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Medizinische Fragen von Neuerkrankten

"Sie stehen NICHT mit dem Rücken zur Wand." - Besser und einfühlsamer könnte man Neuerkrankten kaum antworten: PD Dr. Mathias Buttmann hier im medizinischen Expertenchat für Menschen mit noch junger MS-Diagnose.

Patricia Fleischmann: Liebe Chat-Teilnehmer, herzlich willkommen! Wie angekündigt antwortet heute PD Dr. Mathias Buttmann auf Ihre medizinischen Fragen im Rahmen des AMSEL-Monats für Neuerkrankte.

PD Dr. med. Mathias Buttmann: Hallo zusammen, einen schönen guten Abend!

Runkelrübe: Hallo, den wünsche ich Ihnen und euch allen anderen natürlich auch

Myri: Bei mir wurde MS nicht im Liquor nachgewiesen (erster Test war nicht eindeutig) muss für eine Medikamentierung eine Eindeutigkeit vorliegen?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Hallo Myri, der Liquorbefund ist nur einer von vielen Bausteinen. Gerade in früheren Stadien der Erkrankung ist es nicht selten, dass der Liquor keinen eindeutigen Befund liefert und trotzdem eine Behandlung eindeutig angezeigt ist.

Myri: Wann kann mit einer Medikamentierung begonnen werden? Denn ich befinde mich definitiv auch laut meiner Neurologin in einer Vorstufe und so geht es mit manchmal auch echt richtig schlecht.
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Wenn die nötigen Untersuchungen abgeschlossen sind, kann mit einer Therapie jederzeit begonnen werden. Man braucht nichts übers Knie brechen, sondern sollte in Ruhe überlegen, aber die Entscheidung am besten auch nicht unnötig hinausschieben.

Myri: Meine Neurologin würde mit Copaxone bei mir jetzt starten? Ich habe eine Schubförmige MS und Probleme mit dem Sehnerv. Und bekanntlich hat man auch nur 2 Augen.
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Copaxone ist eine meist sehr gut verträgliche und auch sehr sichere Therapie mit nachgewiesener Schutzwirkung, die sich schon mehr als 20 Jahre bewährt hat, aber dennoch nicht zum Alteisen gehört.

Tarcilla: schönen guten Abend Dr. Buttmann & Teilnehmer!
Patricia Fleischmann: Schönen guten Abend auch an Sie, Tarcilla!

Björn: Wie komme ich in den Expertenchat rein?
Patricia Fleischmann: Hall Björn, Sie sind schon drin :-)

PD Dr. med. Mathias Buttmann: Hallo Runkelrübe und Tarcilla! Björn, Sie sind schon drin. :-)

Tarcilla: Ich habe Fragen bezüglich der Einnahme von Vitamin D . Wieviel sollte Man nehmen ? Täglich oder wöchentlich?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Es gibt keine festgelegten Regeln. Wichtig ist aus meiner Sicht, auf ultrahohe Dosen zu verzichten. Wenn man in der "Winterreifenzeit" (Oktober bis Ostern) 20.000 IE einmal wöchentlich einnimmt, ist man aus meiner Sicht gut dabei. Ich sehe keine klare Evidenz, dass eine tägliche Einnahme mehr bringt, auch wenn das manche behaupten.

Tarcilla: Zusammen mit Vitamin K?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Ich würde nur Vitamin D3 einnehmen. Insgesamt würde ich den möglichen Nutzen der Vitamin-D3-Einahme nicht überbewerten. Es ist eine ergänzende Maßnahme.

Tarcilla: grüß sie Frau Fleischmann!

Myri: Kann man Medikamente auch Absetzen oder in der Dosierung reduzieren wenn man zu viel vom Wirkstoff bekommt oder man es doch nicht besonders gut verträgt? Und was passiert dann mit den Leukozyten die ja eh schon Ärger machen? Werden es wieder mehr und man hat dann wieder einen Schub?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Es hängt vom Medikament ab. Zum Teil sind die Medikamente in unterschiedlichen Dosierungen zugelassen. Ich würde, wenn möglich, immer bei einer zugelassenen Dosierung zu bleiben versuchen. Wenn man unterdosiert, besteht die Gefahr, dass das Medikament nicht mehr richtig wirkt. In einem solchen Fall würde man eher einen Wechsel zu einem anderen Wirkstoff überlegen.

