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Multiple Sklerose: Symptome erkennen und behandeln

Schwindel, Schmerzen, Flushs, Probleme mit den Augen, dem Gehen, mit Bildschirmarbeit... Prof. Thomas Henze ging auf alle Fragen ein. - Hier nachzulesen:

 

Moderator Patricia Fleischmann: Willkommen, liebe Chatter zum ersten Multiple-Sklerose-Expertenchat der AMSEL im Neuen Jahr! Heute geht es rund um die MS-Symptome. Prof. Thomas Henze antwortet ab 19 Uhr auf Ihre Fragen.

Moderator Patricia Fleischmann: @alle: Gern dürfen Sie schon jetzt Ihre Fragen stellen. Antworten gibt's ab 19 Uhr und die sind später auch im Chatprotokoll unter www.amsel.de/chatprotokolle nachzulesen.

Biene: Sehr geehrter Herr Prof. Henze, ich habe mit Betaferon 05/20 angefangen, Ende 06/20 habe ich ein heisses Gesicht bekommen, wie Fieber, es waren aber wenn subfebriele Temperaturen (also nie über 37.9). Daraufhin habe ich Betaferon abgesetzt, aber bis heute und das sind jetzt 1.5 Jahre habe ich immer noch dieses heiße Gesicht und subfebriele Temperaturen (wann subfebril anfängt haben Ärzte unterschiedliche Meinungen)….Also wie Flush mit subfebrielen Temperaturen….immer wieder, einen Tag auch mal nicht, dann wieder ein paar Tage…..Gibt es dieses Symptom bei MS oder kann Betaferon, wenn auch nur kurz angewendet, die Körpertemperaturregulation dauerhaft verändern? Oder die Gefäße so schädigen das man ein heisses Gesicht bekommt? Am Anfang vom Betaferon, habe ich erst ganz zufrieden meiner Freundin erzählt, dass ich irgendwie nicht mehr friere seit dem ich spritze??!! Darauf war ich sogar erst ganz stolz! Im Sommer ist es schlimmer als im Winter?!? Nach den ersten Spritzen hatte ich auch ein Brennen auf dem Dekoltee, was ich vorher auch nie hatte! Das Brennen auf dem Dekoltee habe ich auch weiterhin trotz absetzen nur nicht mehr so oft! Bis jetzt konnte mir niemand helfen? Wenn ich zb länger die FFP2 Maske trage wird mein Gesicht auch ganz heiß und meine Körpertemperatur steigt, wenn ich mich leicht Anstrenge oder grade im Sommer wenn die Temperaturen höher sind! Ich hatte auch schon mal hier im Chat danach gefragt, vielleicht gibt es neue Erkenntnisse!?

Prof. Thomas Henze: Guten Abend Biene, das ist wirklich ein ungewöhnliches Symptom, vor allem da es so lange anhält. Eine gute Lösung habe ich leider auch nicht. Haben Sie denn in der ZwiscHenzeit mit einem anderen Medikament begonnen? Auch würde mich interessieren, ob Sie Paracetamol nach den Injektionen im Mai 2020 oder ein ähnliches Medikament genommen haben und welche Wirkung das dann hatte.

Allgemein - Biene: Hallo, ich habe meine Fragen gerade schon abgeschickt, irgendwie kommen diese nicht an??

Moderator Patricia Fleischmann: @Biene: Doch, doch, die sind nur unter "bereits gestellte Fragen". Im Defaulttextbereich stehen sie wieder, sobald es auch eine Antwort dazu gibt. Der Chat startet erst um 19 Uhr; Sie müssten noch ein bisschen warten, bitte.

