Kaum eine Erkrankung zeigt sich auf so unterschiedliche, so individuelle Art wie die Multiple Sklerose. Das fängt schon bei den Verläufen an: primär progredient, schubförmig oder sekundär progredient. Das geht bei der Schwere der Behinderungen weiter – hier gibt es alle denkbaren Facetten von "eigentlich kaum zu spüren" bis hin zum Pflegefall (die meisten finden sich "irgendwo dazwischen"). Auch der Fortschritt der möglichen Behinderungen geht von Patient zu Patient unterschiedlich schnell. Und dabei haben wir die Symptome noch gar nicht erwähnt. Die reichen von
- Ataxie über
- Aufmerksamkeitsstörungen
- Blasensstörungen
- Darmprobleme
- Doppelbilder
- Fatigue
- Gedächtnisstörungen
- Hautkribbeln
- Missempfindungen
- Mobilitätseinschränkungen
- Paresen
- Potenzstörungen
- Schmerzen
- Trigeminusneuralgie
- Verschwommensehen bis hin zu
- Zittern
Um also bei der Multiplen Sklerose statistische Ergebnisse zu erzielen, sind sehr viele Daten von sehr vielen Patienten notwendig. Man spricht heute auch gerne von Big Data.
Gesundheitsdaten sind heikle Daten
Die Datenerhebung ist nicht erst seit der neuen Datenschutzverordnung auch in Verruf geraten. Schon immer sind persönliche Daten eben persönliche Daten. Erst recht gilt das beim heiklen Thema Gesundheit.
Forscher der Technischen Universität München, allen voran Professor Dr. med. Bernhard Hemmer, der erst kürzlich bei einer von der AMSEL organisierten Veranstaltung über seine Forschungsergebnisse referierte (siehe Text zur Sobek-Preisverleihung) nutzen genau solche Daten, ohne hierbei den Datenschutz zu missachten.
Oft gehen Datenerhebungen aus verschiedenen Kliniken, Praxen und Krankenkassen so vonstatten, dass alle Daten zentral gesammelt und dann ausgewertet werden. Das bedeutet aber auch, dass diese Daten nicht nur auf die Reise gehen müssen, mit all den Gefahren, „unterwegs“ abhanden zu kommen. Die Daten müssen auch noch an einem weiteren Ort gespeichert werden. Das erhöht natürlich die Gefahrenquellen.
Mehr Menschen mit Multipler Sklerose
Ein so einfacher wie genialer Trick schafft hier Abhilfe: das verteilte Rechnen. Bei diesem Verfahren werden die Daten vor Ort ausgewertet und es gelangen nur noch die anonymen und zusammengefassten Ergebnisse nach außen.
Bayernweit, das ein Nebenergebnis der statistischen Erhebung in Zusammenarbeit mit Krankenkassen, ist die Multiple Sklerose im Jahr 2015 60 % häufiger aufgetreten als neun Jahre zuvor, im Jahr 2006. Dabei hat die Zahl der jährlich neu Erkrankten gar nicht zugenommen. Menschen mit Multipler Sklerose leben aber länger.
„Große medizinische Datensätze sind für uns in der Klinik unglaublich wertvoll. Sie verraten uns, ob es Parallelen beim Krankheitsverlauf gibt, ob es einheitliche Vorerkrankungen oder klinische Anzeichen gibt. Nur mit diesem großen Datenpool können wir statistisch verlässliche Aussagen treffen, die wir aus einzelnen Patientenakten unmöglich herauslesen könnten“, erklärt Bernhard Hemmer. So kommt es im Vorfeld einer MS etwa häufiger zu Bandscheibenfällen und Depressionen, weniger oft zu Impfungen (mehr zu möglichen Ereignissen im Vorfeld einer Diagnose im AMSEL-Bericht zur Sobek-Preisverleihung 2018).
Hemmer und sein Team sind Teil des Forschungskonsortiums DIFUTURE. DIFUTURE ist eines von bundesweit vier Konsortien der Medizininformatikinitiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. Hierbei soll die digitale Welt helfen, Krankheiten besser einzuschätzen und besser behandeln zu können.
Quelle: Frontiers in Neurology, A Systematic Assessment of Prevalence, Incidence and Regional Distribution of Multiple Sclerosis in Bavaria From 2006 to 2015. Daltrozzo T, Hapfelmeier A, Donnachie E, Schneider A, Hemmer B., 30.10.2018.
Redaktion: AMSEL e.V., 29.11.2018