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Keine Kostenübernahme für Immunglobuline

30.06.08 - Ein Urteil des Bundessozialgerichts hat den Einsatz von Immunglobulinen für Kassenpatienten praktisch versperrt.

Das Bundessozialgericht (BSG) hat in einem Urteil Anfang des Jahres entschieden, dass die Krankenkassen eine Behandlung mit Immunglobulinen bei Multipler Sklerose nicht bezahlen müssen (AZ: B 1 KR 15/07 R).

Immunglobuline

Immunglobuline sind Arzneimittel, die für die Behandlung der MS nicht zugelassen sind. Im Rahmen des sogenannten Off-Label-Use wurden Immunglobuline in Einzelfällen aber dennoch eingesetzt, wenn zugelassene Medikamente nicht wirksam oder contraindiziert waren. Auch während der Stillzeit nach einer Entbindung werden Immunglobuline häufig verabreicht, da gerade während dieser Zeit die Gefahr eines Schubes besonders groß ist und zugelassene Medikamente nicht eingesetzt werden können.

Im vorliegenden Fall hatte eine MS-betroffene Mutter gegen die Krankenkasse geklagt, da sie auf Anraten ihres Arztes während der Stillzeit eine Behandlung mit Immunglobulinen zur Schubprophylaxe durchführte. Das Gericht erkannte zwar grundsätzlich an, dass nach ärztlicher Erkenntnis die Gefahr eines MS-Schubes nach einer Entbindung besonders hoch ist und deshalb der Wunsch nach einer vorbeugenden Behandlung nachvollziehbar ist. Gleichzeitig respektierten die Richter den Wunsch der Mutter ihr Kind zu stillen, da dies nach ernstzunehmenden medizinischen und psychologischen Einschätzungen für Mutter und Kind die optimale Versorgung darstellt.

Keine Kostenübernahme trotz Stillzeit

Trotzdem lehnte das BSG eine Kostenübernahme für die Immunglobulin-Behandlung durch die Krankenkassen ab. Das Gericht begründete seine Ablehnung damit, dass es für die Wirksamkeit von Immunglobulinen zur Behandlung der MS bislang keine ausreichenden Hinweise gebe. Die Daten der bislang veröffentlichten Studien wären insgesamt widersprüchlich und ließen eine eindeutige Interpretation in Richtung einer Wirksamkeit zur Behandlung der MS nicht zu (wir haben berichtet). Die Möglichkeit zur Kostenübernahme im Rahmen eines sogenannten Off-Label-Use wäre damit nicht gegeben.

Gericht: MS ist nicht lebensbedrohlich

Das Gericht setzte sich weiter mit der Frage auseinander, ob für den vorliegenden Fall ein Beschluss des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 2005 von Bedeutung ist (AZ: 1 BvR 347/98). Das Bundesverfassungsgericht führte in dem Beschluss sinngemäß aus, dass bei lebensbedrohlichen Erkrankungen, für die keine Behandlungsmöglichkeiten bestehen, auch solche Therapien von der Kasse gezahlt werden müssen, die nur eine vage Aussicht auf Erfolg haben. Das Bundessozialgericht kam zu dem Ergebnis, dass die Multiple Sklerose nicht zu den vom Bundesverfassungsgericht angeführten lebensbedrohlichen Erkrankungen zählt. Eine solche lebensbedrohliche Lage wäre nur dann anzunehmen, wenn eine notstandsähnliche Situation besteht und nach den konkreten Umständen des Falles ein voraussichtlich tödlicher Krankheitsverlauf in einem kürzeren Zeitraum droht. Dies sei bei einer MS-Erkrankung auch bei einer sekundär progredienten Verlaufsform und bei schweren Krankheitsfällen nicht anzunehmen.

Fazit des AMSEL-Fachmannes

Jürgen Heller, Dipl. Sozialarbeiter (FH), der seit über 20 Jahren MS-Betroffene zu sozialen und sozialrechtlichen Fragen berät: "Mit diesem Urteil hat das Bundessozialgericht den Einsatz von Immunglobulinen für Kassenpatienten praktisch versperrt. Insbesondere Mütter, die ihre neugeborenen Kinder stillen möchten, haben nun keine Möglichkeit mehr während dieser Zeit eine schubprophylaktische Behandlung durchzuführen. Dies ist umso bedauerlicher, als, wie bereits oben erwähnt, gerade während der Zeit nach der Geburt die Gefahr eines MS-Schubes besonders hoch ist."

Quelle: Bundessozialgericht (AZ: B 1 KR 15/07 R), Februar 2008

Redaktion: AMSEL e.V., 30.06.2008