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Multiple-Sklerose-Symptome erkennen und behandeln

Spastik, Kribbeln, Uhthoff - die Liste der angesprochenen Symptome im Chat mit Dr. Martin Rösener ist lang. Manche haben aber auch nichts mit der MS zu tun.

Moderator Patricia Fleischmann: Guten Abend, liebe AMSEL-Chatter, ich hoffe, Sie haben diesen heißen Sommer gut überstanden. Die Symptome der MS sind zahlreich, darum heute wieder einmal dieses Thema. Bevor man Symptome behandeln oder ihnen begegnen kann, muss man sie erst einmal als MS-Symptome wahrnehmen - wir freuen uns auf Ihre Fragen dazu. Dr. med. Martin Rösener antwortet heute!

Julian: Hallo Dr. Rösener, können fliegende, schwarze Punkte im Sichtfeld auch in Zusammenhang mit meiner MS stehen? Im Internet lese ich, dass es meist harmlos sei (Mouches volantes). Schmerzen habe ich keine.

Dr. Martin Rösener: Guten Abend, liebe Chatgemeinde! Sich im Gesichtsfeld bewegende, schwarze oder durchsichtige Objekte sind Folgen von kleinen Einschlüssen im Glaskörper des Auges. Sie gelten als harmlos und haben tatsächlich nichts mit der Multiplen Sklerose zu tun.

Dr. med. Martin Rösener

  • Studium der Medizin in Würzburg und London.
  • Neurologische Ausbildung an den Neurologischen Universitätskliniken Würzburg und Tübingen.
  • Langjährige wissenschaftliche Arbeit auf dem Gebiet der Multiplen Sklerose.
  • Aufbau und Führung einer Ambulanz für Patienten mit Multipler Sklerose an der Universität Tübingen.
  • Seit 2000 niedergelassener Neurologe in Stuttgart mit Schwerpunkt Multiple Sklerose. Häufig als Referent und Chatexperte für die AMSEL aktiv. Seit 2006 Mitglied des Ärztlichen Beirates der AMSEL.

emma: Guten Abend Dr. Rösener! Warum ist es so schwierig Modafinil gegen Fatigue zu erhalten? 2 Jahre hat es mir sehr geholfen.

Dr. Martin Rösener: Modafinil ist nur zur Behandlung der Narkolepsie und nicht zur Behandlung der Fatigue bei Multipler Sklerose zugelassen. Deshalb übernehmen die Krankenkassen die Kosten für dieses Medikament bei Patienten mit Multipler Sklerose nicht.

emma: Ich habe seit Jahren extrem starke Zuckungen in meinem linken Bein. Auslöser sind bestimmte Medikamente, Wärme von aussen oder Fieber, was kann ich hiergegen tun?

Dr. Martin Rösener: Zuckungen in den Beinen bei Multipler Sklerose können Folge einer Spastik sein. Man könnte dann versuchen, mit Antispastika die Beschwerden zu lindern.

Christian: Sehr geehrter Dr. Rösener, bin Anfang 30. Diagnose RRMS in 2012. ½ Jahr Copaxone, seit 2013 Tysabri. Gehstrecke im letzten ½ Jahr deutlich zurückgegangen (von 1km auf ca. 500m). Zeitgleich Probleme mit der Luft (kurzatmig sowohl in Ruhe, als auch beim normalen Gehen). Abklärung durch Lungenarzt ergab Dyspnoe (Schwäche der Atemmuskulatur, verminderte Inspiration). Er geht stark davon aus, dass die MS Auslöser ist. Asthma und Co. konnten ausgeschlossen werden. Der behandelnde Neurologe meint, dass er nicht viel machen kann. Es sei halt die MS. Fampyra vertrage ich nicht. MRT unverändert (deshalb kein Kortison laut Arzt), JCV negativ. Aus der Ferne...was denken Sie bzw. würden Sie raten? Vielen Dank!

Dr. Martin Rösener: Möglicherweise erleben Sie gerade den Übergang Ihrer Erkrankung in den sekundär-progredienten Krankheitsverlauf. Dabei kann es dann zu Verschlechterungen der neurologischen Funktionen ohne Schubereignisse kommen. Eine spezifische Behandlung gibt es dann nicht. Da hat Ihr Neurologe Recht.

