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Rehabilitation und Lebensqualität

16.10.07 - Darum ging es am zweiten Tag des Stuttgarter MS-Symposiums 2007 im Rahmen des Ursula Späth-Jubiläums. Hier eine Zusammenfassung der spannenden Vorträge.

Rehabilitation - Ist der Nutzen messbar?

PD. Dr. Peter Flachenecker, Neurologisches Rehabilitationszentrum Quellenhof, Bad Wildbad, sprach zunächst über Ziele und Grundlagen der Neurorehabilitation. Faszinierend ist sie eigentlich, die Welt unserer Nerven, des Zentralen Nervensystems. Unter neuronaler Plastizität versteht der Fachmann nämlich beispielsweise die Anpassungsfähigkeit dieses Systems an neuronale Reize. Verlorengegangene Funktionen können von anderen Arealen übernommen werden; oft geschieht das "automatisch", ohne dass wir davon etwas mitkriegen, doch man kann auch nachhelfen, trainieren und fördern.

Ein lebensnahes Beispiel für die Ausdehnung des "kortikalen Areals" ist etwa der linke kleine Finger, der beim Berufsgeiger weit mehr leisten muss und kann, als üblicherweise von ihm gefordert wird. Ziel der Neuroreha ist oft eine Aktivierung, eine Erweiterung der (durch die MS eingeschränkten) Leistungsgrenze. Üben, üben, üben scheint hier die Parole, denn durch Wiederholung lernt unser Gehirn, lernen Muskeln und Sehnen, sich auf ungewohnte Aufgaben einzustellen, ob dies nun die verbesserte Blasenkontrolle, die Atmung oder die Mobilität betrifft.

Und der Erfolg ist messbar, wie Studien zu Aufmerksamkeits-Training, oder Gangparametern gezeigt haben. Eine Studie am Quellenhof zur Auswirkung der Hippotherapie ist in Planung.

Die Klassiker

1. Physiotherapie

Um Plastizität, um Einflussnahme auf die Neuordnung der Nerven ging es auch bei Klaus Gusowski, Abteilungsleiter der Physiotherapie im Quellenhof, der die Behandlungskonzepte Bobath, Hippo, Vojta, PNF, Brunkow sowie die Ergotherapie genauer vorstellte. Allen Konzepten zueigen sei, dass sie einen gewissen Zeitraum benötigen, bis sich ihre Wirkung zeigt. Nach etwa vier Wochen stellten sich jedoch oft die Erfolge ein.

2. Ergotherapie

Um Wiedererlangen, Verbessern und Erhalten der Funktionen geht es auch in der Ergotherapie. Sie arbeitet auf motorischer und sensomotorischer Basis und übt ganz konkrete Alltagsanforderungen im Hinblick auf Haushalt und Arbeitsplatz etwa.

3. Neuropsychologie

Mit Aufmerksamkeits- und Gedächtnisstörungen, mit visuell-räumlichen Problemen, aber auch mit Schwierigkeiten, Wörter zu finden oder abstrakt zu denken und vorauszuplanen beschäftigt sich die Neuropsychologie, erklärt von Heike Meissner, ebenfalls Quellenhof. Laut Register brachten Therapien eine Verbesserung von 69 Prozent bei der Reduzierung der Arbeitszeit und 37 Prozent bei der Hilfe im Alltag. Keine Frage also: Der Erfolg von gezieltem Aufmerksamkeitstraining lässt sich messen und vermeidet die Isolation der Betroffenen.

Sind ergänzende Entspannungstherapien sinnvoll?

1. Feldenkrais

Nichts weiter als Neugier und Geduld braucht es, um Feldenkrais zu erlernen, so Roger Russell, Feldenkrais-Zentrum Heidelberg. Russell hat in 22 Jahren Erfahrungswerte mit 300 Menschen sammeln können, die Koordinationsfähigkeit seiner Schüler verbessert. Durch erhöhte Aufmerksamkeit erzeugt der Feldenkraismeister neue Bewegungsmuster, Bewegungsabläufe geraten so flüssiger, unsere Handlungen werden wirksamer und effizienter, Stress vermindert und unsere Selbstbewusstsein gestärkt.

2. Qigong

Ungehinmdrten Energiefluss möchte auch Qigong ermöglichen, wie Dr. Zuzana Sebkova-Thaller erklärte. Wiewohl auch Qigong eine Erfahrungswissenschaft ist und nicht zu den empirischen (also statistisch nachweisbaren) Wissenschaften zählt, steht eine Diagnosestellung am Anfang. Die Therapie selbst versteht sich als ganzheitliche Methode, um mittels Atem und Bewegung Energieblockaden im Körper zu lösen. Ziele und subjektiv erlebte Erfolge können die Vewrlagerung der Aufmerksamkeit von einer ungewissen Zukunft auf den lebenswerten Körper sein, die Wahrnehmung der eigenen Schönheit und der Möglichkeiten. Wie das funktioniert? Alle Bewegungen folgen dem Atemrhythmus und das Schwingen der Wirbelsäule wiederum verändert die Aktivität im Gehirn.

Alternative Therapien der MS - Was ist sinnvoll, was ist gefährlich?

Dr. Dieter Pöhlau, Kamillus-Klinik, Asbach, sprach Tacheles. Schließlich geht es auch darum, einen möglichen Placeboeffekt auszunutzen. Wirksame Verfahren seien physikalische Therapien und grundsätzlich gut alle Entspannungsmethoden; warnen müsse man lediglich vor den Kosten. So sind Edelsteintherapien mitunter sehr teuer. Freilich bräuchten MS-Kranke mit Vitaminmangel die fehlenden Vitamine. Vorsicht jedoch mit solchen in Tablettenform: Sie sind zu behandeln wie Medikamente und davon nimmt man auch keine Megadosen. Unwirksam sind hyperbarer Sauerstoff und die Enzymtherapie.

Tatsächlich Schaden abwenden müsse man von Patienten, die - weil sie ja eine alternative Therapieform gewählt haben - mögliche wirksame Therapien unterlassen. Und natürlich vor schädigenden, etwa eiweißhaltigen Substanzen wie Schlangengift.

Redaktion: AMSEL e.V., 06.11.2007