Tarcilla: Vielen Dank Dr. Buttmann
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Gerne, Tarcilla! :-)

Björn: habe seit juli meine Diagnose MS und habe seit gestern mit der einame der spritzen begonnen. Jetzt versuche ich soviel Imput wie möglich zu bekommen und lese hier intressiert mit.
Patricia Fleischmann: Lieber Björn, das ist auch völlig legitim, hier nur mitzulesen. Schön, dass Sie da sind👋
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Finde ich sehr gut! Sich zu informieren, ist sehr wichtig. Am besten aber nur bei seriösen Quellen wie der AMSEL oder der DMSG, sonst kann am Ende mehr Verwirrung das Ergebnis sein. Vor allem wichtig ist, dass Sie eine Neurologin oder einen Neurologen mit Erfahrung haben, zu der/dem Sie Vertrauen haben.

Runkelrübe: Meine Frage bezieht sich auf den Diagnoseprozess:
Der Umstand ist in diesem Kontext recht brisant, aber meine MS-Diagnose befindet sich noch immer in der Schwebe. Es fehlt offenbar eine korrelierende zeitliche Dissemination, da ich vor knapp zwei Monaten per Zufallsbefund ungeplant im Krankenhaus gelandet bin (gleich mehrere akut entzündete Herde im Hirn). Kurz nach Weihnachten habe ich nach der 3. Covid-Impfung plötzlich Teilparesen in einem Arm und den Beinen entwickelt. Nach einer neurologischen Untersuchung (ohne cMRT) wurde eine psychogene Ursache festgestellt. Diese wir nun von den Neurologen im Krankenhaus als relevant für die Diagnostik betrachtet. Im Liquor wurde nur eine oligoklonale Bande entdeckt. Im Rückenmark gab es eine Läsion (nicht entzündet). Ich bin nun ratlos und verängstigt.
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Ich spekuliere eigentlich ungern auf Basis einiger letztlich unzureichender Informationen. Es klingt für mich aber so, als sei kurz nach Weihnachten möglicherweise eine Myelitis (Rückenmarksentzündung) aufgetreten, die vielleicht dann in der späteren MRT-Kontrolle als nicht entzündet zur Darstellung gelangt ist. Der Umstand, dass Monate später im MRT mehrere akut entzündete Läsionen im Gehirn zur Darstellung gelangten, würde dann eine sog. zeitliche Dissemination (dass also zu mindestens zwei Zeitpunkten eine Entzündung aufgetreten ist) belegen. Es sollte in Anbetracht mehrerer akut entzündeter Herde sehr gut überlegt werden, ob man nicht eine verlaufsmodifizierende Therapie beginnt, wenn die restlichen Befunde nicht dagegen sprechen und alle nötigen Untersuchungen gemacht sind. Ich würde mir ggf. mit allen Unterlagen und MRT-Aufnahmen ausgerüstet eine Zweitmeinung in einem MS-Zentrum einholen.

Lissi: Ich habe momentan nicht direkt eine Frage, aber ich wollte mal sagen, dass ich es toll finde, dass es diesen Chat gibt, da ich die Diagnose vor ca. 9 Monaten erhalten habe und mich damals furchtbar alleine damit gefühlt habe. Ich schließe mich da auch Björn an, ich möchte immer neue Infos erhalten, wie ich möglichst gut mit dieser Krankheit umgehen kann und lange gesund "bleibe".
Patricia Fleischmann: Liebe Lissi, da sind Sie hier genau richtig. Schön, dass Sie da sind👋 @alle: Es gibt hier auch eine Rubrik "Plauderecke". Da dürfen Sie sich gern auch mit andern austauschen, zum Beispiel darüber, wie Sie mit Ihrer Diagnose umgehen, wie es ganz am Anfang für Sie war.
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Das finde ich einen sehr wichtigen Punkt. Es ist sehr wichtig zu sehen, dass es andere gibt, denen es gerade so ähnlich geht, und dass man nicht allein ist. Menschen mit MS sind oft überdurchschnittlich gut informiert, auch gibt es eine starke Interessensvertretung. Wer noch kein Mitglied der AMSEL ist, sollte das rasch werden. Es kostet nicht viel, stärkt aber die Stimme der AMSEL.
Patricia Fleischmann: Dem schließe ich mich gern an. AMSEL lohnt sich! Hier sind ein paar der Vorteile genannt: https://www.amsel.de/amsel-ev/mitgliedschaft/

Tarcilla: Hallo Björn, ich wurde erst letzte Woche diagnostiziert und bekomme morgen die erste Spritze. Irgendwelche Tipps? Wie hast du es vertragen? Bin etwas nervös
Patricia Fleischmann: Liebe Tarcilla, Sie können sich auch in der Plauderecke direkt mit anderen Erkrankten austauschen, wenn Sie möchten.

