Spenden und Helfen

Gut gerüstet in den Ruhestand

Die Fragen MS-Erkrankter über 60 Jahren an das AMSEL-Beratungsteam drehen sich vermehrt um Themen wie vorgezogenen Ruhestand, Pflege, Hilfsmittel und barrierefreies Wohnen. Mit dem Wissen um passende Unterstützungsmöglichkeiten und vorausschauender Planung kann der nächste Lebensabschnitt entspannter angegangen werden.

Rente mit Multipler Sklerose

Die gesetzliche Rentenversicherung kennt vier verschiedene Arten der Altersrente. Das Renteneintrittsalter der

1. allgemeinen Altersrente wird aktuell je nach Geburtsjahrstufen­ weise auf 67 Jahre erhöht.

2. Lang­jährig Versicherte der Jahrgänge 1949–1963 mit mindestens 35 Bei­tragsjahren können noch vor dem 67. Lebensjahr ohne Abschläge in Rente gehen.

3. Besonders langjährig Ver­sicherte mit mindestens 45 Beitrags­jahren können grundsätzlich früher Altersrente ohne Abschläge beziehen. Jahrgänge vor 1953 ab Vollendung des 63. Lebensjahrs. Für Jahrgänge nach 1953 verschiebt sich das Ein­trittsalter schrittweise nach oben. Ab Geburtsjahrgang 1964 kann mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gegan­gen werden. Ein früherer Rentenbe­ginn ist eventuell mit dauerhaften Abschlägen möglich.

4. Die Alters­rente für Schwerbehinderte gilt ab einem Grad der Behinderung von mindestens 50 und einer Mindestver­sicherungszeit von 35 Beitragsjahren. Menschen mit einer Schwerbehinde­rung können zwei Jahre früher ab­schlagsfrei in Rente gehen, das Renteneintrittsalter steigt dem Jahrgang entsprechend stufenweise von 63 auf 65 Jahre an. Ein früherer Rentenein­tritt ist mit teilweise deutlichen Ren­tenabschlägen möglich.

Die verschiedenen Optionen für die Rente sollten bis zu zwei Jahre vor dem gewünschten Renteneintritt in einem Beratungsgespräch bei der Rentenversicherung erfragt werden. Dort erhält man auch Informationen dazu, ob die erforderliche Mindest­versicherungszeit erfüllt ist und wie sich ein vorzeitiger Rentenbeginn finanziell auswirkt. Ob man sich einen früheren Rentenbeginn finanziell leis­ten kann, sollte gut durchgerechnet werden. Die Rentenversicherung gibt auch Auskünfte zu Hinzuverdienst­möglichkeiten.

Pflege

Die gesetzliche Pflegeversicherung bietet vielfältige Leistungen, die Kosten der Pflege werden jedoch selten ganz ersetzt. Die private finanzielle Vorsorge kann hier zusätzliche Entlastung bringen. (Mehr dazu auf www.amsel.de „Pflege­-Bahr / Private Pflegezusatzversicherung bei MS“). Um Leistungen zu erhalten, ist die Einstu­fung in einen von fünf Pflegegraden erforderlich.

Das Pflegegeld wird ab Pflegegrad 2 an die pflegebedürftige Person aus­bezahlt, damit diese ihre häusliche Versorgung, notwendige Pflege­ und Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung in geeigne­ter Weise selbst sicherstellen kann. Eine Kombination mit Pflegesachleis­tungen ist möglich. Pflegesachleis­tungen sind alle Dienste, die von ei­nem Pflegedienst in der häuslichen Versorgung übernommen werden können. Die Abrechnung erfolgt direkt zwischen Pflegedienst und Pflege­kasse. Beim vollstationären Leis­tungsbetrag werden pauschale Leistungen für pflegebedingte Aufwendungen wie Körperpflege und Ernährung sowie Leistungen der medizinischen Behandlungspflege wie Wundversorgung und Medika­mentengabe übernommen. Auf zusätzlichen Antrag besteht Anspruch auf eine zusätzliche Betreuung und Aktivierung, die sich an den Wün­schen und Fähigkeiten des Pflegebe­dürftigen orientieren soll.

Es sind nur Leistungen zur Pflege, nicht aber für Verpflegung und Unter­kunft abgedeckt. Dadurch variiert der Eigenanteil der Pflegeeinrichtungen. Durch den Entlastungsbetrag sollen Pflegebedürftige in ihrer Selbststän­digkeit gefördert werden. Dies kann beispielsweise durch die Unterstüt­zung im Haushalt erfolgen. Der Betrag wird nicht ausbezahlt, die Abrechnung erfolgt über den Dienstleister. Bei Pflegegrad 1 kann der Entlastungs­betrag auch für Leistungen ambulan­ter Pflegedienste im Rahmen der körperbezogenen Selbstversorgung wie die Unterstützung beim Duschen sowie die Kurzzeitpflege eingesetzt werden.

Weitere Leistungen sind zum Ver­brauch bestimmte Hilfsmittel wie z. B. zur Inkontinenzversorgung oder Ein­malhandschuhe. Monatlich stehen hierfür 40 Euro (wegen Corona derzeit 60 Euro) zur Verfügung. Pflegehilfs­mittel, wie z. B. ein Pflegebett oder Lagerungshilfen, dienen zur Erleich­terung der häuslichen Pflege und sind zu unterscheiden von Hilfsmitteln der Krankenkassen.

Alle Pflegegrade haben durch wohn­umfeldverbessernde Maßnahmen unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf finanzielle Unterstüt­zung baulicher Maßnahmen im häuslichen Wohnumfeld von bis zu 4.000 Euro. Ein neuer Anspruch entsteht bei einer Verschlechterung der Pfle­gesituation.