Olli: Hallo Dr. Rösener, kann sich die MS auf den Schlaf auswirken? Ich habe keinen nächtlichen Harndrang, keine spürbare Spastik nachts, keine Depression. Trotzdem bin ich nachts nach 4-5 Stunden hellwach und kann nicht mehr schlafen.

Dr. Martin Rösener: Schlafstörungen können sehr viele Ursachen haben. Direkt hat die Multiple Sklerose keine Auswirkungen auf den Nachtschlaf. Nur indirekt kann sie, wie sie bereits andeuten, durch Blasenstörung, Spastik, oder Stimmungsstörung den Schlaf stören. Sicher wird man gelegentlich auf mal gar keine Ursache finden. Wenn die Störung Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit am Tag hat, kann eine schlafanstoßende Medikation unabhängig von der Ursache erwogen werden. 

emma: Unter Ocrevus haben sich meine Symptome verschlechtert. Gehstrecke von 1km auf 50 m, Schwindel mit Fallneigung, Konzentration, gesamte linke Seite ist noch schwächer, Fußheberschwäche li., bei psychischer Belastung auch Sprachstörungen. Gibt es eine Chance auf spätere Besserung?

Dr. Martin Rösener: Eigentlich sollte eine immunmodulatorische Behandlung zur Stabilisierung des Krankheitsverlaufes beitragen. Wenn sich bei Ihnen die neurologischen Funktionen unter der Behandlung mit Ocrevus verschlechtern, sollten Sie dies unbedingt mit  dem behandelnden Neurologen besprechen und die Indikation für die Behandlung überprüfen lassen.

Winnie: Hallo Meine Frage ist, gibt es diese Form von Blasenprobleme. Am Tag muß ich oft und muss mich auch beeilen um aufs Klo zu kommen und es läuft ohne Probleme und in der Nacht wache ich auf, weil ich aufs Klo muss, kann aber nicht.

Dr. Martin Rösener: Ja, es gibt diese Form von Blasenproblemen, dann Sie haben sie ja. Da kommt es mal zu dem Problem das Wasser zu halten und mal zu dem Problem das Wasser zu lassen. Der Wechsel der Symptome macht die Behandlung naturgemäß schwierig. Sie sollten urologisch untersucht und behandelt werden.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, ein klein wenig Geduld, bitte. Dr. Rösener ist schon am Antworten. Gern dürfen Sie sich auch über das untere Schreibfeld, unsere "Plauderecke" untereinander austauschen und zum Beispiel nach Tipps fragen zu MS-Symptomen.

emma: Wie kann es sein, dass bei einer hochaktiven MS der Liquor ohne Befund ist und ohne OLB?

Dr. Martin Rösener: Etwa 95 % aller Patienten mit Multipler Sklerose haben eine Auffälligkeit im Liquor mit lokaler Immunglobulinproduktion und oligoklonalen Banden. Es bleiben dann 5 % Patienten übrig, die haben zwar eine Multiple Sklerose, der Liquor ist aber unauffällig. Das ist nicht so häufig, es gibt es aber.

Katja: Hallo Dr. Rösener. Ich habe seit meinem ersten Schub vor 10 Jahren immer wieder Kribbelgefühle an verschiedenen Stellen im Körper. Mal andauern, mal nur kurzzeitig. Flackert oft bei Stress oder Infekten auf. Folgende Frage: Immer wieder verstärkt sich das Kribbeln aprupt, wenn ich gehe/laufe/walke und dann stehen bleibe. Wärend der Bewegung ist es nicht vorhanden oder nur minimal spürbar, und beim stehenbleiben verstärkt es sich kurzzeitig enorm. Bei Ruhe wird es dann sofort weniger. Wie ist das einzuordnen? Ein Grund Bewegung zu meiden wenn das auftritt? Oft tritt zeitgleich mit diesem Phänomen auch das Lhermittezeichen auf.