Tarcilla: Danke Björn! Ich gehe morgen in die Klinik und mir wird alles nochmal erklärt und gezeigt .

Myri: Wer übernimmt die Kosten für die Medikamente? Muss ich gleich einen Befreiungsschein für Chronisch Kranke haben?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Nein, Myri. Wenn ein Medikament gemäß Zulassungkriterien angewendet wird, kann es einfach verschrieben werden. Die Krankenkasse muss und wird dann zahlen.

Runkelrübe: Ich danke Ihnen, Herr Dr. Buttmann!

Runkelrübe: Und jetzt hab ich nun vor Aufregung glatt vergessen, meine Frage zu stellen. Können meine Beschwerden des vergangenen Jahres rückwirkend als Initialschub gewertet werden?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Ich halte es zumindest für sehr gut vorstellbar, dass das so ist. Auch wenn sich das rückblickend nicht mehr mit letzter Sicherheit klären lässt, sollte man schon allein wegen der hohen Aktivität im MRT darüber nachdenken, ob man nicht bald eine verlaufsmodifizierende Behandlung beginnt. Aber nochmal: Das ist ggf. eine Frage für ein MS-Zentrum auf Basis aller bisher erhobenen Befunde. Ich würde nicht einfach abwarten, sondern mir zumindest eine Zweitmeinung einholen, falls Ihnen nicht schon eine Therapie empfohlen wurde.

Tarcilla: Hallo Björn, ich wurde erst letzte Woche diagnostiziert und bekomme morgen die erste Spritze. Irgendwelche Tipps? Wie hast du es vertragen? Bin etwas nervös
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Was wird es denn für eine Spritze, Tarcilla?

Tarcilla: Bin auch jetzt noch überfordert mit all den Begriffen

Tarcilla: Das steht nicht in meinen Entlassungspapiere

Björn: ich spritze mit Rebif

Tarcilla: Ich habe mir den Namen nicht aufgeschrieben weil ich dachte dass es im Entlassungsbericht stehen wird. Daheim nachgeschaut und es ist nicht namentlich genannt. Morgen habe ich den Termin im Krankenhaus Stuttgart bei Dr. Kowalik wo ich dann auch mit der Behandlung beginne

Patricia Fleischmann: @alle: Da hier immer wieder auch einzelne Wirkstoffe Thema sind: Arzt und Patient versuchen, die für den individuellen Patienten und seine MS bestmögliche Medikation gemeinsam zu finden. Da spielt die Wirksamkeitskategorie, Art und Progression des Verlaufs, aber auch Lebensumstände wie Kinderwunsch oder Begleiterkrankungen und vieles mehr mit hinein. Einen ersten guten Überblick über aktuell verfügbare Wirkstoffe bietet MS behandeln

Björn: ist eine Reha zu empfehlen wenn ja auf was muss ich achten ,
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Eine Reha kann speziell dann sinnvoll sein, wenn man alltagsrelevante Einschränkungen durch die MS hat. Gerade zu Erkrankungsbeginn bilden sich Symptome ja oft wieder zurück, wenn man auch manchmal Geduld braucht. Wichtig finde ich für eine Reha, möglichst in eine auf MS spezialisierte Einrichtung zu gehen, auch wenn das gerade mit eben erst gestellter Diagnose unter Umständen nicht ganz einfach ist, da man dort natürlich auch Menschen trifft, die starke Einschränkungen durch ihre MS haben. Ein wichtiges Ziel ist aus meiner Sicht, durch einen von Anfang aktiven Umgang mit der Erkrankung mit konsequenter Therapie (falls diese angezeigt ist) zu verhindern, dass sich viele Schäden im Nervensystem anhäufen. Dann hat man auch langfristig gute Karten. Alle, die hier sind, informieren sich. Das ist gut!

Tarcilla: Gute Frage , Runkelrübe! Ich selber hab bedenken dass ich erst den 1. Schub hatte. Rückblickend hatte ich hier und da mal was aber es nicht gewusst
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Eine ganze Reihe von Studien mit verschiedenen Wirkstoffen hat gezeigt, dass eine verlaufsmodifizierende Therapie nach dem ersten Schub sehr sinnvoll sein kann. Wenn die Diagnose klar ist, ist es meist nicht sinnvoll, einen zweiten Schub abzuwarten. Je weniger Schäden im Nervensystem entstehen, desto besser - gerade langfristig.

