Therapie der Multiplen Sklerose

Ansstatt von Fampridine kann man das Medikament als 3,4-Diaminopyridin in der Apotheke mischen lassen,so Annette Hahn im Multiple-Sklerose-Expertenchat der AMSEL.

ralf: Guten Tag Frau Dr Annette Hahn würden sie eine Behandlung mit Copaxone fortsetzen wenn eine Lymphknotenschwellung im Halsbereich vorliegt?

Annette Hahn: Hallo Ralf, dabei kommt es darauf an, ob die LK-Schwellung akut im Rahmen eines Infektes aufgetreten ist, ob sie schmerzt oder relativ unauffällig ist. In der Leiste kann man z.B. bei den meisten LK tasten. Oft wehrt der Körper dann einen Infekt ab. Die Copaxone-Spritzen würde ich dennoch weiter machen. Viele Grüße A. Hahn

Annette Hahn

  • Fachärztin für Neurologie
  • seit 2005 Oberärztin der Fachklinik Dietenbronn
  • seit 2009 Leitung der MS-Tagesklinik
  • Schwerpunkt Multiple Sklerose

alex: Sehr geehrte Frau Hahn, ich habe Medizin studiert. Ich hatte als Assistenzärztin in der Radiologie in Neumarkt angefangen zu arbeiten. War aber überfordert. Der Chefarzt , der Personalleiter und ich haben den Arbeitsvertrag schließlich aufgelöst. Die Erkrankung habe ich seit 1996. Die Diagnose bekam ich 1998. Inzwischen hat sich mein Gangbild sehr verschlechtert. Ich kann 1,5-2 Stunden am Stück gehen. Stehen ist noch anstrengender. Ich habe vor ca. drei Wochen einen Antrag auf einen Schwerbehindertenausweis gestellt. Im Moment weiß ich nicht wirklich in welchem Bereich ich arbeiten kann. Vielleicht können Sie mir einen Rat geben. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mir helfen könnten. Viele Grüße

Annette Hahn: Hallo Alex, So wie Sie es beschreiben, wäre eine eher sitzende Arbeit für Sie besser, als Stehen oder Gehen. Welche Fachrichtung dann für Sie in Frage käme, kann ich nur schlecht einschätzen. Der MdK sucht immer wieder Ärzte, auch ohne Facharztausbildung und dort kann man relativ gut einteilen, wie man arbeiten möchte. Es ist wohl auch von zu Hause möglich. Alternativ kommen eher ausgefallene Fachrichtungen, wie Pathologie oder Labormedizin in Frage. Generell sollte zunächst erst einmal abgeklärt werden, ob eine Vollzeitstelle für Sie machbar ist, oder ob Sie reduziert arbeiten. Sie sollten ja abends nicht so fertig von der Arbeit nach Hause kommen und keine Kraft mehr für Freizeitaktivitäten haben. Dann müßte ggf. über eine Teilzeit-Erwerbsminderungsrente diskutiert werden. Auf alle Fälle sollten Sie sich mit dem , was sie Machen wohl fühlen. Viele Grüße A. Hahn

ralf: @Dr Annette Hahn ich bekam 5x 1000mg (innerhalb einer Woche) Kortison wegen eines Schubes der aber an Symptome nicht besser wurde. Was könnte noch helfen außer Mitoxan (außer Eskalationstherapie)?

Annette Hahn: Hallo Ralf, das Cortison bekamen sie ja wegen des Schubes, die Mitoxantronbehandlung wäre die Schubprophylaxe. Also, bilden sich neu aufgeteretene Symptome nach einem akuten Schub nur wenig oder gar nicht zurück, kann eine zweite Cortison-Stoßtherapie nach 2-4 Wochen mit je 2000mg tgl. durchgeführt werden. Bringt dies auch keine Besserung, so hat man die Plasmapherese, bzw. die Immunadsorption noch als Alternative, im Umgangssprachlichen sagt man dazu Blutwäsche. Ob eine Eskalationstherapie, wie von Ihnen angesprochen mit Mito begonnen werden soll, hängt ab vom Gesamtverlauf. Weitere Therapieoptionen in der Eskalationsstufe sind Tysabri oder Gilenya.

ralf: @ Frau Dr Annette Hahn als Nebenwirkung werden für das Medikament Cop. Lymhknotenschwellung angegeben! Eine Infektion liegt nicht vor. Laut Blutbefund. Sollte man eventuell Pause machen in der Therapie?

