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Nerven reparieren - leider nur im Tiermodell

Multiple Sklerose endlich heilen zu können, ist der Traum aller Betroffenen, Angehörigen sowie Wissenschaftler. Dafür müsste man beschädigte Nerven reparieren können. Die jüngste Meldung eines Münchener Forscherteams zeigt, wie weit wir davon noch entfernt sind.

Immer wieder kursieren Meldungen, dass am Tiermodell der Multiplen Sklerose eine Nervenheilung gelang. Die (Massen-) Medien gehen mit dieser Meldung oft nicht sensibel um. Schnell wird Hoffnung geschürt, die Multiple Sklerose sei heilbar, womöglich schon bald. Bisher ist das leider nicht der Fall. Auch die jüngste Nachricht aus München gehört dazu.

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Axonreparatur bei Tier-Multiple-Sklerose

Am Tiermodell der MS mit genetisch farblich markierten Axonen konnten Münchner Forscher um Professor Martin Kerschensteiner und Professor Thomas Misgeld beobachten, wie es zu Schädigungen der langen Nervenfortsätze oder Nervensprosse, der sogenannten Axone kommt. Weiterhin beobachteten sie, dass diesen Schäden bei der sogenannten "fokalen axonalen Degeneration" (FAD) nicht unbedingt eine Myelinschädigung vorausgehen muss, und sie zeigten sogar - nur am Tiermodell wie erwähnt -, dass sich die Axone kurz nach der Schädigung mit bestimmten Stoffen wieder reparieren lassen.

Für die Grundlagenforschung, für das allgemeine Wissen über die Tier-MS und möglicherweise auch über die menschliche MS sind dies gleich mehrere wichtige Erkenntnisse. Für die unmittelbare Arzneimittel-Forschung dürfte der Einfluss begrenzt sein. Zum einen handelt es sich bei den eingesetzten "nervenreparierenden" Stoffen um Produkte, die gar nicht medizinisch verwendet werden können. Von der ersten Erprobung eines möglichen Wirkstoffes bis hin zur Zulassung vergingen etwa 10 Jahre, vorausgesetzt, die Nebenwirkungen halten sich im Rahmen. Zum anderen aber lässt sich das Tiermodell der MS nicht ohne weiteres auf die menschliche Multiple Sklerose übertragen. Maus-MS und MS beim Menschen haben unterschiedliche Erkrankungsmechanismen, wenngleich unter den Tieren die Maus dem Menschen immunologisch sehr nahe kommt.

Verlauf der Multiplen Sklerose: Axonschäden auch bei intakten Myelinscheiden?

Wichtig an der Veröffentlichung erscheint jedoch, dass die Forscher in Zusammenarbeit mit Spezialisten aus Göttingen und Genf an menschlichen Gewebeproben zwar nicht die Axonreperatur nachstellen, dafür aber ähnliche Stadien der Nervenschädigung beobachten konnten wie im Tiermodell der FAD. Das erhärtet möglicherweise den Verdacht, dass der Axonschädigung nicht immer eine Myelinschädigung vorausgeht, sondern andere molekulare Mechanismen beim Verlauf der Multiplern Sklerose eine Rolle spielen könnten: die Entdeckung des FAD.

Warum sind Axonschäden bei Multipler Sklerose so bedeutend?

Vor allem die Schädigung der Nervenfortsätze ist bei der Multiplen Sklerose gefürchtet: Wie viele behindernde Symptome etwa nach einem Schub bleiben, hängt sehr vom Axonuntergang ab. Wie und unter welchen Umständen es zur FAD kommt, und ob diese Art der Axonschädigung bei intakten Myelinscheiden die kurzfristige Regeneration klinischer Symptome, wie sie für MS typisch ist, erklärt, bleibt offen.

Also: Ein toller Erfolg für die Grundlagenforschung. Vorerst kein Wirkstoff zur Nervenregeneration, dafür mögliche Ansätze für weitere Forschung auf dem komplexen Gebiet der MS.

Publikationen

  • "A reversible form of axon damage in experimental autoimmune encephalomyelitis and multiple sclerosis”;
    Ivana Nikiæ, Doron Merkler, Catherine Sorbara, Mary Brinkoetter, Mario Kreutzfeldt, Florence M Bareyre, Wolfgang Brück, Derron Bishop, Thomas Misgeld & Martin Kerschensteiner;
    Nature Medicine online, 27. März 2011;
    doi: 10.1038/nm.2324
  • Pressemitteilung der LMU München, 28.03.2011

Quelle: Pressemitteilung der LMU München, 28.03.2011

Redaktion: AMSEL e.V., 29.03.2011