Tarcilla: Wenn man zu Depressionen neigt wäre das [hier geht es um Cannabis bzw. Cannabinoide, Anm.d.Red.] eine gute Alternative

Tarcilla: Bei mir war es sofort klar und lt MRT habe ich es auch 2/3 Jahren. Deutlich erkennbar im MRT vom Kopf

Tarcilla: Verrückt alles ! Kann es immer noch nicht glauben

Tarcilla: Myri, ja kannst du .

Tarcilla: Jede größte Stadt hat eine „Cannabis Klinik“ . Soviel ich weiß musst dich dort anmelden und dann wird deine Anfrage von den Ärzten überprüft. Dann bekommt man es von der Apotheke ( bestimmte )

Tarcilla: Bitte nimm mich nicht beim Wort . Ich weiß es nur von der Freundin

Tarcilla: Genaue Info kann ich leide nicht geben

Lissi: Ich hatte tatsächlich noch nie einen Schub, bei mir wurde die MS entdeckt, als ich aus einem anderen Grund im MRT war. Daher mache ich mir manchmal die Hoffnung, dass alles nur eine Fehldiagnose ist, aber leider sind wohl verschiedene Kriterien wie räumliche und zeitliche Dissemination (Folge-MRT) erfüllt. Jetzt frage ich mich manchmal, wie ich wohl einen (beginnenden) Schub erkenne? Damit ich im Fall der Fälle gut reagieren kann. Können Sie mir hier vielleicht weiter helfen, Herr. Dr. Buttmann? Vielen Dank und herzliche Grüße
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Keine einfache Situation, Lissi! Wenn man nur im MRT etwas sieht, aber (noch) keine Symptome aufgetreten sind, sprechen wir vom "radiologisch isolierten Syndrom (RIS)". Wir wissen inzwischen, dass es oft nur eine Frage der Zeit ist, bis dann auch Symptome auftreten, auch wenn das nicht so sein muss. Im Gehirn gibt es viele Stellen mit nicht klar zuordenbarer Funktion, gerade im Großhirn. Hier treten statistisch gesehen 5-10 Entzündungsherde auf, bis mal einer spürbare Symptome macht. Die anderen Herde sind deswegen nicht unwichtig. Aktuell laufen Studien, ob man nicht hier schon therapieren sollte, auch wenn noch keine spürbaren Beschwerden aufgetreten sind. Wenn wiederholt kernspintomographische Krankheitsaktivität nachgewiesen wurde, sollte man auch jetzt schon überlegen, ob man nicht eine Therapie beginnt - auch ohne Beschwerden. Ggf. muss man das zuvor von der Krankenkasse genehmigen lassen. Schubsymptome können sehr vielfältig sein (u.a. Sehstörungen, Gefühlsstörungen, Gleichgewichtsstörungen, motorische Einschränkungen, Blasenstörungen). Wenn Symptome auftreten, die länger als 24 Stunden anhalten, würde ich im Zweifel meinen Neurologen bzw. meine Neurologin fragen, ob das ein Schub sein könnte.

Björn: Ich gehöre zu den eher wenigen MS erkrankten die keine Herde im Kopf haben, und dachte anfangs sogar das es bestimmt eher gut ist doch wie sich herausstellte ist das sogar eher schlechter . stimmt das und wieso ist das so ?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Grundsätzlich sind keine Herde im Kopf natürlich gut. Wenn man aber trotzdem eine MS hat, werden wahrscheinlich Herde im Rückenmark sein. Das ist eine daumendicke Struktur, durch die sehr viele wichtige Nervenkabel laufen. Wenn dort eine Entzündung ist, ist es natürlich nicht gut und sollte man versuchen, die Entzündung gut zu kontrollieren.

Runkelrübe: Vielen Dank, Frau Fleischmann!

Myri: @Tarcilla der Herr Dr. Buttmann ist ja auch noch hier und es gibt ja auch Studien zu solchen Dingen. Ich fand einfach auch die Tatsache interessant, dass es vielleicht bei beiden Dingen helfen kann.

