Multiple Sklerose beeinflusst unser Leben wie das unserer Angehörigen. Hier ein Umzug ins Erdgeschoss, dort ein behindertenfreundliches Auto, da eine Lesehilfe, dort verbreiterte Türrahmen und Rampen, eine Liege im Büro, mehr Medikamente im Schrank. – Es gibt eine Vielzahl an Veränderungen in unserem Leben, die man schnell mit der MS in Bezug bringt.
Und dann gibt es auch Dinge, an die man nicht zuerst denkt bei Multipler Sklerose, die eher ungewöhnlichen Maßnahmen, die auf den ersten Blick rein gar nichts mit einer chronischen Erkrankung zu tun zu haben scheinen – und doch genau darin ihren Auslöser finden: auswandern zum Beispiel, eine lange Reise planen anstatt gleich Karriere zu machen, einen Film drehen, von der Couchpotatoe zum Fitnessfreak mutieren...
Selma lässt die Öffentlichkeit teilhaben
Oder eben sich eine Kurzhaarfrisur zulegen, wie jüngst Selma Blair. Sie steht in der Öffentlichkeit und ist als Schauspilerin von Haus aus medienaffin. Dass ihr neuer Haarschnitt nicht der Mode geschuldet ist, sondern mit ihrer MS zusammenhängt, das postet sie ganz offen. Überhaupt machte sie von Anfang an keinen Hehl aus ihren Symptomen, sondern lässt die Öffentlichkeit immer wieder teilhaben an ihrem offensichtlich rasch voranschreitenden MS-Verlauf. Als hätte sie sich das AMSEL-Motto #sichtbarbleiben auf die Fahnen geschrieben, gerade auch in Bezug auf ihre MS. Gab sogar, trotz eines Schubes, der ihr Sprachbild stark beeinflusste, ein Interview (wir haben auf www.amsel.de/facebook berichtet).
Und schaffte damit, was bisher kaum einem anderen "Promi" mit MS gelang: Die MS ins Gespräch zu bringen, Symptome aus ihrer Tabuzone zu holen, sie "salonfähig" zu machen und zu dem, was sie doch eigentlich schon immer sind: ein Teil der Normalität für viele Menschen mit Behinderungen.
Selma ist zwar ein Star, aber ihre MS steht in der Öffentlichkeit für die MS so vieler anderer Betroffener, ob sie nun auch Filmstar sind oder - wie in den meisten Fälllen - eher nicht. Ob sie nun Selma heißen oder Susanne oder Marion oder Matthias oder Jan.
Kraft sparen - mit ungewöhnlichen Maßnahmen
Nun sind sie also ab, die schönen Haare von Selma Blair; ihr Sohn Arthur durfte mitmachen beim Rasieren. Und Selma Blair hat eine Sorge weniger: Sie braucht nicht lange die Arme über Kopf zu heben, um sich zu frisieren. Das ist nämlich sehr anstrengend, wenn einem die Kraft in den Armen fehlt, wenn Fatigue die Energiereserven auffrisst. Die meisten Kurzhaarfrisuren sind weniger zeitaufwendig in ihrer Pflege als längere Haare. Und schon wieder ist laut "Löffel-Theorie" ein einer von zwölf Löffeln gespart, die man als MS-Betroffener mit Fatigue täglich an Energie zur Verfügung hat.
Was jetzt im Umkehrschluss nicht bedeutet, dass alle Menschen mit MS kurze Haare tragen. Genauso wenig wie alle eine Weltreise planen oder einen Film drehen. Das bleibt weiter eine individuelle Frage, die jeder ganz für sich entscheidet. Das Beispiel von Selmas Kurzhaarfrisur zeigt jedoch einmal mehr, dass Multiple Sklerose die Menschen zum Umdenken bringt, und dass sich manchmal ganz unorthodoxe Wege auftun, den Auswirkungen der Erkrankung zu begegnen. Und so bringt die MS oft auch "einschneidende" Verändeurngen mit sich.
Quelle: Brigitte, 17.06.2019.
Redaktion: AMSEL e.V., 17.12.2019