Dr. Martin Rösener: Die von Ihnen beschriebenen Symptome sind Folge bereits früher abgelaufener, entzündlicher Läsionen im Zentralnervensystem. Die Störungen gelten als harmlos, müssen nicht behandelt werden und sollten Sie keinesfalls hindern, sich sportlich zu betätigen. Nur wenn Sie richtig störend sind behandelt man sie mit Medikamenten aus der Gruppe der Antiepileptika.

emma: gibt es ausser Modafinil noch andere Möglichkeiten Fatigue und Muskelschwäche zu  behandeln?

Dr. Martin Rösener: Zur Behandlung der Fatigue gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen. Es gibt sogar eine Broschüre der AMSEL, die sich ausschließlich mit diesem Thema beschäftigt. Am wirksamsten ist körperlicher Ausdauertraining. Medikamentös werden oft aktivierende Antidepressiva eingesetzt. Eine Muskelschwäche im engeren Sinne ist einer symptomatischen Behandlung nicht zugänglich. Wenn die Muskelschwäche zu einer Gangstörung führt, kann versucht werden sie mit Fampridine zu bessern.


Allgemein - emma: Lieber Olli! Ich habe genau die gleichen Probleme, wenn ich es nicht schaffe mein Motomed zu benutzen. Also immer wenn ich mich zu wenig bewegt habe, ist es besonders arg


Andi: Guten Abend Dr. Rösener, Ich kann nicht mehr durchschlafen (seit 2 Jahren). Jede Nacht 2-4x kurze Aufwachphasen. Nur mit Antidepress. 1-2x . Wie würden Sie dieses therapieren?

Dr. Martin Rösener: Grundsätzlich gilt, dass fast alle Menschen im Verlauf des Nachtschlafes immer wieder kurz aufwachen. Nur wenn das als störend empfunden wird, muss das überhaupt behandelt werden. Müde machende Antidepressiva sind zur Behandlung viel besser geeignet, als klassische Schlafmittel. Ich würde Ihnen empfehlen, die Antidepressiva einzusetzen.

toni: Wie schön, dass es wieder losgeht. Guten Abend, ich bekomme Spastik in den Beinen die über die Flanke zum Gesicht steigt sobald ich etwas gegessen habe oder erschöpft bin. Dauernde Schmerzen im Fußgelenk sind nun die Folge.Backofen nehme ich aber mein Magen macht mir Probleme. Ich mache seit zwei Jahren Pause nach Copaxone wg Atemproblemen. Was empfehlen sie? Wie ist der Zusammenhang zum Darm?

Dr. Martin Rösener: Richtig ist sicher, bei Ihren Beschwerden ein Antispastikum einzusetzen. Wenn Sie Baclofen nicht vertragen, könnten Sie einen Versuch mit einem alternativen Antispastikum machen. Durchaus denkbar ist, dass die beginnende Verdauung nach einer Mahlzeit über die Umstellung im vegetativen Nervensystem das Symptom auslöst.

Sokrates: Ich habe durch die MS schon lange Probleme mit der Sexualität . Viagra und andere Tabletten helfen nicht sehr zuverlässig. Ist die Skat Therapie wirkungsvoller?

Dr. Martin Rösener: Bei der Schwellkörperautoinjektionstherapie (SKAT) wird durch Injektion eines Medikamentes in den Penis, eine Erektion unabhängig von jeder Erregung erzeugt. Das funktioniert, hat aber natürlich im Vergleich zum Einsatz von Viagra und seinen Nachfolgepräparaten etwas Künstliches an sich. Die Einstellung auf eine SKAT erfolgt beim Urologen. Dort können Sie sich beraten lassen.

sally: Im vergangenen Jahr hatte ich große Probleme mit den Augen. Sie waren nicht mehr richtig miteinander vereinbar, nur mit einem Auge sehen, top, beide erzeugten einander überlappende Bilder. V.a. das rechte Auge hatte einen starken Nystagmus. Alleine außerhalb der eigenen 4 Wände war ich völlig aufgeschmissen. 2 Kortisonbehandlungswochen mit bis zu 2000mg täglich haben den Defekt zwar unter Kontrolle gebracht, ich habe jedoch den Eindruck, dass bei problematischen Lichtverhältnissen, sehen bei Erschöpfung der 3D Eindruck wieder schwierig wird seit einiger Zeit und ich, wenn ich etwas fixieren soll, schnell zum schielen neige. Der Augenarzt kann dazu nichts sagen. Ich habe MS seit 17 Jahren und die Augen waren schon mehrfach betroffen. Finde ich mich nu damit ab, weils eben Reste sind, die mich plagen, die man nach der Erkrankungsdauer halt nunmal hat?

