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Mehr als eine Hülle: unser Schädelknochen

Deutsches Team entdeckt einzigartige Immunzellen im Knochen um unser Gehirn. Und zeigt, dass diese Zellen ins Gehirn wandern können.

Der Schädelknochen schützt lediglich das innenliegende Gehirn und Immunzellen können nicht von außen ins Gehirn wandern – so lautete bisher die einhellige Meinung der Forschung. Immer bessere Verfahren, Knochen, Membranen, kleinste Gefäße und das Gehirn zu untersuchen, zeigen, dass das nicht stimmt: Unser Schädelknochen hat mehr als die rein physische Aufgabe, das lebenswichtige Organ Gehirn, Steuerungszentrale sämtlicher Körperfunktionen, zu schützen.

Bereits 2015 zeigte ein amerikanisches Forschungsteam, dass das Gehirn mit dem Lymphsystem verbunden ist (amsel.de hatte berichtet). Bereits eine revolutionäre Entdeckung. Nun haben deutsche Forscherinnen und Forscher eine weitere wichtige Entdeckung gemacht: Das Knochenmark des Schädels enthält spezielle Immunzellen. Und diese können sehr wohl ins Gehirn wandern. Es gibt direkte, wenn auch sehr kleine, Verbindungen, teils sogar durch die Dura. Obendrein unterscheidet sich das Profil dieser Immunzellen je nach vorliegender Krankheit, also etwa Alzheimer oder Multiple Sklerose. – Alles miteinander könnte Diagnose, Verlaufskontrolle und Behandlung der MS wie auch weiterer neurologischer Erkrankungen künftig verbessern.

Einzigartig: neutrophile Immunzellen im Schädelknochen

Um die Immunzellen und die Verbindungen zu finden, untersuchte das Team um Prof. Ali Ertürk und Ilgin Kolabas vom Helmholtz Zentrum München zunächst Mäuse- danach Menschenschädelknochen.

Dazu analysierten sie mittels Tissue Clearing und Mikroskop die Schädelknochen. Beim Tissue Clearing wird das Gewebe durchsichtig gemacht und kann somit beleuchtet und unter dem Mikroskop betrachtet werden. Auf diese Art entdeckte das Team kleine Kanäle bis hin zur Dura (einer Hirnhaut).

Außerdem analysierten sie Zellen und Moleküle und verglichen sie mit denen in den Knochen andere Körperteile. Auch hierbei stießen sie auf Unterschiede: im Schädelknochen einzigartige neutrophile Immunzellen. Diese gehören zu den weißen Blutzellen und spielen eine wichtige Rolle in der Immunabwehr.

Diagnose per Schädelscan?

Zuletzt interessierte die Forscher, inwiefern sich diese neutrophilen Immunzellen zwischen Kranken und Gesunden und innerhalb verschiedener Krankheiten unterscheiden. Mit der Positronen-Emissions-Tomografie: Die Signale des Schädelknochens glichen denen des darunterliegenden Gehirns und Veränderungen der Signale entsprachen dem Fortschreiten bei Krankheitsbildern wie Alzheimer und Schlaganfall.

Zumindest für künftige Diagnosen könnte dieser Scan hilfreich sein. Ebenso für die Verlaufs Kontrolle verschiedener neurodegenerative Erkrankungen. Nicht auszuschließen, dass die Erkenntnisse auch zu neuen Ansätzen in der Behandlung von Multiple Sklerose und Co. führen.

Quelle: Helmholtz Zentrum München, 09.08.2023.

Redaktion: AMSEL e.V., 18.08.2023