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Neues von ECTRIMS / ACTRIMS über Multiple Sklerose

Über 8.500 Forscher und Kliniker trafen sich Mitte September bei dem welt-größten MS-Kongress in Boston. Hier eine Auswahl der Präsentationen.

Amerika und Europa gemeinsam veranstalteten in Boston ein Treffen der Neurologen - das European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ECTRIMS) und das American Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis (ACTRIMS).

An die 9.000 Experten aus der ganzen Welt waren der Einladung gefolgt, das geballte MS-Wissen also, um sich auszutauschen und gemeinsam an einem Strang zu ziehen im Kampf gegen die Multiple Sklerose. Über 1.000 Präsentationen gab es in vier Tagen. - Hier eine Auswahl der National MS Society (NMSS) in den Vereinigten Staaten:

Die MS STOPPEN - Neue Therapieansätze

Ergebnisse aus Phase-3-Studie von DAC HYP - eine konzentrierte (High-Yield) Formulierung von Daclizumab zielt auf den Immunangriff bei MS. Über 1.800 Teilnehmer mit schubförmig-remittierender MS DAC HYP. 2 Arme. Dauer 96 bis 144 Wochen. 45% Reduktion der jährlichen Schubrate in der DAC HYP-Gruppe 54% Reduktion der Krankheitsaktivität laut Bildgebung. Reduktion in der Behinderungsprogression nicht offensichtlich. Nebenwirkungen: schwerwiegende Infektionen, Hautirritationen und Leberwertveränderungen in der DAC HYP-Gruppe erhöht. Geplanter Antrag auf Marktzulassung 2015.

Generisches Glatirameracetat - 735 Patienten mit schubförmig -remittierender MS. Tägliche Injektion in 3 Studienarmen: GTR (generische Glatirameracetat), Copaxone (Glatirameracetat) und Placebo. Über 9 Monate täglich unter die Haut gespritzt. Ergebnis: Wirkung und Nebenwirkung in beiden Wirkstoffgruppen sehr ähnlich.

Fingolimod-Modulator - RPC1063 (Receptos, Inc.) ähnlich Fingolimod, aber selektiv bei der Hemmung der Immunzellen beim Eintritt ins ZNS. Phase-2-Studie mit 258 Teilnehmern mit schubförmiger MS. Orale Einnahme in 3 Studienarmen von RPC1063 (0,5 mg), RPC1063 (1 mg) oder Placebo. Reduktion der Krankheitsaktivität in beiden Wirkstoffarmen gegenüber Plazebo: 86%. Nebenwirkungen in dieser Studie tolerierbar: Infektionen der Atemwege, Kopfschmerzen und Infektionen der Harnwege. Keine nennenswerten Herz-, Lunge-, Augenprobleme oder Krebserkrankungen festgestellt. Phase-3-Studie im Vergleich zu Interferon beta-1a läuft.

Die MS STOPPEN - Verständnis der Progression

Körpertemperatur als Hinweis auf MS-Progression ? Vergleich der durchschnittlichen Körperkerntemperatur. 111 Patienten mit schubförmig -remittierender MS, 85 gesunde. Ergebnis: Höhere durchschnittliche Körpertemperatur in der RR-MS-Gruppe, vermutlich wegen der Entzündungen. Patienten im sekundären Verlauf hatten hingegen eine niedrigere Temperatur. Möglicherweise Ist die Körpertemperatur ein nützliches Werkzeug, den Übergang vom schubförmigen zum remittierenden Verlauf zu erkennen.

MS und weitere Erkrankungen - "Komorbiditäten" wie Bluthochdruck, Diabetes oder Herzerkrankungen können auch parallel zu einer Multiplen Sklerose auftreten. Möglicherweise haben sie auch Einfluss auf die Progression Multiplen Sklerose. Eine Studie mit fast 9.000 Menschen zeigte ein wesentlich erhöhtes Risiko der Behinderungsprogression. Im Umkehrschluss ergibt sich daraus ein positiver Einfluss auf den Behinderungsfortschritt dieser Menschen, wenn man die Komorbiditäten effektiv behandelt.

Cholesterin als Progressions-Marker für Multiple Sklerose ? - Cholesterin ist ein wichtiger Bestandteil des Myelins. Niederländische Forscher suchen nach einem Biomarker für MS-Progression. Die Serumspiegel eines bestimmten Moleküls ändern sich in Mausmodellen sogar vor dem Auftreten von klinischen Anzeichen der MS.

Wiederherstellung der Funktion - Myelin-Reparatur

Eine kleine Phase-1-Studie mit Personen mit schubförmiger MS, die mit gezüchteten und re-injizierten Stammzellen behandelt wurden, zeigten keine ernsthaften Nebenwirkungen oder einen Aufwärtstrend in der Krankheitsaktivität. Eine größere, kontrollierte Studie ist in Planung.

Umwandlung von Hautzellen in Stammzellen – Ein europäisches Wissenschaftlerteam fand eine schnellere Methode Stammzellen (so genannte "induzierte pluripotente Stammzellen") herzustellen. Ein neuer Prozess, um Hautzellen der Maus in nur einem Schritt direkt in Gehirnstammzellen umzuwandeln, anstatt der vielen Schritte, die bisher dazu erforderlich waren (AMSEL.DE hatte 2014 bereits über ähnliche Forschungsergebnisse berichtet).

