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Neue Medikamente, neue Therapie?

Mit einer Einführung von Alemtuzumab ist nicht vor Ende 2012 zu rechnen, so Prof. Dr. med. Horst Wiethölter, Ärztlicher Beirat und Vorstand der AMSEL, im AMSEL-Multiple-Sklerose-Chat.

Moderator Patricia Fleischmann: Guten Abend, liebe AMSEL-Chatter, in wenigen Minuten startet unser Chat mit Prof. Dr. Horst Wiethölter zum Thema "Neue Medikamente, neue Therapie?" Sie dürfen gern jetzt schon Ihre Fragen posten!

Mandy: Sehr geehrter Prof. Dr. Horst Wiethölter, seit Aug. 2008 spritze ich Copaxone.Diagnose 07/2008. Unter Copaxone habe ich lt. MRTs leider auch viele neue Herde im Gehirn und Rückenmark bekommen. Desweiteren mehrere Schübe. Ich habe einen Behinderungsgrad mittlerweile von 80% G,B. Ich leide unter Spritzenangst. Großer. Habe trotzdem Copaxone geschafft zu spritzen. Derweil haben sich dann NW in Form von sehr schmerzhaften Entzündungen an der Haut ergeben. (Notfallamulanz, mehrmals). Sowie auch Herzrasen, Atemnot (kein flush, dauerte mehrere Stunden). Cortisonbehandlungen sind bei mir ebenfalls ein Spiel mit dem Feuer. Heftigste NW, Muskelkrämpfe usw usw. Derzeit musste ich auf ärztliche Anweisung Copaxone absetzen. Ich gehe nicht davon aus, dass ich Rebif/Avonex nicht spritzen kann, wegen meiner Panikattacken. Ich bin derzeit ohne jegliche Vorsorge. Kann/darf ich Fingolimod einnehmen und würden Sie es mir empfehlen? (Windpocken hatte ich) Mein Neurologe rät mir davon ab, weil er selber davon noch nicht soviel Ahnung hat und die Langzeittherapie sei noch nicht getestet. Tabletten wären meine einzige Hoffnung im Moment Vorsorge treffen zu können.....Vielen Dank, Mandy, 34 Jahre.

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Mandy, unter den Bedingungen, die Sie mir geschildert haben, ist eine Therapie mit Fingolimod durchaus angezeigt. Die Nebenwirkungen sind überschaubar und meist auch in den Griff zu bekommen. Allerdings sollte man nach der ersten Einnahme mindestens 6 Stunden in der Praxis überwacht werden, da in dieser Zeit gelegentlich Herzrhythmusverlangsamungen auftreten können. Auch die weitere Überwachung sollte unter kompetenter Leitung sein.

Prof. Dr. med. Horst Wiethölter

Studium der Humanmedizin.

  • Klinische Ausbildung an der Universität Tübingen in den Gebieten Neuropathologie, Neurologie und Psychiatrie.
  • 1984 bis 1989 Oberarzt an der Neurologischen. Universitätsklinik Tübingen.
  • 1985 Habilitation für das Fach Neurologie.
  • 1989 bis 1992 Stellvertreter des Direktors der Neurologischen Universitätsklinik Tübingen.
  • 1992 bis zur Emeritierung 2009 Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik am Bürgerhospital im Klinikum Stuttgart.
  • Seit 1985 besonderes Interesse an der Ursachenforschung und Behandlung neuroimmunologischer Erkrankungen insbesondere der MS. Emeritiert Ende 2009.
  • Mitglied im Ärztlichen Beirat und im Vorstand der AMSEL.
  • Mitglied im Ärztlichen Beirat der DMSG.

Kari: Guten Abend zusammen! Spastik und Gehschwierigkeit gehören ja zusammen.Fampridine könnte bei Gehproblemen eingesetzt werden, Sativex bei Spastik. Wie entscheidet man, welches Medikament das richtige wäre?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Kari, die Frage ist nicht ganz leicht zu beantworten. Dazu müsste man wissen, ob die Spastik den entscheidenden Faktor für die Gehstörung darstellt und ob die Spastik nicht auch mit anderen Antispastika behandelbar ist. Erst wenn diese Frage beantwortet ist, macht es Sinn, über Ampyra nachzudenken, da eine besondere Beeinflussung der Spastik durch Ampyra nicht zu erwarten ist.