Lissi: Vielen Dank für die Antwort, Herr Dr. Buttmann. Meine Diagnose gilt wohl trotzdem als gesichert und ich nehme bereits Tecfidera, was ich gut vertrage.
Hier kann ich anderen Neu-Betroffen nur Mut machen. Es müssen nicht immer alle aufgeführten Nebenwirkungen eintreten :-)

PD Dr. med. Mathias Buttmann: Das unterschreibe ich voll und ganz, Lissi! Ich habe über die letzten mehr als 20 Jahre (Schreck lass nach, schon so alt?) tausende von Menschen mit einer MS gesehen. Wirklich sehr viele kommen mit ihrer Therapie in jeder Hinsicht hervorragend zurecht. Wenn ich ein Problem mit meinem Medikament habe, habe ich vielleicht nicht das richtige Medikament für mich. Die Auswahl ist inzwischen groß. Nicht verrückt machen lassen und das Vertrauen behalten, dass es positiv weiter gehen wird!

Tarcilla: Danke Frau Fleischmann !

Tarcilla: Dr. Buttmann, was ist ihre Meinung zu Ofatumumab? Ich habe ehrlich gesagt [nicht] Recherchiert und noch im Krankenhaus zugesagt .
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Ofatumumab ist ein relativ neu zugelassenes Medikament, das aber einen Wirkmechanismus hat, der sich in der MS-Therapie schon über viele Jahre bewährt hat. Man ist deshalb kein "Versuchskarnickel". Es handelt sich um eine hoch wirksame Therapie mit einem zugleich günstigen Sicherheitsprofil. Bei einer aktiven schubförmigen MS ist es eine sehr gute Option.

Tarcilla: Dachte Ofatumumab sei die Sprizte
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Ja, so heißt der Wirkstoff. Wird einmal monatlich in die Haut injiziert (außer im 1. Monat, da öfter).

Tarcilla: Danke Dr. Buttmann!

Myri: Ich habe mich in letzter Zeit sehr viel Informiert und gelesen und war auch in Reha. Ich habe dort Patienten getroffen die wohl auch CBD Produkte bekommen um Stimmungsschwankungen zu reduzieren und Stress potenzial zu mindern. Ich habe leider auch mit Depressionen uns Angstzuständen schon zu kämpfen gehabt in meinem Leben fühle mich jetzt zum Teil wieder völlig überfordert. Ich habe schon richtige Antidepressiva bekommen und lehne diese ab weil sie meist in eine nicht sehr erfreuliche Abhängigkeit führen und mir mein Leben auf Grund der Wirkung noch schwieriger gemacht haben.
Kennen Sie diese Studien zu solchen Produkten?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Ich ganz persönlich hätte in dieser Situation zu einem SSRI (z.B. Sertralin) mehr Vertrauen als zu einer Cannabis-Dauereinnahme, auch wenn jede Art von Substanz hier nur begrenzt hilft und nur eine flankierende Maßnahme sein kann. Die genannte Substanzgruppe macht nicht abhängig und verändert auch nicht die Persönlichkeit. Vielleicht wäre eine Gesprächstherapie eine gute Möglichkeit, um besser mit allem umgehen zu lernen?

Tarcilla: Myri, Probier es doch mit Cannabis . Schaden tut es bestimmt nicht . Einer meiner besten Freundin wurde vor 10 Jahren diagnostiziert und verdampft Cannabis
PD Dr. med. Mathias Buttmann: "Schaden tut es bestimmt nicht" würde ich nicht unterschreiben. Ich denke, dass chronischer Cannabis-Konsum (kommt natürlich auch auf die Menge an) die Persönlichkeit verändern kann, auch können bei einem Menschen mit einer Neigung zu bestimmten psychiatrischen Erkrankungen große Probleme entstehen. Ich wäre vorsichtig.

Myri: Denn anscheinend sollen laut Studie auch die Leukozyten daran gehindert werden die Hirnschranke zu durchbrechen und das Myelin zu beschädigen?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Es gibt keine tragfähigen wissenschaftlichen Belege, dass Cannabis bei einer MS die Entzündung relevant dämpft.

Patricia Fleischmann: @Tarcilla & Björn, wenn Sie sich im Expertenchat austauschen, erscheinen Ihre Beiträge immer als Frage an den Experten. Vielleicht könnten Sie sich doch auf die Plauderecke verlegen? Fragen an den Experten wie z.B. BWK12 natürlich gern weiter hier 😀

Myri: @Tarcilla danke für den Tip und bekommt man es dann einfach verschrieben? Ich hab echt keine Ahnung fand aber den Ansatz ganz interessant weil es vor allem vielleicht eine Chance auf einen natürlichen Antidepressiva Stoff ist und die MS somit auch einschränkt. Den Gedanken fand ich dann doch ganz gut.
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Eine natürliche Alternative, die ich besser als Cannabis fände, wäre ein Johanniskraut-Präparat. Hierzu gibt es einige gute kontrollierte Studien. Das wirkt wirklich. Man muss nur etwas aufpassen, weil es die Verstoffwechselung von Medikamenten zum Teil beeinflusst.