Dr. Martin Rösener: Doppelbildwahrnehmungen sind ein häufiges Symptom der Multiplen Sklerose und werden beim akuten Auftreten mit Kortison behandelt. Wenn die Doppelbildwahrnehmungen langfristig bestehen, bleibt Ihnen nicht übrig, als sich damit abzufinden. Sie können, wie Sie selbst darlegen, z. B. durch eine Okklusionsfolie auf einem Brillenglas, immer einen eindeutigen Seheindruck erzeugen. Das ist dann manchmal erforderlich.

emma: Wie ist ihre Erfahrung zu MS ab 50 bzw. in oder nach den Wechseljahren?

Dr. Martin Rösener: Die Multiple Sklerose verschwindet nicht, wenn die Patienten älter werden. Manchmal kommen im Verlauf sogar noch Alterserscheinungen hinzu. Bei vielen Patienten, bei denen die Multiple Sklerose in jungen Jahren begonnen hat, kommt es durch die Alterung des Immunsystems im Verlauf zu einem Verschwinden der schubförmigen Verschlechterungen. Das ist dann mal ein positiver Effekt des Alterns.

Svenja: Gehören Kopfschmerzen zu den Nebenwirkungen von Tecfidera? Etwa seitdem ich die einnehme, habe ich regelmäßig Kopfschmerzen. Früher hatte ich oft Migräne, aber seit einiger Zeit nur noch selten. Und lassen sich die Kopfschmerzen vielleicht mit einfachen Maßnahmen vermeiden, ohne weitere Kopfschmerztabletten zu nehmen?

Dr. Martin Rösener: Eine typische Nebenwirkung von Tecfidera sind Kopfschmerzen nicht. Die treten eher beim Einsatz von Betainterferonen auf. Kopfschmerzen können viele Ursachen haben. Die häufigste Kopfschmerzform sind die Kopfschmerzen vom Spannungstyp. Da helfen manchmal entspannende Maßnahmen und regelmäßige, körperliche Bewegung, wenn man Schmerzmittel vermeiden will.

Katja: habe seit einem Jahr immer wieder Schmerzen und Ziehen im Bereich Leiste/Oberschenkel/Unterbauch/Schambereich. Die Schmerzen treten bei längerer körperlicher Belastung oder gezielter Muskelanspannung auf. Z. B. Anspannung Beckenbodenmuskeln, Adduktorendehnung. orthopädisch und internistisch Untersucht, ohne Befund. Klingt dies für Sie nach einem ms-Problem?

Dr. Martin Rösener: Das könnte Folge einer erhöhten Muskelspannung durch eine Spastik sein. Natürlich sollten Sie zunächst die Auslösesituation meiden. Wenn das nicht ausreichend wirksam ist, käme der Einsatz eines Antispastikums in Frage.

Moderator Patricia Fleischmann: 

Herr Dr. Rösener kennt sich gut aus im Broschürenstand der AMSEL. Hier finden Sie die angesprochene Broschüre zu Fatigue: www.amsel.de/shop/index.php Und hier eine allgemein zur symptomatischen Therapie: www.amsel.de/shop/index.php Für AMSEL-Mitglieder ganz kostenfrei zu bestellen.



Daggi: Guten Abend, Dr. Rösener, ich habe seit ca 1 1/2 Jahren Schmerzen im Gesäß, hinterer Oberschenkel rechts in unterschiedlicher Stärke, die nicht auf Schmerzmittel ansprechen. Verstärkung durch Sitzen, Besserung bei Bewegung. Kein Bandscheibenvorfall. Können die Schmerzen mit der MS im Zusammenhang stehen?