Clementine: Ich nehme seit Januar amifampridin (Firdapse) , da fampridin (fampyra) ja immer noch nicht auf dem Markt in Deutschland ist. Meine Laufstrecke hat sich verdoppelt und teilweise verdreifacht. Nur meine Krankenkasse, ich bin privat versichert, will die kosten nicht übernehmen. Ich bekomme noch fast 10.000 Euro erstattet. Was kann man tun und wann ist damit zu rechnen, dass fampyra zugelassen ist? Von meinem iPad gesendet

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Clementine, ich gehe davon aus, dass Ampyra in den nächsten Monaten auch in den Apotheken verfügbar sein wird. Firdapse ist für Ihren Bedarf auch nicht das optimale Präparat. Sie sollten noch ein wenig Geduld haben. In Ermangelung einer Alternative muss die Kasse bei entsprechender Indikation die Kosten auch übernehmen.

Kari: Nachtrag: Spritze Copaxone seit 1/2009. Bin aber wahrscheinlich mittlerweile in die sek. progr. Form gerutscht.

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Kari, die Verlaufsform der MS spielt für den Einsatz von antispastischer Medikation oder Ampyra keine Rolle.

Manu: Sativex-Cannabinoid soll ja nun auf dem deutschen Markt sein. Übernimmt die gesetzliche Krankenkasse denn auch die Kosten?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Manu, die gesetzlichen Krankenkassen müssen die Kosten übernehmen, wenn die Indikation zur Einnahme durch einen Facharzt bestätigt ist. Das bedeutet, dass eine mit den üblichen Medikamenten nur insuffizient behandelbare Spastik bei MS vorliegt. Der Erfolg muss vier Wochen nach Beginn der Therapie dokumentiert und belegt werden, damit die Kasse die Kosten übernimmt.

axel76: Guten Abend. Habe eine Frage zum Thema: Gilenya Aufgrund Unverträglichkeit von Avonex und Co,, sowie einer hohen Anzahl von Schuben in den letzten 2 Jahren, wurde ich vor 3,5 Wochen Auf Gilenya eingestellt und mir gehts damit wirklich nicht gut. Habe nie wirkliche Symtome der MS gehabt, ausser verminderte Gangfähigkeit. Nun kommen sensibilitätsstörungen, Müdigkeit, Plobleme beim Stuhlgang dazu. Desweiteren kann ich ums vielfache schlechter gehen. Laut meines Neurologen hat das nicht mit dem Medi zu tun, sondern dir MS sei eben zufällig aktiv, also nen Schub. Kann das sein und reicht eine einfache Blutuntersuchung aus, um festzustellen, ob ich das Medikament überhaupt vertrage? Vielen Dank im Vorraus

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Axel76, leider muss man trotz der sonst guten Verträglichkeit des Gilenya doch immer wieder einmal mit in der Regel leichten und im Verlauf von Wochen sistierenden Nebenwirkungen rechnen, wie z.B. Übelkeit, Durchfälle und gelegentlich auch Sensibilitätsstörungen. Sie sollten sich deswegen doch noch einmal mit Ihrem Neurologen besprechen, vielleicht lassen die Nebenwirkungen auch in den nächsten vier Wochen nach. Die Probleme, die Sie schildern, klingen nicht unbedingt MS-typisch. Auch hier wäre eine neurologische Differenzierung sicher sinnvoll.

howie: Sehr geehrter Prof. Dr. Horst Wiethölter, ich möchte unbeding t Fampridin. Raten Sie dazu, wenn die Kasse Ampyra nicht übernimmt, zumindest die 4-AP vorab zu nehmen?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Howie, ich gehe davon aus, dass die Kasse bei gegebener Indikation die Kosten für Ampyra auch übernehmen würde. Vielleicht versichern Sie sich vorher bei der Kasse. Wenn Sie Ampyrakosten nicht übernehmen, dann werden sie auch die Übernahme von 4-AP ablehnen.