Tarcilla: Gute zu wissen das Johanniskraut eine Alternative ist

Björn: Bei mir wurde im MRT ein alter vernarbter Herd BWK12 festgestellt, und ein aktiver Herd in der Halswirbelsäule.
Symtome waren bei mir alle linksseitig .
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Konsequent weiter machen mit Rebif, wenn Sie es gut vertragen, und das MRT (auch Kopf) regelmäßig kontrollieren!

Tarcilla: Wie hast du es nicht vertragen , Runkelrübe?

Tarcilla: Ich hatte einige Herden im Kopf . Und auch im Rücken. Vor allem aber im Kopf :( Muss ich mit da „größere“ Sorgen machen ?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Nicht grundsätzlich. Sie sind dabei, eine sehr gut wirksame Therapie zu beginnen. Das Gehirn kann sehr viel ausgleichen. Wir nennen das Neuroplastizität. Es geht darum, diese Fähigkeit des Gehirns nicht überzustrapazieren. Ich würde positiv nach vorne schauen - nicht einfach so dahin geschrieben, sondern weil ich wirklich Grund dazu für Sie sehe!

Tarcilla: Danke ! Bin erleichtert das zu lesen , Dr. Buttmann!

Tarcilla: Was Bedeutet BWK12?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: 12. Brustwirbelkörper (BWK) von oben gezählt, in dessen Höhe sich etwas im Rückenmark gefunden hat.

Björn: ich persönlich würde mich freuen nur einmal im monat spritzen zu müssen , ich muss mir das 3 mal die woche geben🤨
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Alles hat seine Vor- und seine Nachteile. Dafür stellt Rebif einen weniger ausgeprägten Eingriff ins Immunsystem dar als Ofatumumab. Die Kehrseite ist, dass es nicht so wirksam ist wie Ofatumumab. Keine MS ist aber wie die andere. Es gibt viele Menschen, die keine stärkere Therapie brauchen. Es kommt wirklich sehr auf eine ganz individuelle Abwägung an, was man am besten macht, und auch MS-Experten werden sich nicht immer einig sein, weil jede/r eigene Einstellungen und Erfahrungen hat. Wichtig ist jedenfalls, dass die MS möglichst friedlich bleibt, egal wie man das erreicht.

Weitere Infos, Beratung und Austauschmöglichkeiten für Neuerkrankte

Patricia Fleischmann: @alle: Gerade für diejenigen mit eher frischer Diagnose eine wichtige Info:
Dienstag ist AMSEL-Dienstag, das heißt, es gibt jeden Dienstag online eine Veranstaltung, sei es nun ein Webseminar, ein Couchgespräch, Gespräch mit den MS-Schwester oder wie heute einen Expertenchat. Hier geht's zur Timeline:

Und außerdem bietet die AMSEL teils regelmäßig Webseminare an, etwa Afterwork-Workout bei MS. Mehr zu den Webseminaren hier:

Fast ständig was los ist in unseren Communities, sei es nun das AMSEL-Forum, AMSEL-Facebook und Facebookgruppen oder auch auf Instagram. Forum hier:

, alle Social Coummunities hier:

Weitere Angebote im Rahmen des Monats für Neuerkrankte haben wir hier:

Und natürlich nicht zu vergessen die individuelle Beratung durchs AMSEL-Team:

Also gerade für nicht-medizinische Fragen wie Arbeitsplatz, Rehaantrag, Umgang mit anderen etc.

Tarcilla: Björn, oh nein !!! 3x die Woche ! 😱
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Wenn man Rebif gut verträgt, kann man gut damit umgehen. Wenn man es schlecht verträgt, ist ein Wechsel zu erwägen. Rebif hat seine eigenen großen Vorteile, auch wenn man es dreimal pro Woche injizieren muss.

Runkelrübe: Eine weitere Frage beschäftigt mich noch. Bezogen auf die Menge der Läsionen: Je mehr, desto schlechter die Prognose?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Kann man nicht so grundsätzlich sagen. Es gibt einen gewissen Zusammenhang, doch ist der geringer ausgeprägt, als man intuitiv meinen könnte. Egal, wieviele Läsionen: Es sollten möglichst wenige weitere dazukommen.