Allgemein - Biene: Oh ok, können sie die erste vielleicht rausnehmen! Die zweite ist die richtig, ich habe noch etwas dazu geschrieben

Moderator Patricia Fleischmann: @ Biene: Rausnehmen kann ich sie erst später, im Protokoll, aber ich werde Prof. Henze sagen, dass er nur die 2. zu beantworten braucht. Passt also :-)

Allgemein - Biene: Vielen Dank

Michael: Guten Abend, ich bin 39 Jahre alt und hatte letztes Jahr im Oktober ( KW 42 - KW 46 ) meinen ersten MS schub ( komplette linke Körperseite Kribbeln, LWS Schmerz womit sich mein Gang verlangsamt hat und ich humpelte linkseitig. ) Symptome gingen nach 5 Tage Kortison therapie und anschließend 1 Monat Ruhe so ziemlich gut wieder weg. Beginn Tecfidera ( KW 45 ) 14 Tage 2x täglich 120mg bis dato 2x täglich 240 mg Arbeitsalltag: körperliche Arbeit im sägewerk 8,5 Std. 4tage + 6 Std. 1tag ( Abwechslung stehen und sitzende tätigkeit mit gewichtsbelastung. ) ( KW 47 - KW 51 ) Nach 2,5 Std. Gehen mit Belastung (wenig Gewicht) am Stück fangen die LWS Schmerzen + humpeln wieder an ( vor dem Schub keine Probleme mit der LWS ) . ( KW 50 am Freitag ) Plötzlich bei der Arbeit traten Symptome auf. Angefangen mit 1; Schwindel 2; Kribbeln komplettes Gesicht, beide Arme und Hände, linke brust 3; Lippen Pelzig 4; Sprachstörung 5; Hände zittern. Das ganze dauerte ca. 30min und wurde besser nach Ruhe. Nach 2 Wochen ( KW 52 - KW 01 ) Urlaub über das neue Jahr hinweg keinerlei Beschwerden mehr. Erste Arbeitswoche ( KW 02 am Freitag ) wieder Symptome 1; LWS schmerz 2; langsamer Gang mit humpeln 3; Füße Kribbeln 4; Hände zittern 5; 2/3 der Finger ( beidseitig ) rot und taubgefühl, LWS schmerz ist geblieben. Medikamente : tecfidera 240mg 2x täglich, vigantol vitamin D3 1000 1x täglich, citalopram 20mg 1x täglich, quetiapin 25mg 1x täglich Meine Fragen: Sind das neue entzündungsherde was kurzzeitig auftreten? Können die Schmerzen in der LWS eine Spastik sein? Was muss ich beachten wenn solche Symptome auftreten? Welche Therapie gibt es gegen diese Symptome? Mit freundlichen Grüßen Michael

Prof. Thomas Henze: guten Abend Michael. Ja, ich würde bei vielen neuen Symptomen zunächst an einen Schub denken. Waren Sie denn im Neuen Jahr schon beim Neurologen? Wenn nicht würde ich das als Erstes empfehlen, evtl. nochmalige Cortison-Infusionen, auch nochmaliges MRT, um zu sehen, ob neue Herde hinzugekommen sind. Danach kann dann entschieden werden, ob die Immuntherapie bei Tecfidera bleiben kann oder nicht. Ich vermute aber mal, dass es (auch wenn Sie es ja erst kurz nehmen und es noch keine ausreichende Zeit hatte zu wirken) vielleiciht gegen ein noch wirksameres Medikament wechseln sollten. Das müsste Ihr Neurologe mit Ihnen klären. Der LWS-Schmerz ist wahrscheinlich keine Spastik, sondern einfach Ausdruck der Über- und Fehlbelastung der Rückenmuskeln während des Schubes.

Ida: Hallo Herr Prof. Henze, nach einem Schub vor 2 Jahren werden meine Beine/Becken/Hüfte immer steifer. Baclofen, Tizanidin, Sativex ausprobiert, hilft mir nicht. Gehen funktioniert nur unter größter Anstrengung. Beine sind sehr schwer. Was kann ich tun? In der Nacht sind die Krämpfe in den Waden/Füße so stark, es schmerzt. Bekomme Ocrevus.

Prof. Thomas Henze: Guten Abend Ida. Gegen die nächtlichen Schmerzen würde ich einen Versuch mit Gabapentin machen, das hilft häufig recht gut und kann z.B. auch akut einschießende Spastiken verringern. Vielleicht hilft das Medikament dann auch gegen die Spastik und Gehschwierigkeiten tagsüber. Wenn nicht, käme ggf. eine Therapie mit Triamcinolon in Betracht; das ist ein spezielles Cortisonmedikament, das im Rahmen einer Lumbalpunktion in den Rückenmarkkanal gespritzt wird. Diese Therapie wird aber nur in wenigen Kliniken durchgeführt, vor allem den MS-Spezialkliniken am Starnberger See, im Augustahospital Anholt am Niederrhein, aber auch weiteren Kliniken. Das können Sie sicher über die DMSG in Erfahrung bringen. Auf jeden Fall sollten Sie sich mit Ihren Symptomen in einer dieser Kliniken mal vorstellen.