daniel: hallo habe da mal eine frage spritze rebiff 44mg betaferon ich wollte fragen ob es sich mit diesen neuen sativex vertragen würde weil ich hab diese übelkeit immer nach den spritzen und ich habe mal ein joint von nen kumpel geraucht (er hat auch ms) und mir ging es dadurch richtig gut also keine übelkeit mehr keine extreme spastik mehr

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Daniel, alle Interferone sind ohne Probleme mit Sativex kombinierbar. Voraussetzung für die Verordnung von Sativex ist eine sonst nicht ausreichend behandelbare schwere Spastik.

Nina S: Sehr geehrter Herr Professer Wiethölter, was halten Sie von einer frühen Therapie mit Fingolimod? Ich hatte im vergangenen Jahr zwei Schübe. Im Mai wurde die MS diagnostiziert. Ich habe nun mit einer Therapie mit Betaferon begonnen, würde jedoch gerne ein besseres Medikament einnehmen.

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Nina S, Fingolimod ist für die frühe Therapie nicht zugelassen, sondern nur für solche Patienten, die von einer Basistherapie nicht ausreichend profitiert haben. Allerdings kann auch bei besonders schweren Verlauf und häufigen Schüben ausnahmsweise mit Fingolimod begonnen werden. Das bedeutet, es kommt auf Frequenz und Schwere der Schübe sowie auf die Veränderungen im MRT an. Im übrigen ist Fingolimod nicht sehr viel wirksamer als Betaferon, es ist lediglich leichter einzunehmen.

vic87: Guten Abend. Ich hätte eine Frage. Ich wollte wissen ob man rituximab auch geben kann wenn noch nicht genau geklärt ist ob man eine ms oder doch eine nmo hat. Da bei mir Copaxone nicht wirkt und Interferon nicht gegeben werden kann.

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Vic87, grundsätzlich ist Rituximab weder für die NMO noch für die MS ausreichend getestet. Trotzdem hat es sich bei den wenigen Patienten mit einer NMO als wirkungsvoll erwiesen, so dass eine Behandlung bei der NMO sinnvoll scheint. Für die MS kann man Rituximab nur unter besonderen und Studienbedingungen empfehlen. Wenn der behandelnde Arzt die NMO für wahrscheinlich hält, kann ich mir auch eine Behandlung mit Rituximab vorstellen. Leider ist eine Kontrolle über die bei der NMO typischen Aquaporin-Antikörper (zur Abschätzung der Wirksamkeit von Rituximab) bei Ihnen dann nicht möglich.

Ganesha: Wie im life entension Magazin (www.lef.org/magazine/mag2006/jun2006_report_ashwa_01.htm) zu lesen war, unterstützt Ashwagandha (winterkirsche) significant die Regeneration von Nervenzellen und axonen. Haben Sie erfahrungen damit? Wie soll die Dosierung vorgenommen werden.

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Ganesha, ich habe über die Wirkung der Winterkirsche gelesen, aber selber keine Erfahrung damit. Mir scheint die Wirkung auf Regeneration von Nervenzellen beim Menschen nicht so sicher und vor allem auch nicht im Zusammenhang mit einer MS, dass sich eine Therapie damit empfehlen würde.