Björn: stimmt es das es eine Studie gibt die MS mit der Coronaimpfung in Zusammenhang bringt?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Es gibt keine gut gesicherten Daten, dass eine Coronaimpfung MS auslösen kann, genauso wie es keine gesicherten Hinweise gibt, dass eine Impfung bei bestehender MS das Schubrisiko erhöhen würde. Eine Coronaimpfung wird deshalb von der STIKO allen Menschen mit MS empfohlen.

Lissi: Nimmt Bezug auf den Tipp mit Johanniskraut: Johanniskraut gegen Depression? Oder kann das auch Wirkungen auf die MS haben?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Auf die MS nicht. Ich denke allerdings, dass auch Cannabis keinen relevanten entzündungshemmenden Effekt hat. Hierfür gibt es eine ganze Reihe von anderen Wirkstoffen.

Tarcilla: Wie oft sollte man ein MRT machen lassen zur Kontrolle ?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Das kommt auf die Situation an. Wenn nach der Diagnosestellung eine Therapie begonnen wird, sollte ein halbes Jahr nach Therapiebeginn ein erneutes MRT zum sog. Rebaselining erfolgen. Das ist dann der eigentliche Ausgangsbefund, da dann das Medikament voll greifen sollte. Bei klinischer Stabilität kann dann zunächst jährlich kontrolliert werden, bei jahrelang stabiler MS ggf. auch seltener.

Runkelrübe: Gibt es zur Behandlung eines akuten Schubes eine verträglichere Alternative als Kortison? Das habe ich - gelinde formuliert - überhaupt nicht vertragen.
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Man kann es statt mit 1000 mg pro Infusion mit 500 mg pro Infusion versuchen, was manche besser vertragen. Eine wirkliche Alternative ist eigentlich nur eine Plasmaaustauschbehandlung (Plasmapherese oder Immunadsorption), die aber schon einen ziemlichen Eingriff darstellt und sehr aufwändig ist. Das macht man normalerweise nur dann, wenn Cortison nicht ausreichend anspricht und immer noch stark einschränkende Symptome bestehen.

Björn: vielen Dank für Ihre antworten , in welche Aständen die MRT kopf Machen ?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Zunächst jährlich (bei Ihnen zusätzlich Rückenmark).

Erwin: Sehr geehrter Dr. Buttmann,
bezüglich Diagnostik habe ich eine wichtige Frage für mich und zwar : liqour Untersuchung war positiv, myelitis 2 Herde im MRT , allerdings ist der Neurologe doch etwas stutzig geworden weil ich nur 2 Herde im Kopf habe . Nun meine für mich wichtige Frage : macht es Sinn nach Differentialdiagnostik zu suchen ?
danke
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Hallo Erwin, "nur" zwei Herde im Kopf sprechen überhaupt nicht gegen die Diagnose MS. Nach bestimmten Dingen sollten man schauen (z.B. Borreliose), allerdings macht mich die von Ihnen geschilderte Konstellation nicht stutzig.

Myri: Ich habe laut MRT zwei Stellen im Kopf und keine in der HWS im Moment eine der zwei im Kopf hat sich auch in der Größe schon verändert im letzten Jahr. Und mit dem Sehnerv habe ich auch immer Schwierigkeiten meine Auge hat weiß Überblendungen und ich sehe seit dem letzten Jahr immer schlechter auf dem linken Auge. An manchen Tagen sehe ich gefühlt nur 60 %. Eine Brille trage ich seit meiner Sehnerv Entzündung im letzten Jahr. Da hat man auch die Stellen im Kopf gefunden. Einen sicheren erneuten Schub hatte ich im Februar diesen Jahres. Seit dem habe ich 1,5 Dioptrin links. Und schmerzen im rechten Bein mit Taubheitsgefühlen die immer mal besser sind aber dann auch wieder schlechter. Kopfschmerzen linksseitig vermutlich weil auf dieser Seite immer das Auge völlig unter Stress steht und auch die Läsionen im Kopf an dieser Seite sitzen. Ansonsten gibt es Tage an denen ich mich völlig Erschöpft fühle. Und mir dann einfach alles weh tut und das Ameisenlaufen im Körper gefühlt kein Ende nimmt.
Kann sich mit der Gabe von Copaxone das noch einmal bessern?
Und danke für die Antwort zu CBD ich werde mit meiner Neurologin natürlich auch die psychologische Betreuung besprechen.
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Ich denke, dass sich Ihr Befinden im Verlauf auf jeden Fall bessern kann! Ziehen Sie es konsequent durch mit dem Copaxone und dann sieht man, wie es weiter verläuft. Vielleicht und hoffentlich gut. Falls neue Entzündungsaktivität auftreten würde, hätte man einige Alternativen stärkerer Medikamente. Sie stehen nicht mit dem Rücken zur Wand.