Annette Hahn: Hallo Ralf, wie lange nehmen sie Copaxone schon? Sind die LK-Schwellungen schmerzhaft? Hatten sie schon ein anderers Medikament vor Copaxone?

gerdi: Nehme schon seit Jharen Interferon ohne Verbesserung, aber auch kaum Verschlechterung. Nebenwirkungen vor allem an der Einstichstelle. Das stört mich, weil Schmerzen und optisch nicht schön, Flecke bleiben ewig. Kann ich zu Gilenja wechseln?

Annette Hahn: Hallo Gerdi, Gilenya ist nur für die Eskalationsbehandlung zugelassen. Man muss entweder einen sehr rasch fortschreitenden Verlauf haben oder mind. 2 Schübe im vergangenen Jahr. Außerdem sind die Nebenwirkungen nicht so harmlos, wie bei den Interferonen. Wenn bei Ihnen seit Jahren kaum eine Änderung eingetreten ist, würde ich nicht wechseln. "Never change a winning team". Viele Grüße A. Hahn

ralf: @Frau Dr Annette Hahn Ich nehme Cop seit 7Jahre ohne Pause jeden Tag, vorher Rebif 22?

Annette Hahn: Hallo Ralf, wegen den vergrößerten LK würde ich die Behandlung nicht beenden. Viele Grüße A. Hahn

Gerhard: Hallo Fr. Dr.Hahn, was sagen Sie zu 4 Aminpyridin ?

Annette Hahn: Hallo Gerhard, ich kenne dieses Medikament als 3,4-Diaminopyridin, ein Kaliumkanalblocker. Es ist nicht frei als Tablette zu kaufen, sondern muss in der Apotheke extra hergestellt werden. In unserer Klinik geben wir dies schon seit vielen Jahren. aber nicht jeder Pat. profitiert davon. Ich gebe es gerne zur Verbesserung der Kraft, wenn jemand nur noch sehr eingeschränkt gehfähig ist oder bei Augenmuskellähmungen kann es auch eingesetzt werden. Es sollte ja eigentlich dieses Jahr bei uns zugelassen werden, wurde aber von der europäischen Zulassungsbehörde für MS abgelehnt. Das, von den Apotheken hergestellte Präparat, ist auch sehr viel günstiger. NW können Herzrhytmusstörungen sein, deshalb zuvor ein EKG schreiben lassen. Viele Grüße A. Hahn

boy0302: Guten Tag Frau Dr Hahn, vor kurzem war im Internet ein Artikel zur Behandlung von MS im Zusammenhang mit Schweinepeitschenwürmern zu lesen. Sind hier aus Studien in Europa gemacht worden, oder wissen Sie mehr dazu?

Annette Hahn: Hallo boy0302, da bin ich leider überfragt. Viele Grüße A. Hahn

Moderator Patricia Fleischmann: @boy0302: Wissen Sie zufällig noch, wo Sie den Text fanden? AMSEL.DE hatte 2007 darüber berichtet - https://www.amsel.de/multiple-sklerose-news/medizin/index.php?kategorie=medizin&anr=2177&searchkey=peitschenw&wholewords=0


Allgemein - boy0302:

@ Patricia: Der Beitrag ist unter www.3sat.de/page/ zu finden

 


Moderator Patricia Fleischmann: @Gerhard: Seit Neuestem ist Fampridin auch in Australien gegen MS zugelassen.

boy0302: Ich habe von meinem Neurologen den Wirkstoff Amantadinsulfat (Medikament: Hofcomant) verschrieben bekommen, weil ich nachts meistens keinen erholsamen Schlaf habe. Fühle mich aber meistens ca. 2h nach der Einnahme wie ferngesteuert. Gibt es für dieses Medikament eine Alternative bzw. etwas zum die Schlafqualität zu verbessern?