Violetta: Guten Abend Prof. Henze! Seit Jahren habe ich heftige Schmerzen in der Lendenwirbelsäule mit heftigem Verschleiß und auch Gleitwirbel (MRT) seit November dazu auch sehr heftige Schmerzen in der Hüfte und Leiste einschießend. Jetzt soll ich eine MS-Reha, würde aber gerne den Rücken mit behandeln oder sogar vorziehen!? Ist das möglich?

Prof. Thomas Henze: ja, das ist sicher möglich. Es gibt ja einige Reha-Kliniken, die neben einer MS-Reha auch eine Orthopädische Abteilung haben. Wahrscheinlich sind ja beide Fachrichtungen für Sie wichtig. Bei der Auswahl der Klinik müßten Sie darauf achten bzw. müßte Ihr Neurologe achten.

Violetta: bis wie tief, wird das Rückenmark von MS befallen?

Prof. Thomas Henze: das Rückenmark kann in seinem ganzen Verlauf befallen sein, also auf jeden Fall bis zum unteren Ende des Brustmarks. DAs Rückenmark endet etwa in Höhe des ersten Lendenwirbelkörpers.

Valeska: Guten Abend Herr Prof. Henze, bei mir wurde nach meinem zweiten und letzten Schub 2019 MS diagnostiziert und nun bin ich schon laut meinem Neurologen im progredienten Verlauf. Jetzt habe ich seit 2-3 Wochen auf dem rechten Auge eine zunehmende Sehminderung mit verschwommener Sicht und an manchen Tagen eine Druckgefühl in der Augenhöhle, sonst aber keine weiteren Symptome. Könnte dies von meiner MS kommen oder käme eine andere Ursache in Frage? Danke.

Prof. Thomas Henze: Guten Abend Valseka. Ja, das könnte durchaus ein neuer Schub sein, wie Sie ihre Symptome beschreiben. Ihre Symptome sind ziemlich typisch dafür. Sie sollten möglichst rasch (in dieser Woche noch) zum Neurologen und ihm das schildern, damit er ggf. eine Cortison-Therapie beginnt.

Tina: Guten Abend, ich habe hin und wieder das Problem, dass ich wie tot im Bett liege und mich gar nicht bewegen kann. Da könnte die Wohnung abbrennen und ich könnte mich nicht bewegen. Das dauert durchaus einige Stunden an. Hat das mit Fatigue zu tun?

Prof. Thomas Henze: nein, ein so ausgeprägte Fatigue habe ich noch nicht gehört. Diese Symptome müssen eine andere Ursache haben, wahrscheinlich aber im Rahmen der MS, und ich empfehle Ihnen, das mit Ihrem Neurologen zu besprechen.

Moderator Patricia Fleischmann: @alle: Kennen Sie schon unsere Plattform MS behandeln? Darin ist ein ganzes Kapitel den Symptomen der Multiplen Sklerose gewidmet. Falls Sie ohnehin warten auf die Antwort von Prof. Henze - ein Blick lohnt sich: https://www.amsel.de/multiple-sklerose/behandeln/die-symptomatische-therapie-der-ms/

Biene: Ich nehme seit dem kein Medikament mehr ein. Ich habe immer nach dem Spritzen 1-2 Tabletten Paracetamol genommen! An dem Tag wo es anfing war vor dem Spritzen, also die letzte Betaferonspritze lag eigentlich 48 Srunden zurück! An dem Tag hatte ich weil ich auch Petechien an den Beinen bemerkt hatte einen Rumpel-Leede-Test machen lassen…. Da wird ja 5 Min mit Blutdruckmanschette der Arm angestaut! Der Test war Mittags! Während des Testes war ich sehr erschöpft und konnte das kaum aushalten! Nachmittags fing das mit dem heissen Gesicht an, also noch vor dem Spritzen! Können meine Beschwerden durch einen Rumpel-Leede-Test ausgelöst worden sein?

