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MS-Mittel und Stammzelltherapie ähnlich wirksam?

Eine australische Studie ergab, dass Fingolimod der aHSCT unterlegen ist, Natalizumab fast gleich wirksam ist, Ocrelizumab hingegen vergleichbar stark wirkt, auch was die Reduktion des Behinderungsgrades angeht.

Die autologe hämatopoetische Stammzelltherapie kommt in Deutschland selten zur Anwendung. Sie gilt als sehr wirksam in einem speziellen Anwenderkreis (hochaktive schubförmige MS, möglichst jung, möglichst kurz MS-erkrankt, möglichst wenige Beeinträchtigungen). Einige Wissenschaftler halten sie sogar für die wirksamste Therapie für diese Gruppe.

Um die aHSCT wissenschaftlich fundiert beurteilen zu können, muss man sie wissenschaftlich mit anderen zugelassenen MS-Therapien vergleichen, so ein Forscherteam aus Australien. Daher veranlassten sie eine Beobachtungsstudie, die aHSCT mit drei MS-Wirkstoffen vergleicht:

  • Fingolimod,
  • Natalizumab und
  • Ocrelizumab,

also einem mittelstark wirksamen und zwei stark wirksamen MS-Medikamenten (Wirksamkeitsgrade 2 und 3)

Für ihre Vergleichsstudie verknüpften die Forscher Ergebnisse dreier randomisierter Studien und matchten die Patienten mit aHSCT-Patientendaten (d.h., sie bildeten Paare hinsichtlich klinischer und demografischer Faktoren). Sie berücksichtigten ausschließlich Patienten mit schubförmig-remittierender Multipler Sklerose, einer hohen Schubrate, unter 10 Jahren Krankheitsdauer und einem EDSS-Wert von < 4. Untersucht wurden die Auswirkung der jeweiligen Therapie auf die jährliche Schubrate sowie Veränderung der Behinderungen.

Ein MS-Medikament ähnlich wirksam wie Stammzelltherapie

  • Gegenüber Fingolimod war aHSCT signifikant wirksamer in allen Punkten.
  • Gegenüber Natalizumab war aHSCT nur leicht, aber nicht signifikant besser in Bezug auf die Schubrate. Signifikant besser war jedoch die Verbesserung der Behinderung unter aHSCT.
  • Ocrelizumab und aHSCT zeigten sich vergleichbar wirksam, was Schubrate (0,34 vs. 0,32) und Verbesserung von Behinderungen angeht. Es gab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen.

Insgesamt identifizierten die Forscher Daten von fast 5.000 Menschen mit RRMS. Davon wurden 167 mit aHSCT, 2.558 mit Fingolimod, 1.490 mit Natalizumab und 700 mit Ocrelizumab behandelt. Aufgrund der Einschlusskriterien betrug die Nachbeobachtungszeit beim Vergleich Ocrelizumab - aHSCT nur 3 Jahre, bei den anderen beiden Vergleichen 5 Jahre. Nicht auszuschließen, dass dies Auswirkungen auf das Ergebnis hatte. Es seien weitere Studien notwendig, um die Wirksamkeit von Ocrelizumab und aHSCT miteinander zu vergleichen.

Dass Ocrelizumab vergleichsweise gut abgeschnitten hat, jedenfalls in dieser Studie, erklären sich die Forscher damit, dass Ocrelizumab B-Zellen zerstört und somit einem "Reset" des Immunsystems wie bei einer autologen hämapoetischen Stammzelltherapie am nächsten kommt. – Mehr zur Wirkweise von Ocrelizumab, Voraussetzungen, Anwendung, Nebenwirkungen etc. auf MS behandeln.

Nebenwirkungen und Therapiefenster

Ein Nachteil der aHSCT liegt in den Nebenwirkungen. Je nach vor allem der Stärke der angewandten Chemotherapie und natürlichen den individuellen Voraussetzungen kann es sogar zum Tod kommen (hier in 0,3 - 2 % der Fälle), zudem zu anderen Komplikationen bei der Immunablation. Auch Ocrelizumab kann Nebenwirkungen mit sich bringen. Unabhängig von möglichen Nebenwirkungen liegt der Vorteil von MS-Therapien wie Ocrelizumab darin, dass das Therapiefenster deutlich größer ist, etwa hinsichtlich Alter, Krankheitsdauer und Schubrate.

Für bestimmte Patienten ist die aHSCT weiterhin eine Therapieoption. Erst in diesem Jahr, 2023, wurde eine deutsche Taskforce gegründet, um mehr MS-Patienten hierzulande den Zugang dazu zu ermöglichen (die bislang teils die Therapie aus eigener Tasche und im Ausland zahlen). Aus finanzieller Sicht wäre eine einmalige Stammzelltherapie gegenüber längerfristiger Therapie mit einem Immunmodulator günstiger.

Quellen: JAMA, 15.05.2023; PracticeUpdate, 09.11.2023; TouchNeurology, 11.11.2023.

Redaktion: AMSEL e.V., 23.06.2023