Hilfsmittel bei Multipler Sklerose

Beim Einsatz von Hilfsmitteln ist es ratsam, regelmäßig zu überprüfen, ob es innovative Neuigkeiten oder noch nicht genutzte, passende Hilfsmittel gibt. Werden beantragte Hilfsmittel abgelehnt, sollte eine Beratung ge­sucht werden, um Möglichkeiten aus­zuloten, die Ansprüche durchzuset­zen. Als Leistungsträger kommen hauptsächlich die Kranken­ und Pfle­geversicherung infrage. Nachrangig kann bei geringem Einkommen und Vermögen auch die Eingliederungs­hilfe eine Option sein.

Wenig Geld im Alter

In der Regel steht einem im Alter we­niger Geld zur Verfügung als während des Erwerbslebens. Ist Vermögen aufgebraucht oder nicht vorhanden, können möglicherweise über die Ein­gliederungshilfe und/oder die Grund­sicherung Leistungen erhalten wer­den, die das Leben erleichtern.

Für MS­-Betroffene sind im Rahmen der Eingliederungshilfe vor allem die Leistungen zur sozialen Teilhabe, die unter anderem Assistenzleistun­gen oder Leistungen zur Mobilität umfassen, interessant. Die Grund­sicherung im Alter und bei Erwerbs­minderung sichert den Lebensunterhalt von Menschen, die wegen Alters oder voller Erwerbsminderung nicht mehr arbeiten können und deren Einkünfte und Vermögen für den notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichen.

Wohnformen

Die Suche nach einer barrierefreien Wohnung gestaltet sich oft schwierig. Für eine Sozialwohnung ist ein Wohn­berechtigungsschein erforderlich. Eine weitere Möglichkeit können ört­liche Baugenossenschaften sein. Insbesondere dann, wenn gerade Neubauten entstehen. Bei einem Neubau sollte auf Barrie­refreiheit geachtet werden, auch wenn es aktuell noch nicht notwendig er­ scheint. Dies ist häufig ohne hohe zusätzliche Kosten umzusetzen. Der KVJS* in Stuttgart und die DGM** in Freiburg bieten fachliche Führungen in barrierefreien Musterwohnungen an. Bei der DGM ist ein Probewohnen möglich. Beim barrierefreien Umbau empfiehlt es sich zunächst, eine Wohnberatung in Anspruch zu nehmen. Wohnberatungsstellen und Pflegestützpunkte haben oft Ver­zeichnisse erfahrener, örtlicher Hand­werksbetriebe. Vor einem Umbau ist unbedingt zunächst das Einverständ­nis des Vermieters und anderer be­troffener Parteien einzuholen. Die finanziellen Fördermöglichkeiten sind umfangreich und reichen von Zu­schüssen der Pflegeversicherung bis hin zu Zuschüssen und Darlehen der KfW-­Bank.

Der Begriff „Betreutes Wohnen“ ist nicht geschützt. Häufig ist damit eine barrierefreie Wohnanlage mit einem Grundversorgungsangebot wie Haus­meister, Notruf und Ansprechpartner gemeint. Eine Betreuung im engeren Sinne muss separat bezahlt werden. Immer wieder fragen MS­-Betroffene nach MS-­Wohngemeinschaften, die es in Baden-Württemberg leider nicht gibt. Auch Plätze im Pflegeheim für pflegebedürftige MS-­Betroffene gibt es kaum. Meist werden hierfür extra angegliederte Wohngruppen in einem Heim angeboten.

Zu den neuen Wohnformen zählen etwa Generationenhäuser oder Woh­nen im Quartier. Dort wird versucht, solidarische und gemeinschaftliche Wohnformen zu entwickeln, die ein langfristiges Zusammenleben fördern.

*KVJS: Kommunalverband für Jugend und Soziales Baden-Württemberg
**DGM: Deutsche Gesellschaft für Muskelkranke e.V.

Waltraud: Loslassen als "existenzielle Lehre der MS"

Auch die 70jährige Waltraud ist vorzeitig - mit 60 - in Rente gegangen. Spastik und Fatigue machten ihren Alltag zu aufwändig. Obwohl ihr erstes MS-Symptom mit 26 auftrat, wirkt sie heute auf Außenstehende gesund. Aber natürlich hat sie Einschränkungen. "Loslassen ist eine existenzielle Lehre der MS und auch im Alter nicht leicht," bekennt die Mathematikerin.

Ihr fällt es zum Beispiel schwer, nicht mehr Herrin über ihre Küche zu sein. Weil ein ganzes Essen zu kochen ihre Kraft überfordert, ist Ehemann Jörg eingesprungen. So pragmatisch das auch ist, schmerzt es Waltraud doch sehr, nicht mehr von A bis Z selbst am Herd stehen zu können.

Multiple Sklerose in verschiedenen Lebensphasen

2020 beschäftigte sich das AMSEL-Mitgliedermagazin together mit Multipler Sklerose in unterschiedlichen Lebensphasen. Insgesamt erschienen oder erscheinen noch:

Dazu erschien jeweils ein Porträt eines Menschen mit Multipler Sklerose von Christine, Roland und Waltraud. Die Multiple Sklerose verläuft individuell völlig unterschiedlich. Daher können diese Porträts auch nicht repräsentativ für die jeweilige Lebensphase stehen, sondern geben Einblick in ganz persönlche Biografien.

Quelle: AMSEL e.V., together 03.2020

Redaktion: AMSEL e.V., 29.12.2020