Prof. Thomas Henze: nein, auch das habe ich noch nicht gehört. Der Test dient ja dazu herauszufinden, ob Ihre Blutplättchen nicht richtig funktionieren. Hat dieser Test denn irgendetwas ergeben?

Uwe: Guten Abend Herr Prof. Henze. Gibt es Erfahrungswerte nach Covid 19-Impfungen, dass sich während der Immunantwort MS-Symptome verschlechtern können? Bilden die sich evtl. wieder auf den Zustand davor zurück? Lässt sich das von einem progredienten Krankheitsverlauf unterscheiden?

Prof. Thomas Henze: guten Abend Uwe. Diese Frage ist schwierig. Mittlerweile sind ja sehr viele MS-Betroffene glücklicherweise geimpft und auch geboostert worden. Bei den allermeisten ist keine Verschlechterung aufgetreten. Trotzdem gibt es einige wenige Betroffene, die eine Zunahme von Symptomen bemerkt haben. Diese können sich durchaus auch wieder zurückbilden, einen progredienten VErlauf zeigt so ein Geschehen aber nicht an. Wichtig ist dass Sie weiter in enger Betreuung durch Ihren Neurologen bleiben und MRTs im Verlauf erfolgen.

Flo: Guten Abend Prof.Henze, Ich habe seit Monaten Sehprobleme und sehe schlechter. Das MRT sagt: persistierende Signalaliteration im li. Nervus opticus. Kontrastmittelaufnahme fand nicht statt. Ist ein schubhaftes Ereignis vorhanden? VEP li. p100 = 155. Ihre Empfehlug würde mich interessieren. Vielen Dank

Prof. Thomas Henze: Guten Abend. Das linke VEP ist ja deutlich verlängert und spricht dafür, dass eine Sehnerventzündung stattgefunden hat, evtl. schon vor Monaten. Unabhängig von dem MRT-Befund würde ich Ihnen - wenn nicht schon geschehen - eine Cortison-Infusionstherapie empfehlen, da es manchmal auch nach längerer Zeit noch zu einer Besserung kommen kann. Andere Medikamente gibt es bislang leider nicht.

Violetta: Wie kann das Symptom Schwindel gelindert werden?

Prof. Thomas Henze: das ist ganz schwierig zu beantworten. Es gibt sehr viele Formen von Schwindel, auch bei einer MS, und diese verschiedenen Formen werden unterschiedlich behandelt. Ihr Neurologe und auch ein HNO-Arzt sollten zunächst eine möglichst eindeutige Schwindel-Diagnose stellen. Erst dann kann eine sinnvolle Therapie wirklich festgelegt werden.

Biene: Am Anfang habe ich Betaferon noch über 1 Woxhe weiter gespritzt, da hatte ich dann diesen Fieber Flush durchgehend und eigentlich täglich! Trotz Paracetamol glaube ich! Ganz genau kann ich mich nicht mehr daran erinnern! Ich weiß nur das ich es durchgehend auch nachts hatte, was jetzt nicht mehr der Fall ist! Nach Absetzen nicht mehr jeden Tag aber trotzdem noch oft, grade im Sommer ist es schlimmer!

Prof. Thomas Henze: das ist wirklich ein rätselhaftes Symptom und für eine MS nicht wirklich typisch. Es kommt allerdings auch bei einigen Patieten vor, die Tecfidera einnehmen, zumindest in der ersten Zeit der Therapie mit diesem Medikament. Waren Sie mit dem Symptom schon mal bei einem Internisten, am besten einem, der sich auch mit hormonellen Erkrankungen auskennt (Endokrinologie). Da gibt es meines Wissens ein oder 2 Erkrankungen, die mit wiederkehrendem Flush einhergehen.

Biene: Gibt es andere Erkrankungen die mit positiven oligonalen Banden im Liqour einhergehen und auch Läsionen im Kopf zeigen?

