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Vidofludimus Calcium senkt Biomarker für MS signifikant

Der Hersteller gibt positive Zwischenergebnisse seiner Phase-2-Studie bekannt. Vor allem Menschen mit progredienter Multipler Sklerose könnten profitieren.

Vidofludimus Calcium ist ein Wirkstoff in der MS-Pipeline (amsel.de hatte im April 2023 über Phase-2-Ergebnisse bei schubförmiger MS berichtet). Der selektive Immunzell-Hemmer befindet sich derzeit in einer Phase-2-Studie gegen progrediente MS (primär und sekundär progrediente MS). Nun hat der Biotech-Entwickler Immunic Zwischenergebnisse aus dieser Studie bekanntgegeben. Sie deuten auf eine neuroprotektive Wirkung von Vidofludimus Calcium hin, zusätzlich zur entzündungshemmenden Wirkung.

Neuro-Filament-Leichtketten als Marker für neuronale Schäden

Demnach senkt der Wirkstoff die Werte von Neurofilament-Light-Chain (NfL) im Serum der Patienten. NfL gilt als Biomarker für neuronale Schäden in Gehirn und Rückenmark, nicht nur bei Multipler Sklerose, sondern auch bei anderen Erkrankungen wie zum Beispiel Alzheimer oder nach Unfällen. Je höher er ist, desto größer ist der neuronale Schaden. Andere Studien konnten zeigen, dass Patienten mit niedrigen NfL-Werten ein niedrigeres Risiko für künftige Behinderungen haben. Bei allen Menschen nimmt der Level im Lauf des Lebens zu, bei Erkrankungen wie MS jedoch schneller.

Ein einzelner individueller NfL-Wert allein betrachtet hat wenig Aussagekraft, da der Wert unterschiedlich hoch sein kann, je nach Alter, Geschlecht, Individuum… Im zeitlichen Verlauf mehrfach bei einer Person gemessen oder als Vergleichswert in größeren Kohorten gilt er bereits seit einige Zeit als wichtiger Messwert. Bisher wird die NfL-Messung nur experimentell oder innerhalb von Studien wie der vorliegenden angewandt.

Vidofludimus Calcium bei progredienter MS

Die meisten der eingeschlossenen Patientinnen und Patienten der Studie CALIPPER leiden unter nicht-aktiver progredienter MS, sowohl primär als auch sekundär progredient, sind also schubfrei. Dass Vidofludimus Calcium die NfL-Werte gegenüber Placebo und über alle Subgruppen hinweg senken konnte, wertet der Hersteller als positives Signal.

Allerdings müssen nicht nur das Ende der Phase-2-Studie, sondern auch das Ende einer sich anschließenden Phase-3-Studie abgewartet werden, um sicher sagen zu können, ob Vidofludimus-Calcium MS-Patienten tatsächlich hilft. Wenn das so wäre, hätten vermutlich vor allen Dingen Patienten mit progredienten Verläufen, allen voran Patienten mit sekundär-progredienten Verläufen ohne Schübe große Vorteile: Endlich gäbe es einen Wirkstoff für diesen Verlauf.

Eingeschlossen sind in die CALLIPER-Studie 476 Patienten, wovon nur circa die Hälfte in die aktuelle Zwischenanalyse einging. Getestet wurden 45 mg des Wirkstoffes (einmal täglich als Tablette, ähnlich wie Teriflunomid, auch vom Wirkprinzip her) gegen Placebo. Die Zwischenergebnisse stammen aus Woche 24. Finale Daten zum Hirnvolumen sollen im April 2025 vorliegen.

Sogar im Vergleich mit NfL-Werten aus einer Ocrelizumab-Studie seien die NfL-Werte bei CALIPPER deutlich mehr gesunken, bemerkte das Unternehmen im Rahmen einer Web-Konferenz. Allerdings seien hier unterschiedliche Kohorten untersucht worden und damit ein Vergleich schwierig, räumte ein Sprecher ein.

Wirkung auf Multiple Sklerose: noch offen

Auf die Frage, ob man denn von den positiven NfL-Werten auch auf spätere gute klinische Daten bei den Patienten schließen lasse, zeigte sich das Unternehmen hoffnungsvoll. Ob die Hoffnung in Erfüllung gehen wird, müssen weitere klinische Studiendaten allerdings erst beweisen.

Vor allen Dingen sind weitere Endpunkte wichtig, um den Nutzen für MS-Patienten zu beurteilen: Das ist neben der jährlichen Schubrate und der Läsionslast im Verlauf der Studie auch der Zuwachs an Behinderungen. Schließlich gilt es nicht, einen Biomarker wie NfL zu behandeln, sondern die Multiple Sklerose selbst. Erst wenn Daten zum konkreten Vorteil für die Patienten vorliegen und die Nebenwirkungen akzeptabel sind, wird man sagen können, ob Patienten mit progredienter Multiple Sklerose davon profitieren.

Parallel zur CALLIPER-Studie mit hauptsächlich schubfreien Patientinnen und Patienten läuft derzeit ENSURE für den schubförmigen Verlauf (bereits in Phase 3).

Quellen: Pressemitteilung von Immunic, 09.10.2023; Clinical.trials.gov, abgerufen am 11.10.2023.

Redaktion: AMSEL e.V., 11.10.2023