Dr. Martin Rösener: Die Beschwerden, die Sie angeben, sind eher auf Verspannungen der Rückenmuskulatur zurückzuführen als direktes Symptom der Multiplen Sklerose. Ein Bandscheibenvorfall muss da nicht immer vorliegen. Folgen Sie Ihrer Erfahrung und bewegen Sie sich, wenn das die Schmerzen bessert. 

Moderator Patricia Fleischmann: @toni, es freut uns sehr, dass Sie den Chat nach der Sommerpause begrüßen. Danke im Namen des AMSEL-Teams! Der nächste Chat ist dann übrigens am 16. Oktober mit Prof. Dettmers.

Moderator Patricia Fleischmann: 

@emma: Unser jüngstes Video beschäftigt sich mit MS Ü60: www.amsel.de/multiple-sklerose-news/amsel-aktuell/therapie-der-multiplen-sklerose-ue60/




Allgemein - emma: Ich verabschiede mich und bedanke mich für Ihre Antworten!



Allgemein - toni: Ja gerne, sie moderieren so gut und schon die Idee des Chats ist einfach super. Es wäre schön, wenn wir auch ihr Gesicht sehen könnten.


toni: Was mich noch beschäftigt, warum wird gesagt, dass die Vorrübergehende Verschlechterung nichts ausmacht. Bei Schmerzen lernt der Körper und es wir chronisch, wie ist es mit Utthoff etc.?

Dr. Martin Rösener: Entschuldigung, aber diese Frage verstehe ich nicht so richtig. Welche vorübergehende Verschlechterung macht nichts aus? Könnten Sie das nochmal genauer darlegen?

Moderator Patricia Fleischmann: @toni, bin froh, dass mein inzwischen puterrotes Gesicht nicht zu sehen ist :-)

Katja: kann man irgendwie Testen, ob eine Spastik vorliegt? Oder käme es auf einen Versuch mit Antispastikum an, um zu sehen ob meine Beschwerden dadurch besser werden?

Dr. Martin Rösener: Die Überprüfung, ob eine spastische Tonuserhöhung vorliegt, ist Teil der neurologischen Untersuchung. Sie könnten also Ihren Neurologen fragen. Wenn der sich unsicher ist, kann man das Antispastikum versuchen.


Allgemein - toni: Der Sommer ist fast vorbei und dann können wir vielleicht hoffen...


Laoghaire: Guten Abend. Ich habe bei Anstrengung und Belastung das Problem das meine Ohren belegt sind. Laut Ohrenarzt sei auch das ein Symptom von MS. Stimmt das?

Dr. Martin Rösener: Nur ungern widerspreche ich Ihrem Ohrenarzt, aber das klingt mir nicht nach einem Symptom der Multiplen Sklerose. Das Zufallen der Ohren ist oft die Folge davon, dass der Luftausgleich zwischen dem Rachen und dem Mittelohr nicht gut funktioniert. Das Hören ist bei der Multiplen Sklerose - ganz anders als das Sehen - kaum je betroffen.

Moderator Patricia Fleischmann: @toni: Ich meinte mein vor Scham rotes Gesicht, wegen Ihres Lobes, nicht vom Sommer ;-)

sally: Wie konstant müssen Sprachstörungen (also "Zunge verschlucken", Wort nicht richtig rauskriegen, leichtes Stottern) Ihrer Meinung nach auftreten, damit man es nicht mehr als "generell überlastet" abtun kann? Ich habe das Problem keinesfalls täglich, aber wenn man dann einen Firmennamen am Telefon nicht aussprechen kann beim Gespräch Annehmen ist das schon blöd.

Dr. Martin Rösener: Ob die Sprachstörung Folge einer Überlastung ist, könnten Sie überprüfen, wenn Sie z. B. im Urlaub sind. Dann sollten Sie ja nicht belastet sein. Wenn Sie da keine Sprachstörung haben, trägt die Überlastung auf jeden Fall dazu bei. Die Möglichkeit Belastung zu kompensieren, kann durch die Multiple Sklerose eingeschränkt sein. Dann gilt es, die eigenen Leistungsgrenzen zu kennen und zu beachten.