Kari: Wie kann man denn feststellen, ob die Gehstörungen von der Spastik kommen. Die Spastik schießt bei mir hauptsächlich in die Beine wenn ich liege oder vom Liegen oder Sitzen aufstehe. Kann der Physiotherapeut das auch erkennen?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Kari, die einschießende Steifigkeit, die Sie beschreiben, klingt tatsächlich wie eine Spastik. Aber offensichtlich trifft diese vornehmlich im Liegen oder wenn Sie sich vom Liegen oder Sitzen erheben auf. Trotzdem kann natürlich das Gangbild selber auch durch die Spastik beeinträchtigt sein. Der Physiotherapeut kann das kompetent beantworten.

vox: Hallo Dr. Wiethöller. Ich sollte vor ein paar Monaten an einer Gilenya - Studie teil nehmen, bin aber aussortiert worden da ich nach einem "mechanischen" Unfall letztes Jahr im Sommer einen Riss in der linken Netzhaut hatte. Dadurch hab ich jetzt ein wenig Wasser unter der Netzhaut, was so als Netzhautödem galt ... ein Ausschlusspunkt der Studie. Ich hatte zuvor 8 Jahre Copaxone gespritzt, zuletzt 2 Jahre Interferon. Da mir mein Arzt sagt das das Interferon bei mir nicht wirklich was gebracht hätte hatte ich das ab gesetzt und mich jetzt auch geweigert das wieder zu spritzen. Mich würde interessieren ob ich jetzt nach der Zulassung versuchen sollte Gilenya zu bekommen... oder ist für mich der Zug mit den Beeinträchtigungen am linken Auge wirklich ab gefahren? Wie gesagt ... die Augenklink hat mir ne eindeutige Empfehlung für Gilenya gegeben, aber die untersuchende Studienärztin hat eben nur dokumentiert was sie gesehen hat ... und nicht das das eben erst bei der Netzhaut-OP entstanden ist.

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Vox, die Gefahr einer Wasseransammlung unter der Netzhaut (Makulaödem) ist für Gilenya bekannt. Deshalb mussten Sie auch von der Studie ausgeschlossen werden. Ich sehe aber nach der rein traumatischen Ursache bei Ihnen jetzt kein Problem auf Gilenya einzusteigen, wenn die Augenärzte keine speziellen Einwände haben.

Sandra: Sehr geehrter Herr Prof. dr. Horst Wiethölter, was weis man über die Nebenwirkungen des Medikaments. Für welche Patienten eignet sich diese Therapie?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Sandra, Tysabri ist ein gut verträgliches Medikament, das sehr selten bei den ersten Infusionen allergische Reaktionen auslösen kann, die unter ärztlicher Kontrolle bleiben müssen. Später sind diese Nebenwirkungen nur noch ganz selten. Hauptnebenwirkung ist natürlich das Auftreten einer Hirnentzündung durch ein Virus, die zu ähnlichen Symptomen führen kann wie eine MS. Es ist manchmal sehr schwer zu unterscheiden, ob die MS aktiv wird oder ob eine Hirnentzündung (man nennt sie Progressive Multifokale Leukenzephalopathie = PML) vorliegt. Die PML ist eine schwere Hirnentzündung, die wir nur mit Blutwäsche behandeln können. Echte Medikamente gegen das verursachende Virus haben wir nicht. Tysabri eignet sich für Patienten mit einem raschen Verlauf mit häufigen Schüben, die auf Interferone oder Glatiramerazetat nicht ausreichend angesprochen haben. Auch bei schweren Verläufen mit mehr als zwei Schüben im Jahr kann ausnahmsweise Tysabri als erste Therapie eingesetzt werden.

Kari: Bei welcher Art von Gehstörung wäre denn Ampyra indiziert? Also unabhängig von meiner Frage zur Spastik.

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Bei ataktischer, unsicherem Gangbild, oder wenn die Schwäche im Vordergrund steht. Man kann sich das vielleicht so vorstellen, dass Ampyra die Leitung in den Nerven verbessert, d.h. Funktionsunfähigkeit kann teilweise für eine gewisse Zeit aufgehoben werden. Bei der Spastik aber handelt es sich um eine überschießende Aktivität der Nerven, die durch Ampyra nicht verbessert werden kann.


Allgemein - Sandra: wer macht von euch die Therapie mit Tysabrie?


Kari: Prof. Dr. Wiethölter, herzlichen Dank im Voraus für die Beantwortung all meiner Fragen. Ich muss jetzt leider den Chat verlassen. Bin Ihnen sehr dankbar!