Annette Hahn: Hallo boy0302, evtl. liegt da ein Missverständnis vor, da Amantadin eher antribssteigernd wirkt und nicht schlafanstoßend. Ich gebe es manchmal gegen die Fatigue-Symptome. Wegen Schlafstörungen gibt es die klassischen Schlafmedikamente, wie Zolpidem oder Stilnox, jedoch sollten diese nicht über einen längeren Zeitraum eingenommen werden. Gerne gebe ich schlafanstoßende Antidepressiva, wie z.B. Mirtazapin oder Amitriptylin. Viele Grüße A. Hahn

boy0302: Haben sie positive Erfahrungen im Zusammenhang mit MS und Cranio Sacral Therapie gemacht?

Annette Hahn: Hallo boy0302, die Pysiotherapeuten in unserer Klinik arbeiten auch u.a. damit, zudem haben aber auch die meisten die Zusatzausbildung nach Bobath.


Allgemein - boy0302: Hab den Beitrag zufällig im TV gesehen, wäre schön wenn dies die natürliche Lösung wäre


ralf: @Frau Dr Annette Hahn Ist eine ständige ärztliche Kontrolle für Tysabri oder Gilenyapatienten vorgeschrieben? Wie schätzen sie die möglichen Nebenwirkungen ein?

Annette Hahn: Hallo Ralf, vor jeder erneuten Gabe von Tysabri ist ein ärztlicher Kontakt wichtig. Tysabri wird alle 4 Wochen als Infusion gegeben, wir fordern auch jedesmal eine Blutbildkontrolle. Bei Gilenya sollte die erste Gabe unter Überwachung gegeben werden und dann über 6 Stunden kontrolliert werden. Zuvor rate ich einen Hautarzt und Augenarzt aufzusuchen, da es vermehrt zu Hauttumoren kam und eine Schwellung des Augenhintergrundes auftreten kann. Dann sind Kontrollen in 3-monatlichen Abständen empfohlen. Ebenso eine Kontrolle beim Haut- und Augenarzt nach 3 Monaten. Beide Präparate haben schwerwiegende Nebenwirkungen, so dass für den Einzelfall der Nutzen und das Risiko genau abgewägt werden muss. Mit Tysabri habe ich bislang sehr gute Erfahrungen gemacht. Mit Gilenya haben wir in unserer Klinik noch nicht so viele Patienten, seit vergangenem Jahr haben wir an einer Studie teilgenommen.

dd: Fampridin wurde ja im Jan 11 ungünstig bei uns bewertet. Der Einspruch soll ja momentan laufen..... Wie lange dauert es durchschnittlich bis es zu einer erneuten Entscheidung kommt?

Annette Hahn: Hallo dd, wie lange so ein Einspruch dauert, weiß ich nicht. Das Medikament kann man aber als 3,4-Diaminopyridin in der Apotheke mischen lassen und ist sehr viel günstiger. Die Pat. bekommen es über ein Kassenrezept verordnet. Pro Kapsel 10mg. Viele Grüße A. Hahn

Moderator Patricia Fleischmann: Zu den Peitschenwürmern: Die Kleine pharmazeutische Zeitung berichtet über eine zwar langjährige Studie mit allerdings sehr wenigen Teilnehmern. Der Studienleiter selbst sagt: Bevor MS-Patienten Wurmeier zu sich nehmen, sind aber noch weitere Untersuchungen notwendig. Die Ergebnisse sind zwar interessant, aber mit Vorsicht zu betrachten. Denn die Studie war nicht verblindet und die Probandenzahl außerordentlich klein. Correale ist sich dessen bewusst und will seine Untersuchungen weiterführen. - Vorausgesetzt, das ist die neueste Studie. Ein Veröffentlichungsdatum fehlt hier leider. Sieht aus meiner Sicht nach Zukunftsmusik aus.

boy0302: Gibt es schon Lösungsansätze für die Remylisierung???