Dieter: Bei mir wurde 2010 die PPMS in der MHH festgestellt,bin jetzt 76 Jahre,wir haben lange auf das neue Medikament Ocrelizumab auf die Zulassung gewartet,jetzt macht mein Doktor einen Rückzieher,die MHH soll entscheiden,die MHH sollte mich anrufen zwecks Termin zur Vorstellung.

Dr. Martin Rösener: Ocrelizumab ist bei einer primär progredienten Multiple Sklerose dann wirksam, wenn die Erkrankung erst kurz besteht und noch Zeichen der Krankheitsaktivität nachzuweisen sind. Bei Patienten mit langjährigem Krankheitsverlauf und ohne Krankheitsaktivität ist kaum ein Nutzen von dieser Substanz zu erwarten. Sie kommt deshalb nur für einen kleinen Teil der Patienten mit primär progredienter Multipler Sklerose in Frage. Weil das Medikament u. U. gravierende Nebenwirkungen hat, sollte die Indikation deshalb sorgfältig geprüft werden.

Katja: Wäre das auftreten einer Spastik bei einer schubförmigen ms als "Nebenerscheinung" zu verbuchen, oder wäre die Spastik quasi ein Schub?

Dr. Martin Rösener: Die Spastik kann auch Symptom eines Schubes sein. Dann besteht die Hoffnung, dass sie sich bei rechtzeitige Behandlung mit Kortison wieder zurückbildet.

toni: OK, früher entzündliche Symptome die nun bei Anstrengungen die als Utthoff Bezeichnet werden zB Schlechteres sehen oder Gehen weden als harmlos bezeichnet ..von Vielen Ärzten...der Körper quält sich und auch die Psyche warum ist das harmlos?

Dr. Martin Rösener: Das ist jetzt eine klare Frage. Nach Entzündungen im Zentralnervensystem wird an die Stelle der Entzündung eine Narbe eingebaut. Die Durchleitung der Nervenimpulse durch die Narbe funktioniert nicht mehr ganz so gut und ist insbesondere oft temperaturabhängig. Wenn man sich dann anstrengt und die Körpertemperatur steigt, oder wenn die Außentemperaturen hoch sind, verstärken sich neurologische Symptome. Wenn die Temperatur wieder sinkt, sind die Durchleitung und damit die Funktionen wieder besser. Dadurch entsteht außer dem schlechten Gefühl beim Patienten und der vorübergehenden Einschränkung kein Schaden im Zentralnervensystem. Deshalb bezeichnen wir das als harmlos im Unterschied zu neuen Entzündungen, die ja immer einen neuen Schaden setzen.

Dieter: Danke für die schnelle Antwort und werde mit meinen Neurologen Dr.Otto in Wolfsburg darübersprechen

Dr. Martin Rösener: So sollten Sie es tun.

Moderator Patricia Fleischmann: @toni: Wenn Sie Uhthoff haben, dann war dieser Sommer für Sie ganz bestimmt schlimm. Das tut mir leid, auch für alle andern Betroffenen. Kommenden Wochenanfang sind 13 Grad tagsüber in Stuttgart angesagt...

Daggi: Ich musste wegen einer Gürtelrose meine Therapie mit Tecfidera abbrechen. Ein MRT nach 9 Monaten zeigt keine Verschlechterung der MS. Sollte ich die Therapie fortsetzen?

Dr. Martin Rösener: Viel wichtiger als MRT Bilder ist die Frage, wie es Ihnen geht und wie der neurologische Befund ist. Danach sollte der Neurologe entscheiden, ob bei Ihnen die Wiederaufnahme einer immunmodulatorischen Behandlung angezeigt ist.

sally: Können Sie erläutern, ob es beim Erreichen der 24 Wochen Frist unter Ocrelizumab wieder verstärkt zu Symptomwahrnehmungen kommt, obwohl sich die B-Zell-Population noch gar nicht entscheidend in normale Höhen zurückentwickelt hat? Ich habe das von anderen Betroffen jetzt schon mehrfach gelesen und erlebe es an mir selbst derzeit, dass Symptome, die zunächst beinahe verschwunden schienen, langsam wieder einen Platz einfordern. Wie ist das zu erklären, wenn doch die B-Zellen noch gar nicht wieder da sind? Hat das andere Zusammenhänge?