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Gern geschehen, Sie können die Antwort auf die letzte Frage dann morgen im Chatprotokoll nachlesen. Einen schönen Abend noch.

wilhelm: Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Wietthölter, ich habe die SPMS und warte sehnlichst auf die Freigabe von Fampridin. Aber ich hätte da noch einige Fragen: 1. Fampridin wurde zunächst die Zulassung verweigert und zwar aus Gründen, wenn ich mich recht erinnere, der Nebenwirkungen, die für ein Medikament, das nur für die symptomatische Behandlung wirksam ist, zu häufig auftreten. Mit welchen Nebenwirkungen muss beim Einsatz von Fampridin gerechnet werden? 2. Wie ist die Wirkungsweise von Fampridin beim MS-Kranken?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Wilhelm, die Argumentation der Zulassungsbehörde war der Eindruck eines Missverhältnisses zwischen Wirkung und Nebenwirkung. Die Zulassungsbehörde hat sich dann aber doch davon überzeugen lassen, dass für Patienten, die sich gerade nur zum Stand aus dem Rollstuhl erheben können, eine Verbesserung zum Gehen bis zu mehreren wenigen Schritten einen erheblichen Gewinn bedeutet. Die Nebenwirkungen verschwinden alle, sobald das Medikament nach 24 Stunden seine Wirkung verliert. Problematisch kann das Auftreten von epileptischen Anfällen sein bei Patienten, die eine entsprechende Bereitschaft dazu mitbringen. Aber auch die treten nach Absetzen des Medikamentes nicht mehr auf.

Michaela: Guten Abend, ich habe sek.progr.MS und habe vor einigen Wochen 4-Amino-Pyridin verschrieben bekommen. Habe es nicht vertragen und es hat auch nicht das Gehen verbessert. Meinen Sie ,dass ich trotzdem Fampridin, wenn es kommt, versuchen kann?Danke.

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Michaela, ich vermute, dass Sie mit Fampridin die gleichen Probleme haben werden. Auch wenn ich nicht weiß, wie Ihre Unverträglichkeit ausgesehen hat. Bei Unverträglichkeit im Magen haben Sie mit Ampyra durchaus die Chance einer besseren Verträglichkeit.

Sandra: Wann und wer darf Cannabinoide, Fingolimod, Fampridine verwenden?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Sandra, bei den Cannabinoiden (hier speziell Sativex), dem Fingolimod (einem oralen MS-Medikament) und Fampridin (einem symptomatisch wirkenden Medikament) handelt es sich um neue Medikamente, die alle ihre spezifische Wirkung und Indikation haben. Es kommt also ganz entscheidend auf die Form der MS, den Verlauf und die Symptomatik an, ob und ggf. wann eines dieser neuen Medikamente sinnvoll ist.

Stone: Sehr geehrte Frau Fleischmann, gestern las ich unter der Internetseite von der DMSG, "dass es eine bestimmte Art von Immunzellen im Darm gibt, die eine neue Funktion annehmen und sich als effektiver Helfer im Kampf gegen Autoimmunkrankheiten wie rheumatoide Arthritis und Multiple Sklerose herausstellen könnte. Ist dort näheres bekannt, bzw. kann diese Gruppe der Immunzellen bereits jetzt medikamnetös gestärkt werden." Hier ein Auszug aus der Veröffentlichung auf der DMSG Seite der sehr vielversprechend klingt: "....In seiner Studie fand das Team die Antwort, wie und wo diese "gefährlichen" Zellen kontrolliert werden können. Sie konnten zeigen, dass der Dünndarm dabei eine wesentliche Rolle spielt. Während einige Zellen dort abgebaut werden, nehmen die Helferzellen Charaktereigenschaften an, die ungewollte Immunreaktionen stoppen. Die Forscher waren fasziniert zu sehen, dass die TH17-Zellen im Darm "umprogrammiert" werden können, sie drastisch ihre Funktion ändern und so zu effektiven Helfern bei Immunkrankheiten werden. "Dies ist absolut neu für uns und sehr interessant, da sie die Aktivität der überschüssigen, entzündlichen Reaktionen des Immunsystems hemmen, die durch Autoimmunkrankheiten ausgelöst werden. Diese Ergebnisse lassen annehmen, dass es möglich sein könnte, lebensbedrohliche Immunreaktionen verursacht durch eine Überaktivität der TH17-Zellen, zu vermeiden, indem die Zellen umgeleitet und dadurch im Darm kontrolliert werden können," erklärt der Wissenschaftler...."