Annette Hahn: Hallo boy0302, es wird sicher viel darüber geforscht. Die Oligodentrozyten versuchen ja auch die Myelinscheide wieder aufzubauen und manchmal gelingt dies wohl auch sehr gut, da Läsionen dann kaum noch im Kernspin darstellbar sind. Allerdings gibt es bei der MS auch die Hypothese, dass die Oligodentrozyten direkt geschädigt werden, dann kann keine Remyelinisierung mehr stattfinden. Im Kernspin wird dies als "black holes" - schwarze Löcher beschrieben.

ralf: @Frau Dr Annette Hahn Was sagen sie zu dem neuen Medikament "Sativex"(Cannabis)? Hilft es auch bei Nervenschmerzen die vorallem in der Tag/Nacht auftreten?

Annette Hahn: Hallo ralf, ich habe leider keine Erfahrung mit Cannabispräparaten, bisher gab es ja auch schon Tropfen. Manche Patienten berichten aber beim "rauchen" über positive Verbesserungen, so dass ich es ausprobieren würde. Viele Grüße A. Hahn

Paddy: Ich habe seit 4 Jahren MS. Die Interferon-Therapie schlägt nicht wie gewünscht an. Wäre Gilenya eine Alternative? Ich habe Bluthochdruck und bin kurzsichtig (4 Dioktrin).

Annette Hahn: Hallo Paddy, als Eskalationsbehandlung würde ich zunächst eher Tysabri favorisieren, da die Erfahrungen mit Gilenya noch sehr gering sind. Ich würde zunächst abwarten, wie sich die Nebenwirkungen entwickeln. Hierunter sind vermehrtes Auftreten von Tumoren und Hirnentzündungen mit verschiedenen Viren beobachtet worden. Bei Tysbri gibt es auch eine schwerwiegende NW, eine Virunsinfektion des Gehirns, genannt Progressive multifokale Leukencephalopathie (PML), jedoch trat eine solche erst nach 12 Monaten frühestens auf, so dass ich zumindest für 1 Jahr die Behandlung mit Tysabri beginnen würde und dann ggf. auf Gilenya wechseln. Sie Beratung hierzu sollte von einem, in der MS-Behandlung erfahrenen Kollegen, durchgeführt werden. Viele Grüße A. Hahn

Astrid: Vor einigen Jahren wurde MS festgestellt. Seit ca. einem Jahr danach habe ich fast täglich Nachtschweiss. Die Interferonspritzen nahm ich erst 1.5 Jahre später. Die Schweissausbrüche haben sich nicht geändert. Können diese mit der MS zusammenhängen?

Annette Hahn: Hallo Astrid, ich halte es eher für unwahrscheinlich, dass die Schweissausbrüche mit der MS zusammen hängen. Viele Grüße A. Hahn

Lillyfee: Hallo. Ich bekam im KH 3 x 1000mg Kortison per Infusion und habe es gut vertragen. Es wurden auch einige Symptome besser doch hielt das dann nur ca. 14 Tage an. Daraufhin verordnete mir mein Arzt 5 x 80 mg Kortison, 5 x 60 mg. 5 x 40 mg etc... leider vertrage ich das überrhaupt nicht und habe Herzrasen, Rhythmusstörungen, Mattigkeit etc. jetzt haben wir schon reduziert´und dennoch .... ich soll das jetzt alle 3 Monate bekommen aber das ist doch der Horror :-) was für Alternativen gäbe ees denn? Ist jedes Kortison gleich?

Annette Hahn: Hallo Lillyfee, wenn Sie die Cortisontabletten nicht gut vertragen, würde ich nochmals mit meinem Arzt über Alternativen sprechen. Möchte er die Cortisongaben als Schubprophylaxe oder haben sie schon eine andere Schubprophylaxe?? Viele Grüße A. Hahn

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, das war's bereits für heute. Herzlichen Dank für Ihre Beiträge und ein besonders großes DANKE an Annette Hahn! In 3 Wochen, am 7. Juni, gehts weiter mit "Sport und MS". Bei Interesse freue ich mich über ein Wiederchatten, empfehlen Sie uns weiter, wenn's Ihnen hier gefallen hat. - Allen einen schönen Abend noch!

Redaktion: AMSEL e.V., 17.05.2011