Dr. Martin Rösener: Mit allen immunmodulatorischen Therapien, und zu denen gehört auch Ocrelizumab, verfolgen wir das Ziel, neue Schäden im Zentralnervensystem zu verhindern. Es sind immer nur vorbeugende Behandlungen. Wenn sich unter Behandlung mit Ocrelizumab bestimmte Symptome zurückbilden ist das Glück oder Zufall, aber nicht das eigentliche Therapieziel. Und natürlich treten die Symptome dann im Verlauf wieder auf.


Allgemein - toni: Oh je und ich schreibe das immer falsch Danke. Es wird wirklich Zeit für kühles Wetter.


toni: Ich bin dann mal weg...vielen Dank für Ihre Antworten Dr. Rösener und allen einen schönen Abend bis zum 16. Oktober.

Dr. Martin Rösener: Auf Wiedersehen, auch Ihnen wünsche ich einen schönen Abend.

Moderator Patricia Fleischmann: Noch 5 Minuten - Zeit für die letzte Fragerunde.

Daggi: abgesehen von Restbeschwerden nach einem heftigen Schub in 2012 geht es mir gut. Kein neuer Schub, keine neuen Beschwerden.

Dr. Martin Rösener: Dann müssen Sie mit Ihrem Neurologen sehr sorgfältig Nutzen und Risiken einer Wiederaufnahme der immunmodulatorischen Behandlung abwägen und so zu einer für Sie zufriedenstellenden Entscheidung kommen.

Pascal: Hallo Herr Dr. Rösner! Bei mir wurde vor zwei Monaten die Diagnose MS gestellt. Offenbar muss ich es allerdings schon länger mit mir rumtragen (über 5 Jahre, allerdings nur  mit wenigen Beschwerden wie Schwindel). Nun soll ich Ocrevus bekommen. Man hat mir aber in diesem Fall dazu gesagt, dass ich auf jeden Fall keine Kinder zeugen sollte, da die Gefahr besteht, dass diese mit Erbgutschäden zur Welt kommen. Ich bin mit meiner Frau am überlegen, ob wir die Ocrevus-Therapie hinauszögern und sofort probieren sollten Kinder zu bekommen. Eine Kyrokonservierung habe ich ebenfalls zur Sicherheit machen lassen, wollten aber auf natürlichem Wege Kinder bekommen. Könnte ich im Falle eines Schubes mit Kortison behandelt werden? Vielen Dank im Voraus!

Dr. Martin Rösener: Zunächst sollten Sie mit Ihrem Neurologen überlegen, ob Sie wirklich mit Ocrelizumab behandelt werden müssen. Mit anderen Immunmodulatoren können Sie problemlos und ohne Risiko Kinder zeugen. Ein Kryokonservierung von Sperma ist natürlich eine Möglichkeit die Gefahr für das Kind zu vermeiden. Eine Kortisontherapie würde der Erfüllung Ihres Kinderwunsches nicht im Wege stehen.

Moderator Patricia Fleischmann: @toni: Machen Sie sich nichts daraus. Dafür habe ich Uhthoff jahrelang immer falsch ausgesprochen. Wir sind halt keine Niederländer:-) [ups, Wilhelm Uhthoff war auch kein Niederländer, sondern Deutscher, geb. 1927 in Mecklenburg, wie ich eben nachgeschlagen habe. Er schreibt isch aber definitiv Uhthoff.]

Biene: kann die Spastik auch mal wieder ganz verschwunden. Oder zumindest schwächer werden.

Dr. Martin Rösener: Das kann man nur erwarten, wenn die Spastik akut in einem Schub auftritt und der rechtzeitig mit Kortison behandelt wird. Sonst wird man damit leben müssen. Mit Antispastika kann man die Spastik aber auf jeden Fall schwächer machen.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, haben Sie herzlichen Dank, dass Sie heute mit dabei waren. Ein besonders riesiges DANKE geht an Dr. Martin Rösener für sein wiederholtes Engagement hier im Multiple-Sklerose-Chat der AMSEL! Ich wünsche Ihnen allen einen schönen restlichen Abend und eine erholsame Nacht!

Redaktion: AMSEL e.V., 18.09.2018