Reparaturzellen zu den Läsionen führen – Dr. Catherine Lubetzki (Sobek-Nachwuchspreisträgerin 2010, Siehe Bericht auf AMSEL.DE) beschrieb die chemischen Faktoren, die unreife Myelin-Reparaturzellen, die sich in dem Gehirn befinden (Oligodendrozyten-Vorläuferzellen oder OPCs) aktivieren und zu den Läsionen bringen können. Dort sollen sie die Myelin-Reparatur verbessern. Potenzielle Myelin-Reparaturstrategien werden nun für die Prüfung am Menschen vorbereitet.

WIEDERHERSTELLUNGSFUNKTION – Rehabilitation

Videospiele und interaktive Videokonsolen können kognitive Fähigkeiten von Menschen mit Multipler Sklerose verbessern, z.B. Aufmerksamkeit, die Verarbeitungsgeschwindigkeit und das Arbeitsgedächtnis. Erst kürzlich hatte AMSEL.DE über eine solche Studie berichtet. Nun zeigten italienische Forscher, dass es auch die "Verbindungen" zwischen Gehirnbereichen verbessert, nachgewiesen mit funktionellen MRT-Aufnahmen. Weitere Studien mit größeren Personengruppen sind in Planung.

Aerobe Fitness und das Gehirn – Neue Ergebnisse zeigen einen Zusammenhang zwischen der aeroben Fitness und einem größeren Hippocampus-Volumen. Dieser Bereich des Gehirns ist wichtig für Kognition und Gedächtnis – er spielt eine Rolle bei der Umwandlung neuer Informationen in das Langzeitgedächtnis. Aerobes Fitnesstraining könnte also die Schrumpfung des Hippocampus bei Multipler Sklerose verzögern und damit die Gedächtnisleistung verbessern.

ERFOLGREICHE BEHANDLUNG VON MS– Auffinden und verstehen von MS-Risikogenen

Das große Ganze – Dr. David Hafler gründete gemeinsam mit Kollegen das International MS Genetics Consortium (Internationales MS-Genetik-Konsortium), ein Zusammenschluss, der die Erforschung und das Verständnis der MS-Genetik revolutioniert hat. Hafler berichtete, dass es wahrscheinlich hunderte von bisher nicht entdeckten MS-Risikogenen gibt. "Jedes einzelne Gen hat eine kleine Auswirkung auf das Krankheitsrisiko; aber jedes Gen interagiert mit der Umgebung", sagte er. "Dies sind keine schlechten Gene und es ist keine schlechte Umgebung – es ist eine schlechte Interaktion."

Neueste Genetik-Ergebnisse – Das Internationale MS-Genetik-Konsortium berichtet, dass es nun mehr als 159 genetische Variationen identifiziert habe, die im Zusammenhang mit MS stehen. Noch wichtiger: Man habe jetzt begonnen, die beteiligten spezifischen Immunzellen und Proteine zu identifizieren und in ihrer Bedeutung als Risikofaktor einzuordnen. Beides ist Voraussetzung für neue Wirkstoffe, die Multiple Sklerose lindern, stoppen oder gar verhindern können.

Genetik-Studie bei Afroamerikanern – Genforscher untersuchen aus, wie sich Gene zwischen Afroamerikanern und Kaukasiern mit MS unterscheiden. Es wurden sieben neue Gene bei Afroamerikanern mit MS festgestellt, die bei größeren Gen-Scans nicht entdeckt worden waren. Durch diese Ergebnisse kann man möglicherweise besser verstehen, warum MS bei Afroamerikanern oft schwerwiegender ist. Außerdem können diese Ergebnisse möglicherweise auch bei der Identifizierung der wichtigsten MS-Risikogene helfen.

ERFOLGREICHE BEHANDLUNG VON MS– Lebensstilfaktoren

Vitamin D und Gene – Forscher zeigten, dass ein niedriger Vitamin-D-Spiegel, der mit einem MS-Risiko in Verbindung gebracht worden ist. MS-Rückfälle entstanden jedoch nur, wenn die Kinder ein spezifisches Immun-Gen haben (HLA-DRB1*15:01/03). Weitere Forschung, die derzeit durchgeführt wird, kann möglicherweise ein neues Licht darauf werfen, wer am stärksten von Vitamin-D-Supplementierung profitieren würde.

Vitamin-D-Supplementierung als Teenager – In welchem Alter kann eine Vitamin-D-Supplementierung das Risiko von MS möglicherweise reduzieren? Dies interessierte norwegische Wissenschaftler. In einer Umfrage unter knapp 3.000 Menschen fanden sie heraus, dass die Personen, die im Alter von 13 bis 18 Jahren Dorschleberöl eingenommen hatten, fast die Hälfte des Risikos hatten, MS zu entwickeln, im Vergleich mit denjenigen, die nie Dorschleberöl eingenommen hatten oder die es in einem anderen Lebensabschnitt einnahmen.

Ernährung und MS – Amerikanische Forscher untersuchten die Ernährungsgewohnheiten von Menschen mit und ohne Multiple Sklerose. Ernährungsformen wie die Mittelmeer-Diät verursachten demnach weder ein niedrigeres noch ein höheres Risiko für die Entstehung von MS.

Quelle: National MS Society, 17.09.2014

Redaktion: AMSEL e.V., 19.09.2014