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Viel los beim Welt Multiple Sklerose Tag in Stuttgart

Mit einem überdimensionalen Gehirnmodell klärt AMSEL einmal mehr über Multiple Sklerose auf. Und zwar mittendrin im Ländle, am Stuttgarter Hauptbahnhof, zwischen all den Pendlern der Stadt.

Darüber stolpern kann man nicht gerade, über das Gehirnmodell in der Bahnhofsvorhalle. Es misst gute 2 Meter in der Höhe und knapp 4 in der Breite. Und doch sind einige der Pendler heute am Stuttgarter Hauptbahnhof über etwas gestolpert: Dass nämlich Welt MS Tag ist, was die wenigsten der neugierigen Flaneure wussten.

Immerhin: Multiple Sklerose, davon haben die meisten schon gehört. Dass das eine Erkrankung des Gehirns, genauer des ganzen Zentralen Nervensystems ist, das wussten manche dagegen vorher noch nicht.

So etwa Monika Czoske, auf dem Heimweg von einer Städtereise. Kurzer Blick auf die Uhr: noch 16 Minuten bis zum Zug. Das reicht für eine kurze Einführung. Also: Am Gehirn-Modell sind nicht nur Balken, Thalamus, Kleinhirn etc. zu erkennen, sondern dieses Kunsthirn ist besonders "krank". Es hat eine Gefäßthrombose, einen Hirntumor, einen Hirnabszess und auch noch einen Multiple-Sklerose-Herd.

Weiterreise mit mehr Wissen im Gepäck

Und zur MS: Die Multiple Sklerose greift die Ummantelung der Nerven an. Wird das Myelin, eine Art Fettschicht um die Nerven herum, nicht erneuert, kann das Gewebe in ganzen Regionen zerstört werden, es entstehen zahlreiche Narben, eben die Multiplen Sklerosen. - Ach so, ich dachte, das sei mehr so eine allgemeine Erkrankung, dass sie vom Gehirn aus geht, war mir nicht klar, so Monika Czoske. - Jetzt weiß sie es besser. Und auch manch anderer, der den Vorträgen Prof. Peter Flacheneckers vor dem Gehirnmodell lauschte oder mit dem AMSEL-Team ins Gespräch kam, hat auf der Weiterreise mehr Wissen im Gepäck.

Den Welt MS Tag 2016 am Stuttgarter Hauptbahnhof prägten vor allem die vielen Ehrenamtlichen, die sich die Zeit nehmen, mit Interessierten zu sprechen, ihnen zu erklären, was Multiple Sklerose ist. Ihnen Auskunft zu geben, welche Symptome und Einschränkungen sie haben. Wie sie damit umgehen. Teil des AMSEL-Teams an diesem Tag, neben vielen weiteren Ehrenamtlichen: Michael Meßmer.

An eine Frau erinnert sich Michael besonders. Sie hatte beobachtet, wie er aus seinem Rollstuhl aufstand und zu Fuß weiterging. Ein Wunder ? Keineswegs. Der Cannstatter erklärte der Dame kurz und bündig, dass er wie viele andere MS-Betroffene auch, den Rollstuhl nur für längere Strecken einsetze, die kurzen eben zu Fuß gehe. Von wegen und so "an den Rollstuhl gefesselt".

Ein Rolli erweitert den Radius

Wobei, so erinnert sich der frühere Down-Hill-Fahrer, anfangs hatte er sich schon auch gegen den Rollstuhl gesträubt, als man ihm einen solchen bei einer Reha empfahl. Völliger Quatsch aus heutiger Perspektive. Denn der Rolli, besonders zusammen mit dem Handbike, einer Art vorgeschnalltem Rad mit Handpedalen, erweitert seinen Radius, schenkt ihm Lebensqualität und gibt ihm Selbständigkeit zurück.

Das ist es auch, was für ihn "selbst bestimmt leben mit MS", das diesjährige Welt-MS Tags-Motto, ausmacht: Selbständigkeit. Und dazu gehört für ihn ganz zentral unter anderem, dass man eine Reha machen kann, wenn man sie braucht. Für Rentner wie Michael wird das oft leider nur alle 4 Jahre übernommen. Und dass er einen für ihn geeigneten Rollstuhl erhält: Hier ist das Rezept nun endlich bewilligt, so der 55-Jährige, der nebenbei auch Neuerkrankte im Marienhospital berät.

Gesicht des Welt MS Tages 2016

Eine Ehrenamtliche hat schon im Vorfeld zum Welt MS Tag Schlagzeilen gemacht: Susanne Leinberger, oben im Bild mit AMSEL-Geschäftsführer Götz Zipser. Die Göppingerin prangt als Gesicht des Welt MS Tages 2016 auf allen Plakaten, Flyern und Postkarten bundesweit. Und ist noch ganz benommen von dem großartigen Feedback. Bei einer Ausstellungseröffnung (AMSEL.DE hatte berichtet) seien gleich 3 Neuerkrankte auf sie zugekommen, so die Kontaktgruppenleiterin. Sie hatten sich gemeldet, weil ihr Foto eine so positive Ausstrahlung hat und überhaupt nicht ihren Vorurteilen von einem traurigen Club chronisch Kranker entsprach.

Auch Susanne Leinberger - sie ist nicht nur Leiterin der AMSEL-Kontaktgruppe Göppingen sondern außerdem Stellvertreterin im AMSEL-Vorstand - ist mit dabei beim Welt MS Tag am Hauptbahnhof. Pendler wie Journalisten befragen sie. Ein Foto mit hohem Wiedererkennungswert: Ein fröhliches Gesicht unter einem bunten Helm, sitzt Leinberger da inmitten der Natur auf ihrem Dreirad, genauer auf ihrem Trike. In Göppingen brauche sie mittlerweile für ihre Trike-Strecken doppelt so lange, weil sie alle Nase lang angesprochen würde, lacht Leinberger.

Doch das Bild spiegelt nicht nur Susanne Leinbergers Lebensfreude wider. Es demonstriert auch ganz deutlich, wie wichtig ein selbst bestimmtes Leben mit Multipler Sklerose ist.

Erklärungen am Gehirnmodell

Derzeit neigt sich der letzte Vortrag am Gehirnmodell dem Ende zu. Prof. Dr. med. Peter Flachenecker, Vorsitzender des Ärztlichen Beirates der AMSEL erklärt die verschiedenen Hirnregionen, ihre Aufgaben, dass die rechte Hirn- für die linke Körperhälfte zuständig ist und umgekehrt, den Unterschied zwischen willkürlichen und unwillkürlichen Abläufen, etwa Herzschlag, Atmung und Handbewegungen. Und natürlich, wie das bei Multipler Sklerose läuft, welche Schäden und Behinderungen auftreten können.

Den 12-Uhr-Vortrag verfolgen rund 50 Menschen gespannt. Und sie nutzen die Möglichkeit, den Neurologen danach zu "löchern": Wie wirkt eine Therapie ? Wie funktioniert die Blut-Hirn-Schranke ? Welche Ursachen stecken hinter der Multiplen Sklerose ? (An dieser Stelle sei auf unsere Animationen unter www.amsel.de/multimedia verwiesen.)

Abends geht es im Haus der Katholischen Kirche weiter mit Vorträgen zur Multiplen Sklerose. Für mehr Aufklärung über MS für alle Betroffenen wie Gesunden. Und für mehr selbst bestimmtes Leben mit MS !

AMSEL dankt der DAK Gesundheit, die im Rahmen der Projektförderung die Durchführung der Welt MS Tags Aktivitäten gefördert hat.

Redaktion: AMSEL e.V., 25.05.2016