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Pflege-Bahr / Private Pflegezusatzversicherung bei Multipler Sklerose

Aktuelle Tipps aus der AMSEL-Rechtsberatung: Immer wieder taucht in der täglichen Arbeit des Beratungsteams die Frage auf, wie man sich finanziell absichern kann, für den Fall, dass man pflegebedürftig werden sollte.

Sarah (24) erhielt erst vor Kurzem die Diagnose Multiple Sklerose. Sie litt plötzlich unter einer Sehstörung, die nach einigen Arztbesuchen und einer quälenden Phase der Ungewissheit und Unsicherheit dann als Symptom einer MS-Erkrankung identifiziert wurde. Die Sehstörung wurde im Krankenhaus mit Cortison behandelt und hat sich wieder vollständig zurückgebildet, so dass keine bleibenden Schäden zurückbleiben.

Finanziell absichern mit Multipler Sklerose

Trotzdem war die Diagnose Multiple Sklerose ein großer Schock für Sarah. Sie ist sehr aufgeregt und fühlt sich mit der Situation überfordert. Bisher hat sie eine Vollzeitbeschäftigung und fragt sich, ob sie das auch in Zukunft weiter leisten kann.

  • Was soll passieren, wenn sie einmal nicht mehr arbeiten kann oder beruflich kürzer treten muss?
  • Wie soll sie finanziell über die Runden kommen, falls sie pflegebedürftig wird?
  • Gibt es auch für Menschen mit einer bestehenden MS-Diagnose die Möglichkeit, sich für die Zukunft finanziell abzusichern?
  • Werden Personen mit einer Vorerkrankung nicht generell von einer Pflegezusatzversicherung ausgeschlossen?

Ihr schwirren viele Fragen durch den Kopf. Sie ruft aus diesem Grund beim AMSEL-Beratungsteam an, um sich über mögliche Vorsorgemaßnahmen zu informieren.

In der Tat gibt es viele Versicherungen, die Menschen mit einer MS-Diagnose oder mit einer anderen Erkrankung kategorisch ausschließen. Aber: Es gibt die Möglichkeit, eine staatlich geförderte Pflegezusatzversicherung abzuschließen, auch bekannt als Pflege-Bahr nach dem „Erfinder“ dieser Versicherung. Diese ist insbesondere für junge Menschen mit einer schweren Erkrankung eine geeignete Option oder für Menschen, die wegen ihres hohen Alters oder wegen einer Erkrankung keine andere Pflegezusatzversicherung abschließen können. Denn der Gesetzgeber hat festgelegt, dass das Versicherungsunternehmen den Vertragsabschluss einer Pflege-Bahr nicht von einer Gesundheitsprüfung abhängig machen darf. Alle Antragssteller müssen aufgenommen werden, unabhängig von deren Vorerkrankungen oder deren Alter – ohne Leistungseinschränkungen und ohne Kostenzuschläge.

Das klingt sehr gut für Sarah. Aber gibt es einen Haken bei der Sache? Gibt es gesetzliche Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen? Im Beratungsgespräch durch die AMSEL wird ihr Folgendes erläutert:

  • Der Antragsteller darf bisher keine Leistungen aus der Pflegeversicherung in Anspruch genommen haben. D.h., alle Personen, denen bereits ein Pflegegrad anerkannt wurde, wenn auch nur vorübergehend, können diese Versicherung nicht abschließen.
  • Es gibt eine Wartezeit von 5 Jahren, d.h. erst nach Ablauf dieser 5 Jahre wird die erste Rate von der Versicherung ausbezahlt. Die Wartezeiten können zum Teil von Versicherer zu Versicherer variieren.
  • Der Antragstellende muss mindestens 18 Jahre alt sein.
  • Es gibt einen festgelegten Mindestbeitrag, der monatlich bezahlt werden muss.

Was passiert, wenn das Geld für die monatlichen Beiträge nicht mehr bezahlt werden kann?

Versicherungsnehmer dürfen den Vertrag drei Jahre lang ruhen lassen, sofern eine Hilfebedürftigkeit nach dem Sozialrecht festgestellt wird. Währenddessen müssen keine Beiträge entrichtet werden.

Tritt bereits während der 5-jährigen Wartezeit die Pflegebedürftigkeit ein, muss der Versicherte bis zum Ende der Wartezeit auf die erste Auszahlung warten.

Wo kann man die Pflege- Bahr abschließen?

Der Vertrag kann bei jeder Versicherung abgeschlossen werden, die eine Pflege-Bahr anbietet. Die genannten gesetzlichen Voraussetzungen müssen bei allen Versicherern gleich sein. Die weiteren Bedingungen können jedoch von Versicherer zu Versicherer variieren.  Jeder, der Interesse an der Pflege-Bahr hat, sollte sich daher selbst über verschiedene Konditionen informieren und den günstigsten Tarif für sich heraussuchen.

