Erwerbsminderungsrente bedeutet nicht zwangsläufig das Ende des Berufslebens. Es gibt Zwischenlösungen. So kann die bereits erwähnte Teilerwerbsminderungsrente dabei helfen, die Arbeitssituation zu entspannen, finanzielle Einbußen abzufedern und dennoch berufstätig zu bleiben.

Wenn der Arbeitsplatz in Gefahr ist oder eine Anpassung des Arbeitsplatzes notwendig wird, kann ein Schwerbehindertenausweis eine große Hilfe sein. Die Unterstützungsangebote können schneller greifen, wenn der Schwerbehindertenausweis schon vorhanden ist. Jedoch bedingt eine MS-Diagnose alleine noch nicht die Feststellung einer Schwerbehinderung. Entscheidend ist, ob tatsächlich ausgeprägte Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen.

Familienplanung

Für viele junge Menschen ist es beruhigend zu hören, dass sich Schwangerschaft und MS nicht ausschließen. Heute geht es nicht mehr darum, ob es möglich ist, eine Familie zu gründen, sondern wie das Familienleben später zu bewerkstelligen ist. Es gibt zur Familienplanung und MS einige hilfreiche Tipps. Wenn möglich sollte man so planen, dass bei Bedarf auf ein soziales Netzwerk wie auch auf öffentliche Unterstützungsmöglichkeiten zurückgegriffen werden kann. Auch wo es im Bedarfsfall finanzielle Unterstützung gibt oder wie ein Kind zur medizinischen Rehabilitation mitgenommen werden kann, gilt es in die Überlegungen einzubeziehen.

Finanzielle Absicherung

Zunächst ist man im Rahmen einer sozialversicherungspflichtigen Tätigkeit durch das gesetzliche Sozialversicherungssystem abgesichert. Durch Lohnfortzahlung und Krankengeld kann im Krankheitsfall eine gewisse Zeit finanziell abgefedert werden. Diese Sicherheit ist von großer Bedeutung und verschafft Zeit, sich über die nächsten Schritte Gedanken zu machen. Sorgen um die finanzielle Absicherung gehen häufig mit einem unsicheren Arbeitsplatz einher. Sollte es passieren, dass trotz aller Bemühungen der Arbeitsplatz nicht gehalten werden kann, greift zunächst das Arbeitslosengeld. Diese Zeit kann dann dazu genutzt werden, sich beruflich gegebenenfalls neu aufzustellen.

Es gilt für Junge MS-Betroffene:

Auch wenn die Diagnose MS viele Fragen aufwirft und Zukunftsängste mit sich bringen kann ist es wichtig, Ruhe zu bewahren und sich gemeinsam mit einer neutralen Beratungsstelle wie AMSEL einen Überblick zu verschaffen.

AMSEL berät unabhängig, vertraulich, neutral und individuell. Mit dem Ziel, gemeinsam zu schauen, wo es Netzwerke und Unterstützungsmöglichkeiten gibt, um die Lebensziele und -planung so anzupassen, dass nach wie vor der Mensch und nicht die MS im Vordergrund steht. Am besten ist es, sich über diese Möglichkeiten in einer gesundheitlich stabilen Situation zu informieren und einen Plan B zu erarbeiten, der bei Bedarf schnell zur Hand ist. Dies ist einfacher, als sich in einer gesundheitlich belastenden Situation um diese Dinge zu kümmern.

Quelle: together #01.2020
   

Redaktion: AMSEL e.V., 27.12.2020