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Krebstherapie übertragbar auf Behandlung von (progredienter) MS?

Die CAR-T-Zell-Therapie hat die Krebsbehandlung verbessert. Ob sich das Prinzip auch auf MS übertragen lässt, dazu nimmt Prof. Mathias Mäurer Stellung. Der Wirkstoff ATA188 wird bereits in der Therapie der progredienten MS erprobt.

In der Krebsbehandlung (vor allem bestimmter B-Zell-Leukämien) wird die CAR-T-Zelltherapie schon einige Jahre eingesetzt. Dazu wird den Patienten T-Zellen-Material entnommen, speziell aufbereitet und, nach einer Chemotherapie, wieder in den Körper zurückgeführt. Die neu programmierten T-Zellen greifen ganz gezielt Tumorzellen an. Noch dazu entstehen durch diese Aktion weitere dieser programmierten T-Zellen, was die Therapie im Laufe der Zeit noch wirksamer macht.

Das Prinzip versuchen Forscher auch auf andere Krankheiten wie die Multiple Sklerose zu übertragen. Nachdem es bei der MS keine Tumorzellen oder andere eindeutige Ziele gibt, haben sich Wissenschaftler die EBV-infizierten B-Zellen (zur Erinnerung: EBV scheint einer der Faktoren für MS zu sein) als Ziel vorgenommen. Ein Wirkstoff, der dafür in der Erprobung ist, nennt sich ATA188.

Selbstverständlich haben Nachrichten über diesen Wirkstoff in der MS-Welt großes Echo hervorgerufen, zumal er gerade bei progredienten Fällen ohne Krankheitsaktivität (Schub oder neue Läsionen) getestet wird, bei primär und sekundär progrediente MS (PPMS und SPMS), also jenen Verläufen, für die es bislang kaum wirksame verlaufsmodifizierende Therapien gibt. Dazu kommen erste hoffnungsvoll stimmende Ergebnisse.

Erste Erfolge, aber zu früh für Sicherheit

Darum sei schon an dieser Stelle erwähnt, dass es sich lediglich um eine kleine Phase 1-Studie handelte, die das Sicherheitsprofil und die Dosierung überprüfen sollte. Lediglich 18 von 25 Teilnehmern setzen die Studie in Phase zwei fort. Bei dieser kleinen Zahl an Patienten, kann es bei einer so verschieden ausfallenden Erkrankung wie der MS naturgemäß zu Schwankungen kommen. Darum stellen die Ergebnisse, sowohl auf der Wirkungs- wie auf der Nebenwirkungsseite noch lange kein endgültiges Ergebnis dar. Bei Wirkstoffprinzipien wie diesem könnte es außerdem theoretisch zum sogenannten CRS-Syndrom kommen, einer mitunter sehr starken und teils sogar tödlich verlaufenden Nebenwirkung.

Zu den positiven Ergebnissen: Nachdem einer der 25 Patienten die Studie aufgrund Verschlechterung seiner MS beendete, machten 24 Patienten ein Jahr lang weiter. Von diesen 24 Patienten erfuhren neun nicht nur einen Stillstand, sondern sogar eine – über den Zeitraum von zwölf Monaten – anhaltende Verbesserung ihrer Behinderungen (als Beispiel gaben Firmenmitarbeiter an, dass ein Patient, der vorher einen Rollator benutzte, danach nur noch ein Stock benötigte, um zu gehen, oder statt eines Stockes gar keine Gehhilfe mehr). Bei diesen Patienten gab es auch Anhaltspunkte dafür, dass möglicherweise eine Remyelinisierung stattgefunden habe.

Studienzentren in Kanada, USA und Australien

Relevante oder schwere Nebenwirkungen berichtete der Hersteller gar nicht. Das kann jedoch bei der kleinen Zahl an Probanden noch keine Sicherheit liefern. Hierfür muss man nicht nur die Ergebnisse der laufenden Phase-2-Studie mit dem Namen EMBOLD abwarten, sondern auch die Ergebnisse einer künftigen Phase-3-Studie.

Im Unterschied zur CAR-T-Zelltherapie bei Krebs benötigen ATA188-Patienten keine Chemotherapie. Stattdessen werden genügend T-Zellen aus Spendermaterial hergestellt ("umprogrammiert", um sich gegen EBV-infizierte B-Zellen zu richten) und Spender und Empfänger genetisch abgeglichen.

ATA188 wird nach aktuellem Stand als jährliche Infusion für bis zu vier Jahre gegeben. Die aktuell angelaufene Phase-1/2-Studie rekrutiert ausschließlich in Kanada, den USA und Australien. Ergebnisse dazu sind 2026-27 zu erwarten, es sei denn, der Konzern gibt vorab Zwischenergebnisse heraus.

Quellen: MS-Docblog, 26.08.2022, Clinicals Trials, Stand: 26.08.2022; CGT Live, 03.07.2022.

Redaktion: AMSEL e.V., 27.08.2022