Wie hoch ist der monatliche Versicherungsbeitrag?

Der Mindesteinzahlungsbetrag liegt monatlich bei 10 €. Die tatsächliche Höhe des Betrags wird von der Versicherung festgelegt und orientiert sich am Alter des Versicherungsnehmers. Zusätzlich gewährt der Staat einen monatlichen Zuschuss von 5 €. Ein Antrag für diesen Zuschuss muss bei der gesetzlichen Pflegezusatzversicherung nicht eingereicht werden. Der Zuschuss wird nur bei Vertragsabschluss gewährt.

Günstige Gesamtmonatsbeiträge bewegen sich in folgendem Rahmen - jeweils inkl. 5 Euro staatlichem Zuschuss:

Quelle für diese Tabelle: Bund der Versicherten

Eintrittsalter

Gesamtmonatsbeiträge

30

15-16 Euro

40

17-20 Euro

50

26-30 Euro

Mit welchen Leistungen kann man rechnen?

Bei Eintritt einer Pflegebedürftigkeit und einer Einzahlungsdauer von mindestens 5 Jahren richtet sich die Höhe des Auszahlungsbetrags nach dem Pflegegrad und nach dem vereinbarten Tarif.  Für Pflegegrad 5 müssen laut Gesetzgeber mindestens 600 Euro ausbezahlt werden. Der Betrag, der für Pflegegrad 5 festgelegt wird, entspricht dem vereinbarten Höchstsatz. Bei niedrigerem Pflegegrad wird ein Anteil dieses Höchstsatzes gezahlt.

Der Gesetzgeber hat bei jedem Pflegegrad festgelegt, wie hoch dieser Prozentsatz mindestens sein muss. So muss bei Pflegegrad 4 mindestens 40% dieser 600 Euro bezahlt werden, bei Pflegegrad 3 mindestens 30% usw. Es gibt jedoch Versicherer, die einen höheren Satz als den gesetzlich vorgegeben auszahlen. Nachfolgend sind in der rechten Spalte Konditionen aufgeführt, die anstrebt werden sollten, um einen guten Vertrag abzuschließen. Diese Konditionen gibt es tatsächlich, es lohnt sich, danach zu suchen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass AMSEL hier keine konkreten Versicherungsunternehmen nennen kann, zum einen aus Wettbewerbsgründen und außerdem, weil sich die Angebote auch ändern.

 

Gesetzlicher Mindestumfang

Gute Tarife

Pflegegrad 1

10% von 600 Euro = 60 Euro

15% von 600 Euro = 90 Euro

Pflegegrad 2

20% von 600 Euro = 120 Euro

30% von 600 Euro = 150 Euro

Pflegegrad 3

30% von 600 Euro = 180 Euro

65% von 600 Euro = 390 Euro

Pflegegrad 4

40% von 600 Euro = 240 Euro

90% von 600 Euro = 540 Euro

Pflegegrad 5

100% von 600 Euro = 600 Euro

100% von 600 Euro = 600 Euro

 

Wofür darf dieser von der Versicherung ausgezahlte Betrag ausgegeben werden?

Im Pflegefall wird ein festgelegter Betrag ausgezahlt, über den der Pflegebedürftige frei entscheiden und verfügen kann. Er darf sowohl für eine professionelle Pflege als auch für die Pflege durch Angehörige oder Freunde eingesetzt werden. Ein Kosten- oder ein Verwendungsnachweis an den Versicherer ist nicht erforderlich.

Weitere Kriterien, die ein Pflege-Bahr-Vertrag bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen erfüllen sollte:

  • Die Leistung sollte auch während einer stationären Rehabilitationsmaßnahme weiterbezahlt werden.
  • Eine Beitragsbefreiung sollte möglichst in jedem Pflegegrad vorgesehen sein. Ab Pflegegrad 4 sollte die Beitragsbefreiung bei 100% liegen.
  • Es darf keine vertraglich vereinbarten Leistungsausschlüsse oder Risikozuschläge geben.

Zuletzt noch ein Tipp von der Beraterin: Das Wichtigste ist, dass Sie einen klaren Kopf bewahren. Nehmen Sie sich die Zeit – und vergleichen Sie die unterschiedlichen Konditionen der Versicherer! Dann wird sich das Ergebnis für Sie lohnen.

Ob sich der Abschluss eines Pflege-Bahrs lohnt, hängt immer auch von der individuellen Situation jetzt und künftig ab. Das AMSEL-Beratungsteam hilft bei Fragen gern weiter.

Quelle: Bund der Versicherten, Stand: 16.07.2020.

Redaktion: AMSEL e.V., 17.07.2020