Spenden und Helfen

MSIF Profil des Monats: Mai 2008

09.05.08 - Kanya Puspokusumo aus Indonesien ist Schriftstellerin und hat MS. Ihre Krankheit verarbeitet sie unter anderem in einem Weblog, kurz "Blog" also einem Online-Tagebuch.

 
 
MSIF -profil des monats - Mai 2008
 
 

Name: Kanya Puspokusumo
Land: Indonesien
Alter: 36 Jahre
Beschäftigung: Schriftstellerin,
Kontaktperson für Partnerunternehmen
Jahr der Diagnose: 2001
Art der MS: Schubförmig

"Hilf mir mit Empathie, nicht Sympathie"1

Ich bin am 3. Juli 1971 in Bandung, Indonesien, geboren. Ich bin alleinerziehende Mutter eines achtjährigen Sohns. Ich schreibe sehr gerne. Ich habe einige Romane, Kurzgeschichten und Gedichte unter meinem Pseudonym geschrieben. Diese Arbeiten wurden in einigen Zeitungen, Zeitschriften und in meinem Internet-Tagebuch veröffentlicht. Außer dem Schreiben spiele ich auch Klavier. Diese zwei Hobbies helfen mir, meinen Stress abzubauen (ich denke, Stress ist einer der Hauptauslöser für eine Verschlechterung bei MS-Betroffenen).

Ich habe einen Studienabschluss in Japanischer Literatur und in Philosophie. Nach Beendigung meiner Studien unterrichtete ich Japanisch an der Universität von Bandung. Ich könnte noch unterrichten und glücklich mit meinem Ehemann und meinem Sohn leben, wenn die MS mein Leben nicht vollständig auf den Kopf gestellt hätte.

Ich erinnere mich immer an den Moment, als die Ärzte im Jahre 2001 bei mir MS diagnostizierten. In Japan war es Frühling. Für die meisten Leute ist der Frühling mit der Kirschblüte eine sehr schöne Zeit, aber dieser Frühling war für mich die schrecklichste Zeit, die es bisher in meinem Leben gab.

Ich war Austauschlehrerin an einer asiatischen Sprachschule in Shizuoka, Japan, als ich plötzlich starke stechende Kopfschmerzen bekam. Ich verlor für 10 Minuten mein Augenlicht und die rechte Seite meines Körpers war gelähmt. Mein Mentor schickte mich ins Shizuoka Saiseikai Krankenhaus, wo ich viele Untersuchungen hatte, einschließlich MRT und Lumbalpunktion. Das Endergebnis dieser Untersuchungen: Ich hatte MS. Meine Behandlung begann damals mit 3 Injektionen Interferon pro Woche, diese Therapie mache ich nach wie vor.

Mein Leben veränderte sich mit dem ersten Schub völlig. Ich benötigte für die ersten 6 Wochen einen Rollstuhl und ich musste akzeptieren, dass ein Leben mit MS in Indonesien nicht leicht sein wird. Zu dieser Zeit gab es sehr wenig Information über MS in Indonesien. Als ich das erste Mal meinem Mann und meinen Freunden von der Krankheit erzählte, verwechselten sie den Namen oft mit Osteoporose und Zirrhose. Die unvorsehbaren Folgen der MS bescherten mir eine sehr harte Zeit. Ich wurde oft der Lüge bezichtigt, weil ich in einem Moment völlig gesund, im nächsten Moment aber plötzlich ganz schwach wirkte. Aber die härteste Zeit, die ich jemals hatte, war, als viele Leute glaubten, meine Krankheit wäre dasselbe wie AIDS. Obwohl ich fortwährend erklärte, dass MS in keiner Weise auch nur annähernd mit AIDS zu tun hat, auch nicht ansteckend ist, schlossen mich viele aus der Gesellschaft aus.

Mein ehemaliger Arbeitgeber konnte mit MS auch nichts anfangen. Obwohl ich ihnen erklärt hatte und ihnen auch zeigen konnte, dass MS meine Leistungsfähigkeit für viele Jahre nicht stoppen würde, zweifelten sie an meinen Aussagen. Im Jahre 2004 hatte ich meinen zweiten Schub. Ich war fünf Tage im Koma. Als ich wieder aufwachte, war alles viel schlimmer; weder mein Ehemann noch meine Freunde waren bereit, mir beizustehen. Ich wurde von allen verlassen.

Ich war sehr verletzt. Aber ich stellte fest, dass Zorn, Traurigkeit und Hass nichts bringen. Anstatt die zu hassen, die mich so verletzten, begann ich, die Sonnenseiten der Erkrankung zu entdecken. Ich hatte noch eine Mutter, Geschwister und meinen Sohn Rayhan, die mich nach wie vor mit ihrer grenzenlosen und bedingungslosen Liebe unterstützen. Ich habe auch noch Gott und ich glaube auch, dass Gott mir keine Bürde auferlegt, die ich nicht tragen kann. So beschloss ich, jedem zu verzeihen, der mich beleidigt hat, und mein Leben weiterzuleben. Seit diesem Zeitpunkt bemühe ich mich auch intensiv, das Image von MS in Indonesien durch Artikel in diversen Medien ins rechte Licht zu rücken.