Prof. Thomas Henze: ja, die gibt es, z.B. eine Neuroborreliose (da sollte man aber ganz spezielle oligoklonale Banden finden), auch bei der Neuromyelitis optica und der (noch relativ neuen) Erkrankung MOG-EM (Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein-Enzephalomyelitis). Letztere beiden können manchmal auch mit einer MS verwechselt werden, sie erfordern aber meist andere Immuntherapien als die MS.

Moderator Patricia Fleischmann: @alle: Noch ein Tipp für die Wartezeit: Wussten Sie schon, dass die amsel.de-Suche mit Filtern arbeitet? Dazu einfach das gesuchte Wort oben rechts eingeben und dann zB den Bereich bestimmen, also bsp.weise "News". Das Ergebnis wiederum lässt sich rechts verschieden sortieren, etwa nach Datum, um also die neuesten Nachrichten zum Thema Symptome zu lesen - einfach mal ausprobieren.

Ida: Gabapentin habe ich auch ausprobiert, mir wurde dadurch nur wahnsinnig schwindelig. Danke für den Tipp. Kann es sein, dass das Rückenmark zu stark beschädigt ist, mache kleine Tippelschritte und bekomme die Füße kaum angehoben. Mein Neuro will kein Mrt von der HWS/BWS. Er macht nur Kopf.

Prof. Thomas Henze: das kann doch nicht sein. In den Leitlinien zur Behandlung der MS ist eindeutig festgelegt, dass auch MRTs des Rückenmarks zur Diagnostik dazugehören. Bei Ihnen wird wahrscheinlich eine Schädigung des Rückenmarks vorliegen, darauf deutet Ihre Schilderung hin. Unabhängig von einem MRT würde ich Ihnen aber zu den genannten therapeutischen Schritten raten. Vielleicht versuchen Sie statt Gabapentin mal Pregabalin, damit gibt es die Schwindelsymptome oft nicht; es dürfte aber nahezu genauso gut wirken.

Biene: Also ich hatte das Gefühl man hat nicht direkt aber Stunden später ein paar kleine blaue Punkte gesehen, aber nur minimal! Mein Blutbild ist auch immer ok! Kann das auch mit den Blutplättchen Zusammenhängen, auch wenn das Blutbild immer ok ist? Denn ich habe immer wieder Petechien an den Beinen zwar nicht mehr so viele wie damals, aber trotzdem immer wieder!

Prof. Thomas Henze: ja, denkbar ist das schon. Im Blutbild werden ja auch die Blutplättchen untersucht und, auch wenn deren Zahl stimmt, kann ihre Funktion fehlerhaft sein, und das wiederum kann wahrscheinlich nur ein Internist genauer beurteilen.

Privat: Hallo Herr Prof. Henze! Bin 40 Jahre alt - ED vor einem guten Jahr bei erstem bemerkbaren Schub mit Einschränkungen der rechten Körperhälfte. Seitdem Immuntherapie mit Copaxone 40 Pens und weiter Physio- und Ergotherapie. Habe nun seit einiger Zeit (mehrer Wochen) zunehmend Schwierigkeiten mit den Augen. Es fühlt sich an, als wenn es diese immer mal wieder kurz "verspult" und ich kurze Zeit nicht mehr so richtig sehen kann (als wenn di Augen nicht mehr richtig fokussieren und es ist wie helles Flackern dabei) - dann dauert es kurz bis ich wieder normal sehe. Es fühlt sich auch etwas verkrampft in den Augen an, vorallem in den Augenhöhlen oberhalb. Meist kam es durch bücken und aufstehen oder entsprechend starken Augenbewegungen dazu. Inzwischen aber auch einfach bei der Bildschirmarbeit. Dazu sehe ich im Dunkeln immer mal wieder einen Lichtpunkt an einer Stelle an der Seite. Gestern war ich beim Augenarzt. Von dem her, was er sehen kann, inkl. Sehnverv war immerhin alles in Ordnung. Kann das mit der MS zu tun haben? Nachdem das aber schon seit einigen Wochen so ist und nun in letzter Zeit noch etwas Schlimmer geworden ist (und mich jetzt so mehr einschränkt, weil so v.a. auch das Arbeiten so schwieriger ist) eher dann kein Schub? Was kann ich tun, damit sich die Symptome bessern? Vielen Dank! Viele Grüße!

