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Stark leben! – Rehabilitation lohnt sich

... so der aussagestarke Titel des gleichnamigen AMSEL-Symposiums am 12. Juli 2014 in der Filderhalle in Leinfelden. Mit rund 300 Teilnehmern war es ausgebucht, wie auch die Bildergalerie zeigt.

Die Teilnehmerzahl zeigte deutlich das Interesse der MS-Erkrankten am Thema und unterstrich die Bedeutung der Rehabilitation als therapeutische Maßnahme in der MS-Behandlung.

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Rehabilitation lohnt sich“ zeigten vier Vorträge auf dem Symposium am 12. Juli 2014 in der Filderhalle in Leinfelden.

"Lange Jahre hat man mit Rehabilitation allein die Wiederherstellung fehlender Funktionen nach akuter Erkrankung verbunden. Das hat sich geändert. Rehabilitation beinhaltet heute – insbesondere auch bei chronischen Erkrankungen – die Verbesserung eingeschränkter oder verlorengegangener Fähigkeiten. Sie beinhaltet darüber hinaus das Ziel, Pflegebedürftigkeit zu verringern sowie – ganz besonders wichtig – drohende Komplikationen zu vermeiden oder zumindest zu reduzieren."

Diese Einordnung durch Prof. Dr.med. Horst Wiethölter, AMSEL-Vorsitzender, ergänzte der Vertreter der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Baden-Württemberg, Juan-Victor Coseriu-Pisani: "Die DRV möchte der Rehabilitation den Stellenwert geben, den sie hat, aber nicht bekommt." Denn "Rehabilitation lohnt sich.", so der Leiter des Sozialmedizinischen Dienstes / Rehamanagement der DRV Baden-Württemberg.

Rehabilitation ist harte Arbeit

Die Rehabilitation beinhaltet viele Therapiebereiche, die eng aufeinander abgestimmt werden und sich um den Erkrankten konzentrieren. "Und im Gegensatz zu einer Kur ist Rehabilitation harte Arbeit," so Prof. Dr. Peter Flachenecker. "Bei der Rehabilitation geht es nicht allein um Verbesserung, sondern auch um Erhalt eines Funktionszustandes." Dies ist leider noch nicht überall angekommen. Auch wenn der Effekt der Rehabilitation nur schwer durch doppelblinde Studien nachzuweisen ist "Der Patient weiß bei der Hippotherapie einfach, ob er auf einem Pferd sitzt oder nicht", gibt es vermehrt wissenschaftliche Evidenz für den der Nutzen der Rehabilitation, vor allem der stationären Reha.

Den Körper nicht allein betrachten

Prof. Dr.med. Roger Schmidt sprach über "Psychosomatik und Krankheitsbewältigung". Laut dem Ärztlichen Leiter der Abteilung Psychotherapeutische Neurologie an den Kliniken Schmieder in Konstanz und Gailingen kann ein Krankheitssymptom nicht allein betrachtet und therapiert werden. Psychische Fähigkeiten und Reaktionsweisen, körperliche Vorgänge und soziale Lebensbedingungen müssten mit in die Betrachtung einfließen. Denn ein Symptom wie Schmerz zum Beispiel braucht den Menschen, der diesen Schmerz interpretiert. Und das ist keineswegs bei allen gleich.

Psychosomatik habe die Aufgabe, zu schauen, auf welcher Ebene, körperlich oder seelisch, es Handlungsbedarf gebe, und wie man - auch über die Psyche - körperliche Symptome lindern kann. "Bei MS gibt es oft doppelten oder sogar mehrfachen (Be-)Handlungsbedarf."

Ein wichtiger Teil der Krankheitsbewältigung bestehe darin, Änderungen im Leben zuzulassen, zu lernen mit Leiden zurechtzukommen. "Denn es ist keine Kunst, im Leben zurechtzukommen, wenn es uns gut geht. Die Kunst ist es, zu lernen, zurechtzukommen, wenn es uns nicht gut geht", fasst Prof. Schmidt zusammen. Rehabilitation wolle neben der Behandlung von Symptomen den Patienten befähigen, langfristig besser mit seinen Symptomen zurechtzukommen.

"Aktivität als Schlüssel zum motorischen Lernen"

Physiotherapie kann in zwei Richtungen wirken: Zur Wiedererlangung (Restitution) verloren gegangener Funktionen und Alltagsfähigkeiten und zur Leistungssteigerung vorhandener Fähigkeiten. Wichtig für die Therapiewahl, sie muss leitlinienorientiert, evidenzbasiert und nachgewiesenermaßen erfolgreich (best practice) sein. Die Auswahl ist groß und sie bietet für jedes Stadium der Erkrankung Möglichkeiten. Klaus Gusowski stellte die Besonderheiten traditioneller Therapiekonzepte und neuer Behandlungsansätze vor. Die Auswahl, so der Leitende Physiotherapeut am Neurologischen Rehabilitationszentrum Quellenhof (NRZ) richtet sich nach der Symptomatik und dem Leistungsstand.

Die Ziele einer Rehabilitation sind Funktionsverbesserung, größtmögliche Eigenaktivität, weitestgehende Teilhabe und die Möglichkeit, das Leben so frei wie möglich selber zu gestalten. "Aktivität ist der Schlüssel zum motorischen Lernen und zur Reorganisation nach Schäden im ZNS." schloss der erfahrene Physiotherapeut und unterstrich: "Effekte der multidisziplinären Therapie sind im spezialisierten Rehabilitationszentrum messbar."

Den "Flow" provozieren - leichter arbeiten

Bei der Kunsttherapie stehen drei Fragen im Mittelpunkt: Was und wie macht ein Patient etwas? Was erlebt er dabei? Was lernt er daraus? "Es geht nicht darum, Bilder zu analysieren, sondern Verhalten anhand kreativer Tätigkeiten zu beobachten, die Beobachtungen an den Patienten zurückmelden und ihm dazu zu verhelfen, neue und wichtige Lernerfahrungen zu machen." gab Thomas Blessing eine Einordnung. Im Zustand tiefer Entspannung und hoher Konzentration, der beispielsweise durch kreative Tätigkeit erreicht wird, ist der Mensch extrem leistungsfähig und außerordentlich aktiv.

"Im Provozieren eines solchen, in der Psychologie ‚flow‘ genannten Zustandes sehe ich einen der wesentlichsten Beiträge der Kunsttherapie in der Rehabilitation", sagte der Kunsttherapeut am NRZ. Im Flow passieren im Gehirn sehr bedeutsame Vorgänge, alle Hirnregionen kommunizieren und kooperieren miteinander. Mit der Schaffung regelmäßiger Flow-Zustände während der Kunsttherapie soll die Bereitschaft des Gehirns zum Lernen geweckt werden. Kunsttherapie will für vorhandene Symptome und Probleme eigenständig Lösungen entwickeln und damit das Vertrauen in die eigenen gesunden Anteile stärken.

Über die 40. Mitgliederversammlung der AMSEL am Nachmittag des Symposiums berichtet AMSEL.DE in den kommenden Tagen.

Redaktion: AMSEL e.V., 15.07.2014