Im Jahre 2005 beendete ich meine Arbeit an der Universität und arbeitete ein Jahr in der Firma meiner Familie, und ich wurde auch freiberufliche Schriftstellerin. Diese Arbeiten waren sehr befriedigend, aber ich fand, dass ich noch mehr für meine Karriere tun sollte. Ich wollte auch vielen Menschen beweisen, dass die MS mich niemals davon abhalten kann, ein nützlicher Mensch zu sein. Im Jahre 2007 bewarb ich mich bei einem japanischen Joint Venture Unternehmen in Indonesien, und sie brachten mich in der Abteilung Marketing und Beziehungen zu Partnerunternehmen unter.

In dieser Firma arbeite ich hauptsächlich als Kontaktperson, manchmal bin ich auch Dolmetscherin (für Englisch und Japanisch) und eine "Brücke" zwischen den indonesischen und ausländischen Arbeitskräften. Ich habe in der Vergangenheit gelernt, dass sich Leute schwer tun, Personen mit MS in ihr soziales Umfeld zu integrieren. Daher beschloss ich, meinem Arbeitgeber und meinen Kollegen nichts von meiner Erkrankung zu erzählen. Dann hatte ich einen erneuten Schub und musste meinen Vorgesetzten doch mitteilen, dass ich MS habe. Als ich das tat, erwartete ich die gleiche Reaktion wie von meinem vorherigen Arbeitgeber. Aber zu meiner Überraschung akzeptierten sie mein Geständnis - sie wollten sogar mehr über meine Erkrankung wissen und suchten Informationen im Internet. Sie haben nach wie vor viel Verständnis, wenn ich wegen meiner Erschöpfung oder meinen Schmerzen eine Pause brauche. Kurz gesagt, sie unterstützen mich sehr.

Die meisten indonesischen Angestellten in dieser Firma haben auch eine gute Einstellung. Obwohl viele noch kaum etwas von dieser Krankheit gehört haben, wollen sie von mir doch mehr darüber wissen, und diese Haltung macht es für mich leichter, ihnen genauere Informationen über MS zu geben. In der Firma arbeitet auch meine beste Freundin: Yunita. Ich habe sie noch nie um Hilfe gebeten, aber sie reicht mir auch immer zuerst die Hand, bevor ich sie frage.

Fünf Freunde und ich versuchen nun sehr intensiv, eine indonesische Multiple Sklerose Gesellschaft zu gründen. Diese Gruppe hat sich einiges zum Ziel gesetzt, wie: Menschen mit MS beim Umgang mit der Krankheit unterstützen, Spenden für die MS-Gesellschaft sammeln und in Indonesien die Bevölkerung detailliert über MS informieren. Diese Tätigkeiten sind ausschließlich ehrenamtlich, aber ich bekomme mehr dafür als finanziellen Reichtum: wirkliches Glück.

Anderen Menschen mit MS rund um den Erdball, besonders in Indonesien, möchte ich sagen, dass es wohl harte Zeiten in unserem Leben geben kann, aber bitte: Gebt nie auf! Glaubt mir, wo Leben ist, dort ist auch Hoffnung. Anstatt zu schreien und zu ächzen oder frustriert zu sein ist es besser, wenn wir der Tatsache tapfer ins Auge sehen und aufstehen und anderen Leuten zeigen, dass uns nichts davon abhält, nützlich und wertvoll für andere zu sein – auch wenn wir nicht wissen, wie es mit unserer Krankheit in Zukunft weitergeht.

Zum Schluss möchte ich meine Geschichte mit den japanischen Worten beenden, die normalerweise gesagt werden, wenn jemand kämpft und niemals aufgibt……

GAMBATTE KUDASAI!!!!

Kanya Puspokusumo

 
1Ich verwende diese Worte in meinem Buch "Leben mit Multipler Sklerose", das privat veröffentlicht und kostenlos an alle Leute verteilt wurde, die ich kenne. Es wurde 2005 in Indonesien geschrieben und 2007 überarbeitet. In diesem Buch schrieb ich alles, was ich über MS wusste; was ist MS und wohin kann sie führen usw. Ich schrieb auch, dass Menschen mit MS keine Sympathie brauchen, sondern Menschen mit Einfühlungsvermögen, die einem zuhören und verstehen, worum es geht.
 

Quelle: MSIF, Mai 2008

 
MSIF und AMSEL e.V. danken Günter Lampert für die Übersetzung dieses Profils des Monats.
 

 

Redaktion: AMSEL e.V., 09.05.2008