Prof. Thomas Henze: ja, ich würde auf jeden Fall an einen Schub denken und Sie wahrscheinlich auch auf Verdacht hin so behandeln. Ein aktuelles MRT wäre sicher sinnvoll, für die Entscheidung zu einer Infusionstherapie aber m.E. nicht so wichtig, eher für die Frage, ob es unter Copaxone zu weiteren Herden gekommen ist. Denn dann müsste auch diese Immuntherapie überdacht werden.

Kati81: Sehr geehrter Prof. Henze, ich: w, 40, Copaxone, letzer Schub 2009, hätte gern Ihre Einschätzung zu folgender Sensibilitätsstörung die mich seit ca. 2 Wochen begleitet. Keinerlei Taubheit, spüre alle Berührungen. Durch Kleidung fühlt sich alles ganz normal an. Aber nackte Hand auf z. B. nacktem Bein, macht manchmal, dass ich anfange nachzudenken ob sich das "normal" anfühlt. Steigere mich sehr rein, und beobachte mich extremst. Mit Hautcreme, oder unter der Dusche fühlt sich aber wieder alles ganz normal an. Stehe seit Monaten extrem unter Stress. Arbeit, Beziehung, Angststörung. Corona-Situation belastet mich sehr. Meine Neurologin meinte, dass das vermutlich kein Schub ist, sondern psychischer Natur. Muss aus der Angst raus, hat mir zu Psychotherapie geraten. War jetzt eine Woche krankgeschrieben, seit paar Tagen ist die Gefühlsstörung kaum mehr aufgetreten. Wie schätzten Sie das ein? Demnächst steht mein zweiter Impftermin Biontech an. Mach mir deshalb Sorgen ob Schub vorliegen könnte. Danke.

Prof. Thomas Henze: das ist schwer zu beantworten. Ich wäre mir auch nicht ganz sicher ob ein Schub vorliegt. Mein Vorschlag: lassen Sie sich weiter krankschreiben, möglichst bis zur nächsten Impfung. Wenn die Sensibilitätsstörung weiter zurückgeht: umso besser. Wenn sie aber zunimmt, würde ich Ihnen raten die Impfung trotzdem durchzuführen, sich soweit möglich zu isolieren und - falls nciht schon geschehen - ein MRT von Kopf und HWS durchführen zu lassen. Cortison-Infusionen können wahrscheinlich warten.

Biene: Gibt es denn bei MS Probleme mit der Körpertemperatur… Die Temperatur steigt dann im laufe des Tages und wenn ich 37.8 habe fühle ich mich schlecht (heißes Gesicht) könnte man sonst auch mal eine Kortison-Stoß-Therapie versuchen oder macht das keinen Sinn?

Prof. Thomas Henze: ich würde Ihnen immer erst zu weiterer Diagnostik raten, z.B. auch bei einem Rheumatologen, es gibt ja auch bei einigen rheumatischen Autoimmunerkrankungen gelegentliche Temperaturerhöhungen. Cortison würde wahrscheinlich helfen, dann aber oral und in niedrigerer Dosis, aber bitte: versuchen Sie erst eine Diagnose feststellen zu lassen.

Violetta: Es ist recht schwierig mit MS eine unabhängige Meinung eines HNO`s zu erhalten? Im letzten Jahr bin ich oft gefallen, weil ich den Schwindel recht schlagartig bemerke und gleichzeitig zu Boden gehe, keine Sekunde Zeit etwas zu unternehmen? Außer einer Streckung zur Seite, gibt es nichts vergleichbares?

Prof. Thomas Henze: diese Schilderung liest sich eher so, als ob der Schwindel nur ein Teilsymptom ist. Hat Ihr Neurologe schon mal ein EEG gemacht, also die Hirnströme abgeleitet und nach Veränderungen geschaut, wie man sie auch bei kleinen epileptischen Anfällen findet? Solche Anfälle müssen ja nicht immer mit Bewusstlosigkeit und vielen dramatischen Symptomen ablaufen. Ihre Schilderung, vor allem die fehlende Zeit zu reagieren und die Streckung zur Seite (immer die gleiche Seite?) lassen durchaus an einen epileptischen Anfall denken. Wie oft passiert das denn? zu bestimmten Tageszeiten? läuft es immer ganz gleich ab?