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Zunächst: ein interessanter Ansatz. Bitte lesen Sie in den kommenden Tagen amsel.de. Wir gehen dort näher darauf ein.

Lara: Sehr geehrter Prof. Dr. Wiethölter, ich habe die Diagnose MS seit 10/2010. Weitere Schübe waren in 02/2011 und 05/2011. Seit 02/2011 spritze ich Rebif 44. Jetzt sind meine Leberwerte stark angestiegen (OT 92; PT 137; GT 82) und dazu meinte meinte mein Neurologe dann heute, dass er mir nicht garantieren könne, dass ich einen Leberschaden davon bekomme und ich solle das Medikament dann halt absetzen und dann könnte ich ja auf Copaxone umsteigen. Ist das wirklich eine Alternative? Ab wann erfüllt man die Bedingungen für Gylenia? Zum jetzigen Zeitpunkt kann man ja noch gar nicht wirklich sagen, ob das Rebif hilft oder nicht oder? Können sich die Leberwerte nicht noch etwas normalisieren, so dass ich weiter dabei bleiben kann? Bin mir unsicher, ob Copaxone dann wirklich die passende Alternative wäre, da ich ja in kurzer Zeit die 3 Schübe hatte. Vielen Dank für Ihre Antwort.

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Lara, der Anstieg der Leberwerte ist schon eindeutig und wahrscheinlich auch auf das Rebif zurückzuführen. Allerdings sollte man sicher sein, dass nicht eine andere Ursache dafür gefunden werden kann. Manchmal können sich die Leberwerte wieder verbessern trotz weiterer Rebif-Gabe. Meistens aber ist ein deutlicher Anstieg ein Signal für eine Unverträglichkeit, die man nicht so einfach hinnehmen sollte. Ich denke, dass Copaxone tatsächlich eine gute Alternative wäre. Auch Gilenya wäre unter diesen Bedingungen eine Möglichkeit. Die Wirkung von Gilenya ist aber nicht sehr viel besser als die von Copaxone bzw. Rebif. Im Prinzip aber könnte man Ihnen schon zu Gilenya raten.

Moderator Patricia Fleischmann: Hallo Stone, in den kommenden Tagen werden wir auch auf amsel.de über die TH17-Zellen berichten und zwar mit einer Einschätzung von Prof. Dr. Horst Wiethölter. Vielleicht schauen Sie dann nochmals bei amsel.de rein?

Dolm: Guten Abend, habe bis letztes Jahr Mrz.03 insgesamt 43 Infusionen Tysabri bekommen. Habe Betaferon, Avonex, Copaxone vorher nicht vertragen und hab auch schon halbe Lebensdosis Mitox intus. Tysabri hat meine hochaktive MS stabilisiert (2-3 Schübe pro Jahr)und seit 1,5 Jahren nehm ich nichts mehr und mir gehts trotzdem gut. Wäre Fingolimod eine Option? Muß dazu sagen das ich NICHT wegen erhöhten PML Risiko mit Tysabri aufgehört habe .Wenn ein Schub auftreten sollte würde mich interessieren was sie zu Fingolimod in meinem Fall sagen. P.S. Hab seit 13 Jahren MS.

