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Stammzellen-Transplantation bei schubförmiger MS

05.03.09 (aktualisiert) - So ermutigend die experimentellen Studienergebnisse mit nur 21 Patienten in der Frühphase der Multiplen Sklerose auch sein mögen: Es bleibt ein Sterblichkeitsrisiko von 3,3 Prozent bei bisherigen Verfahren. Die Tumorgefahr könnte zudem wachsen, wie weitere Forschungsergebnisse zeigen.

Eine aktuell in The Lancet Neurology veröffentlichte amerikanische Studie mit Stammzellen bei Multiple Sklerose ergab: Nach drei Jahren hatte sich der Zustand bei 81 Prozent der Patienten nicht nur stabilisiert, sondern sogar verbessert: "Zwar bedarf es einer prospektiven randomisierten Studie, um die positiven Ergebnisse bei einer größeren Patientenzahl zu verifizieren und mögliche kurz- und langfristige Nebenwirkungen dieser Therapie zu erfassen", kommentiert der Düsseldorfer Neurologe Prof. Dr. Hans-Peter Hartung, MS-Experte von der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, die Studie, "doch die Ergebnisse sind durchaus ermutigend".

Die autologe hämatopoetische Stammzellentransplantation

Dieses Verfahren wurde in der Vergangenheit bei einer Reihe von Autoimmunerkrankungen eingesetzt, um eine sehr starke Unterdrückung des Immunsystems bzw. die Eliminierung schädlicher zellulärer Bestandteile mit nachfolgendem Ersatz durch patienteneigene Knochenmarks-Immunstammzellen zu erreichen. Hierbei werden durch Zytostatika und Immunsuppressiva ("Konditionierung") sog. Blut-Vorläuferzellen aus dem Knochenmark der Patienten freigesetzt, eingefroren und später dem Patienten zurück infundiert. Man unterscheidet hierbei Verfahren, die je nach Wahl der Zytostatika und Immunsuppressiva zu einer kompletten Eliminierung des Knochenmarks führen ("myeloablativ") von solchen, die "milder" sind und das Knochenmark nicht zerstören ("nicht-myeloablativ").

Bisherige nicht-kontrollierte Studien bei Patienten vornehmlich mit fortgeschrittener sekundär progredienter MS haben keine eindeutig überzeugenden therapeutischen Wirkungen gezeigt. Dies mag daran liegen, dass eine solche Behandlung im Stadium der sekundären Progression zu spät kommt, da der Krankheitsprozess dann nicht mehr wesentlich von immungetriggerten Entzündungsreaktionen vorangetrieben wird.

In jedem Fall ist der mögliche Nutzen einer solchen invasiven Therapie gegen potenzielle Risiken abzuwägen. Am schwerwiegendsten ist die mit diesem Verfahren verbundene Sterblichkeit, die etwa bei 3,3 Prozent liegt. In der im März-Heft der internationalen Fachzeitschrift The Lancet Neurology publizierten Phase-Ib/IIa-Studie erhielten Patienten ein milderes Konditionierungsverfahren mit Cyclophophamid und Alemtuzumab bzw. Antithymozytenglobulin. Eingeschlossen wurden 21 Patienten (mittleres Alter 33 Jahre, mittlere Krankheitsdauer 5 Jahre) mit schubförmiger Multipler Sklerose.

Weitere Schübe bei 23 Prozent

Nach drei Jahren hatten sich 81 % aller Patienten um einen Punkt auf der Behinderungsskala EDSS verbessert. Auch kognitive Funktionen und Lebensqualität waren deutlich gebessert. 62 % der Patienten hatten weder klinisch noch in der Kernspintomografie Krankheitsaktivität. Es gab keine Todesfälle und keine sehr gravierenden Nebenwirkungen. 23 % der Patienten erlitten allerdings sechs bis 16 Monate nach der Behandlung einen neuerlichen Schub.

Es handelt sich um die erste prospektive monozentrische Studie, die in Chicago durchgeführt wurde und die ein solches nicht myeloablatives ("mildes") Regime der autologen Immunstammzelltransplantation bei jüngeren MS Patienten mit relativ kurzer Krankheitsdauer und im Stadium der Schubaktivität untersuchte – und die Resultate sind ermutigend. Allerdings bedarf es einer prospektiven randomisierten Studie, um die positiven Ergebnisse bei einer größeren Patientenzahl zu verifizieren und mögliche kurz- und langfristige Nebenwirkungen dieser Therapie zu erfassen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist also diese Behandlung noch experimentell und keinesfalls ein Routineverfahren.

Tumoren nach Stammzellbehandlung

Dass viel Vorsicht und noch viel Forschung notwendig sind, zeigt eine weitere Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, die nur wenige Tage danach erschien. Hier gelang Forschern der Nachweis von Tumorwachstum als direkte Folge einer Stammzell-Therapie: In PLoS Medicine (6(2):e1000029) berichtet eine israelische Forschergruppe erstmals über die Entwicklung von Hirntumoren aus transplantierten neuralen Stammzellen. Im Fall des 9-jährigen Jungen war allerdings Ataxia telangiectasia, eine autosomal-rezessiv vererbte Erkrankung, der Grund für mehrere Stammzelltransplantationen.

 

 
 
Stammzellen bei multipler sklerose
 
  

Quelle: Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, 19.02.09; The Lancet Neurology 2009; Weitere Pressemitteilung der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, 25.02.09; PLoS Med 6(2):e1000029

Redaktion: AMSEL e.V., 06.03.2009