Biene: Ja ich bin beim Endokrinologen aber es läuft alles sehr schleppend und schwierig auch mit Terminen und Gesprächen man wartet sehr lange! Welche Erkrankungen gibt es da noch?

Prof. Thomas Henze: da gibt es wahrscheinlich mehrere, die dann wieder unterschiedliche Symptome haben. Da bin ich leider aber nicht der Spezialist.

Allgemein - Toni: Hallöchen, bin nur mal kurz da um alle FROHES NEUES JAHR zu wünschen - bleibt alle negativ!

Moderator Patricia Fleischmann: @Toni: Auch Ihnen ein gutes Neues! Ich hoffe, auch die anderen Chatter sind gut ins Neue Jahr gekommen, bis auf die geschilderten Symptome?

Toni: Lieber Herr Prof. Henze, ich würde gerne erfahren, welches ist das Medikament der Wahl bei Spastik? Gibt es neue bessere Medikamente? Vielen Dank

Prof. Thomas Henze: das Medikament der Wahl gibt es leider nicht, und es gibt auch bislang nichts Neues. Es geht immer um Baclofen, Tizanidin, Sativex und Gabapentin/Pregabalin, vor allem aber Physio. In ganz problematischen Situationen gibt es dann noch einige wenige andere Möglichkeiten.

Privat: Vielen Dank für Ihre Einschätzung!

Prof. Thomas Henze: Gerne geschehen!

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, nur noch wenige Minuten ist der Chat hier geöffnet: eine gute Gelegenheit, noch eine Frage loszuwerden?

Violetta: Danke und ja es gab mehrere normale EEG´s. Die Stürze passieren in ganz unterschiedlichen Zeiten zwischen Nachts und Tags. Ich habe heftige blaue Flecken und greife nach allem, was ich finde -

Prof. Thomas Henze: dann gäbe es noch die Möglichkeit eines 2- oder 3-Tage-EEGs in einer Krankenhaus-Spezialabteilung, dort werden Sie dann solange verkabelt und liegen vor einer Video-Kamera. Pragmatischerweise würde ich Ihnen aber, wenn seitens HNO nichts zu finden war, einfach über längere Zeit mal ein Medikament wie Gabapentin anbieten und Sie müssten aufschreiben, ob diese Ereignisse dann weiter oder auch nicht mehr auftreten.

Violetta: Vielen Dank für Ihre Antworten und Ihre Zeit Prof. Hinze!

Prof. Thomas Henze: Sehr gerne geschehen! Danke an Sie und an alle anderen Teilnehmer für Ihre Fragen.

Flo: Wie schlimm ist Kortison während Corona?

Prof. Thomas Henze: es ist sicher ein etwas größeres Risiko. Cortison-Infusionen bei einem Schub muss man da schon genau überdenken und nur bei wirklich beeinträchtigenden Symptomen durchführen. Ich kenne aber viele Pat., die das während der Pandemie ohne Probleme durchführen konnten.

Biene: Vielen Dank

Prof. Thomas Henze: Sehr gerne.

Kati81: Nachtrag:Würden Sie mir also tatsächlich zur Impfung raten, auch wenn evtl. ein noch nicht abgeklärter Schub vorliegen könnte?

Prof. Thomas Henze: Wahrscheinlich ja, ich müsste aber Sie bzw. Ihren bisherigen Krankheitsverlauf viel besser kennen, als das jetzt der Fall ist. Immerhin ist die Impfung ja außerordentlich gut verträglich und gilt bei MS-Neurologen auch nicht als schubauslösend oder -verschlimmernd.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, haben Sie vielen Dank, dass Sie hier Ihre Fragen gestellt haben! Ein riesiges DANKE geht abermals an Prof. Thomas Henze für sein ehrenamtliches Engagement hier im Multiple-Sklerose-Chat! Weiter geht es am Dienstag, 15 Februar 2022. Näheres wie immer rechtzeitig auf amsel.de Bis dahin: Halten Sie sich tapfer, bleiben Sie so gesund und fröhlich als möglich!

Allgemein - Biene: Vielen Dank nochmal

Redaktion: AMSEL e.V., 18.01.2022