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Guten Abend Dolm, mich würde interessieren, warum Sie aufgehört haben mit Tysabri, obwohl Sie das nicht wegen des PML Risikos gemacht haben. Nach wie vor halte ich Tysabri für eine hervorragende schubvermeidende Substanz. Außer einer eintretenden Wirkungslosigkeit oder Sorge vor einer PML sehe ich keinen Grund, eine Therapie mit Tysabri zu beenden. Wenn Sie aber eine Alternative suchen, kommt Fingolimod durchaus in Betracht.

Gabi: Hallo und Guten Abend Ich hätte gern mehr zu Fampridin erfahren, wann wird dies Medikament empfohlen, was sind die Nebenwirkungen Vielen Dank

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Gabi, Fampridin ist eine rein symptomatische Behandlung, die Patienten verordnet werden kann, die eine erhebliche Gehbeeinträchtigung haben (EDSS 4-7). Hauptnebenwirkungen sind Gefühlsstörungen (Kribbeln, Ameisenlaufen in den Extremitäten) und bei Patienten, die schon einmal einen epileptischen Anfall gehabt haben, das erneute Auftreten eines Anfalls.

Michaela: Ist Ampyra und Fampridin das gleiche Medikament? Mit Amino-Pyridin war mir sehr schwindlig und schlecht und besser gehen konnte icht auch nicht. Jetzt nehme ich Sativex und hoffe darauf.

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Michaela, Ampyra ist der Handelsname von Fampridin. Wenn die Hauptsymptomatik bei Ihnen eine schwere Spastik ist, dann haben Sie gute Chance von Sativex zu profitieren.

Lara: Andere Ursachen für den Anstieg sind unwahrscheinlich (hatte nie erhöhte Werte). Gilenya gehört ja nicht mehr zur Basistherapie oder? Ist dass dann von den Nebenwirkungen schlimmer oder was bedeutet das genau? Sollte man nicht so lange wie möglich bei einer Basistherapie bleiben? Könnte man auch ein anderes Medikament wie Avonex ausprobieren? Ist zwar der gleiche Wirkstoff, aber vielleicht mag das meine Leber ja lieber. Sind die Leberwerte wirklich schon bedenklich?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Lara, Avonex als Alterantive halte ich nicht für sinnvoll, da mit einer entsprechenden Leberstörung dann auch hier zu rechnen ist. Copaxone dagegen wäre eine gute Alternative, von den Nebenwirkungen her gut verträglich mit geringen Hautproblemen und seltenen Lymphknotenschwellungen. Copaxone müsste man halt täglich spritzen. Gilenya ist im Prinzip für Sie möglich, auch wenn es kein Basistherapeutikum ist, mit dem Vorteil der Tabletteneinnahme. Die Nebenwirkungen sind etwas häufiger als bei Copaxone, im allgemeinen aber nicht gefährlich. (Auch Gilenya macht Leberwerterhöhungen, Entzündungen im Nasen-Rachen-Raum, Kopfschmerzen, Blutdruckanstieg, Durchfälle und Übelkeit, selten eine Veränderung am Augenhintergund mit Sehstörungen und sehr selten einen in der Regel gutartigen Hautkrebs.)

Moderator Patricia Fleischmann: 20 Chatter sind online, eine kurze Viertelstunde bleibt uns noch. Falls Sie noch Fragen haben, dann her damit ;-)

Dolm: Also ich wollte einfach mal sehen wie mein Körper darauf reagiert wenn keine MS-Medikamente mehr zugeführt werden. Muß dazu sagen das ich nach wie vor noch voll arbeite und dank den 3,5 Jahren Tysabri eine spürbare Verbesserung meiner MS gemerkt habe.Mein Neurologe sagt auch das man auch wieder mit Tysabri einsteigen kann falls erneute Verschlechterung eintritt,

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Dolm, selbstverständlich kann man mit Tysabri auch wieder einsteigen, falls ein neuer Schub auftritt. Sie selber müssen entscheiden, ob Sie das Risiko eines erneuten Schubes unvorhersehbarer Schwere eingehen wollen oder nicht. Die Häufigkeit von Schüben vor Tysabri lässt in etwa abschätzen, wie groß die Gefahr einer erneuten Aktivität der MS ist.