Erwin: Muss das kontroll MRT mit Kontrastmittel sein ?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Bei klinischer Stabilität normalerweise nein.

Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, haben Sie vielen Dank für Ihre Teilnahme! Manchen unter Ihnen wird es vielleicht etwas Überwindung gekostet haben, hier am Chat teilzunehmen, aber sich zu informieren ist natürlich wichtig, gerade bei einer so komplexen chronischen Erkrankung wie der Multiplen Sklerose. Ein besonders großes DANKE geht daher auch an Privatdozent Dr. med. Mathias Buttmann für seine Zeit heute Abend!
Was ich oben in der Linkliste unterschlagen habe, das ist die Möglichkeit, sich in ganz Baden-Württemberg auch persönlich zu treffen, nämlich in den AMSEL-Gruppen:

Weitere Expertenchats gibt es immer am 3. Dienstag im Monat.
Ich wünsche Ihnen allen einen schönen restlichen Abend!
Patricia Fleischmann: Und noch eine Nachricht von Dr. Buttmann: Selbstredend beantwortet er die noch offenen Fragen - vielen Dank auch dafür! Sie dürfen also gern im Chat drin bleiben und mitlesen. Nur Fragen zu stellen geht für heute im Chat nicht mehr.

lasse: Würden Sie im Falle einer MS Erkrankung eher in ein MS Zentrum gehen zur Routineuntersuchung oder zu einem niedergelassenen Neurologen?
PD Dr. med. Mathias Buttmann: Auf jeden Fall zu einem niedergelassenen Neurologen. Eine feste, wohnortnahe Bezugsperson, die in Notfällen verfügbar ist, ist wichtig. Eine zusätzliche Anbindung an ein MS-Zentrum kann sinnvoll sein, falls die MS komplizierter ist. Gut wäre, wenn der Neurologe oder die Neurologin ein MS-Zentrum hat, mit dem eine gute Zusammenarbeit besteht. Idealerweise ergänzen beide einander.

PD Dr. med. Mathias Buttmann: @Tarcilla: Ja, Differenzialdiagnostik bedeutet, andere Erkrankungen durch geeignete Untersuchungen auszuschließen.

PD Dr. med. Mathias Buttmann: So, ich hoffe, ich habe alle Fragen an mich beantwortet und nichts übersehen, falls doch, bitte ich um Entschuldigung! Danke an alle, die sich so rege am Chat beteiligt oder auch einfach nur mitgelesen haben! Ihnen allen wünsche ich alles Liebe und Gute! Eine MS kann gerade am Anfang sehr aufregend und bedrohlich sein und große Sorgen machen, verliert dann aber zum Glück im Verlauf meist sehr viel von ihrem Schrecken. Zum Glück haben wir inzwischen so viele Möglichkeiten, eine MS gut zu behandeln und zu verhindern, dass sich immer mehr Schäden anhäufen. Wichtig ist, von Anfang an aktiv mit der Erkrankung umzugehen, so wie Sie das alle tun! Dann kann man auch langfristig sehr gute Karten haben. Dafür drücke ich Ihnen allen die Daumen!

Runkelrübe: Hab ich mir das gerade eingebildet und gibt es die Option, anschließend ein Chatprotokoll lesen zu können?
Patricia Fleischmann: Genau so ist es. Die Chatprotokolle sind – meist bereits am Chatabend, sonst wenige Tage nach dem Chat – im Chatarchiv zu finden:

Tarc: Leider kann ich im Forum nicht mehr schreiben und hoffe es kommt so an: . Vielen Dank für ihre Zeit Herr Dr. Buttmann & Frau Fleischmann

Tarc: An allen anderen : ich wünsche euch allen alles Gute und erfolgreiche Therapien!

Myri: Ich wollte mich auch noch Bedanken bei Herr Buttmann mit der Beantwortung meiner ersten 3 Fragen hat er mir schon echt weiter geholfen. Medikament JA KLAR besser früh als zu spät. 👍️ Sehr gut kann ich also starten. DANKE

Lissi: Von mir auch alles Gute an alle, die mit im Boot sitzen und Danke an Dr. Buttmann und Fr. Fleischmann!

Redaktion: AMSEL e.V., 22.09.2022