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Alles eine Frage der Blut-Hirn-Schranke ?

Schon ein Tropfen Blut im Innern des Gehirns genügt, um im Tiermodell eine autoimmune Reaktion ähnlich der Multiplen Sklerose auszulösen. Schuld ist das Blutgerinnungsprotein Fibrinogen.

Das menschliche Gehirn ist normalerweise ein fast hermetisch vom übrigen Körper abgeriegelter Bereich. Die Blut-Hirn-Schranke, das sind besondere Zellen auf den Gefäßen, die in Richtung Gehirn führen, sorgt dafür, dass Keime aber auch Antikörper nicht ins Gehirn dringen können. Siehe auch die Blut-Hirn-Schranke im Video unter Multiple Sklerose verstehen, etwa ab Minute 2:00.

Bei MS-Erkrankten erfüllt diese Schranke ihre Funktion nicht korrekt. Sie lässt bestimmte Abwehrkörper des Immunsystems ins Innere des Gehirns anstatt sie abzublocken. Das führt zu Entzündungen, teilweiser Regeneration, schließlich Vernarbungen von Nervengewebe ("Sklerosen", also Verhärtungen) und manchmal auch zu den sog. "Black Holes": nervenwassergefüllten und auf dem Kernspin daher schwarz dargestellten Löchern. Das passiert bei besonders großen Läsionen, wenn das kaputte Gewebe abtransportiert wird anstatt zu vernarben.

Ungefiltertes Blut im Gehirn führt zu Multipler Sklerose

Ist die Fehlfunktion der Blut-Hirn-Schranke (auch kurz: BHS) nun Ursache oder Folge einer Multiplen Sklerose ? Diese Frage konnte die Forschung bislang nicht eindeutig klären. Der jüngste Fund internationaler Forscher rückt die BHS aber wieder mehr in den Fokus des Ursachengeschehens rund um die Multiple Sklerose.

In einer aktuellen Studie zeigten die Forscher aus den USA und Österreich nämlich, dass das ungefilterte Eintreten von Blut ins Gehirn ähnliche Auswirkungen hat wie Multiple Sklerose.

Indem sie Blut ins Gehirn von Mäusen injizierten, lösten sie bei den Tieren eine MS-ähnliche Autoimmun-Erkrankung aus inklusive Entzündung und Demyelinisierung. Mehr noch fanden die Forscher auch heraus, welcher Stoff im Blut für diese Kaskade an Reaktionen verantwortlich ist: Es handelt sich um Fibrinogen, ein wichtiges Protein der Blutgerinnung.

Fibrinogen als Auslöser

Auf das Fibrinogen als Auslöser kamen die Forscher, in dem sie den Test wiederholten, jedoch mit Mikroglia ohne Fibrinogenrezeptor. Die Folge: keine Autoimmunantwort, keine Demyelinisierung, keine Entzündung. Kann Fibrinogen hingegen anbinden, dann aktiviert es die Mikroglia, also die Hirnimmunzellen, die wiederum periphere Makrophagen und T-Zellen rekrutieren, die dann für den Myelinschaden verantwortlich sind.

Künftige Forschungen sollten sich den Studienautoren zufolge also der Suche neuer Moleküle widmen, um die Fibrinogenaktivität zu blockieren und Autoimmunität im Gehirn zu unterdrücken. Die Studie zeigt damit nicht nur neue Wege für künftige Therapien auf, sondern sie hinterfragt auch eine langjährige Annahme, die besagt, dass myelinspezialisierte T-Zellen die Entzündung im Gehirn auslösen, indem sie Mikroglia und Makrophagen aktivieren. Diese Studie zeigt hingegen, dass es genausogut umgekehrt ablaufen kann und es die aktivierte Mikroglia und Makrophagen sind, welche dann die T-Zellen alarmieren.

Interessant in diesem Zusammenhang mag auch ein erstaunlicher Fund über die Lymphbahnen des Gehirns sein, sehr versteckte Wege, die erst im vergangenen Jahr entdeckt wurden und das Gehirn als nicht so abgeschirmt erscheinen lassen, wie man bisher annahm. Über diese Lymphbahnen könnten ebenso (kleine Mengen an) Antikörpern ins Gehirn wandern.

Quelle: Nature, 10.09.2015; Gladstone Institutes, Pressemitteilung, 09.10.2015

Redaktion: AMSEL e.V., 18.11.2015