Mary: habe eine SPMS , aber mir noch starken schüben , basistherapie war wirkungslos , und interfone mußten wegen einer heftigen leberreaktion abgesetzt werden , jetzt hab ich 3 phasen mitox hinter mir , diese therapie hab ich abgesbrochen weil ich zu heftige nebenwirkungen hatte , wäre fingolimod für mich eine option , im moment mache ich nichts , leider dabei ist mir nicht wohl

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Mary, Fingolimod ist schon möglich, insbesondere wenn Sie noch unter starken Schüben leiden. Aber auch Fingolimod ist nicht ganz ohne Nebenwirkungen und wenn ich Ihre Neigung zu Nebenwirkungen vor Augen habe, nicht ganz unproblematisch. Alternativ würde ich überlegen, ob die Mitoxantron-Therapie nicht fortgesetzt werden sollte. Allerdings jeweils in Kombination mit Cortison. Mitoxantron wird allemal sehr viel besser vertragen, wenn zuvor eine Infusion mit 750-1000 mg Methylprednisolon (Urbason) gegeben wird.

Mary: starke symthome sind bei mir die augen und schmerzen , und im moment wird mein gehen auch wieder schlechter , deshalb ist es mir wichtig eine therapie zu machen

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Mary, bereden Sie die Alternativen, die ich Ihnen eben vorgeschlagen habe, doch noch einmal mit Ihrem Neurologen.

Andshey: Wie lange wird es noch ca. dauern bis man Allemtuzumab zulassen wird bzw. wann werden die Ergebnis aus der Phase 3 Studie bekannt gegeben. Und was halten Sie von Allemtuzumab?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Andshey, ich glaube, dass Alemtuzumab gute Chancen hat, bei der MS-Therapie eine bedeutsame Rolle zu spielen. Von Alemtuzumab ist erstmals auch eine Verbesserung des EDSS (ein Maß für den Grad der Behinderung bei MS) nach Behandlung eingetreten. Bei den bisher verfügbaren Therapien konnte man lediglich ein Voranschreiten der Erkrankung verzögern. Die Studien werden sicher nicht vor 2012 vorliegen, so dass mit einer Einführung nicht vor Ende 2012 zu rechnen ist.

Matthias: Hallo unAmpyrad guten abend. Erscheint eine gleichzeitige Medikation mit Ampyrad und Sativex aus ihrer Sicht sinnvoll oder doch eher kontraproduktiv aufgrund der in meinem Verständniss eher gegensätzlichen Wirkung - verbesserung der Reizleitung gegenüber Spastikreduzierung?

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo Matthias, Sie haben völlig Recht, Ampyra und Sativex passen nicht unbedingt zusammen. Letzlich aber kommt es auf die Dosierungen an, die möglicherweise auch ein Nebeneinander von beiden Medikamenten zulassen. Ich würde erst das eine ausprobieren und wenn noch erhebliche Symptome bleiben, einen Versuch mit einer geringen Dosis des anderen machen.

NicolaW.: Guten Tag, mir bei mir wurde erst vor einem Monat MS diagnostiziert und seitdem nehme ich das Medikament Betaferon. Heute habe ich erstmals von meinem Apotheker einen Reimport aus Polen erhalten und wollte nun fragen, ob es bei dererlei Reimporten Bedenken gibt.

Prof. Dr. Horst Wiethölter: Hallo NicolaW, irgendwelche Bedenken gegen Reimporte von Betaferon sind mir nicht bekannt. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass ein anderer Hersteller dabei mitmischt.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, unsere Chattore schließen nun, alle offenen Fragen beantwortet Herr Prof. Wiethölter noch. Ganz herzlichen Dank an ihn für sein Engagement heute Abend! Haben auch Sie vielen Dank für Ihre Beiträge hier und heute. Weiter gehts nach der Sommerpause am 6. September, gleiche Stelle, gleiche Welle. - Allen einen schönen Abend und einen entspannten Sommer!

Redaktion: AMSEL e.V., 19.07.2011