Spenden und Helfen

Diagnose der MS & ihrer Symptome

17.02.09 - Die Liquordiagnostik ist ein wichtiger diagnostischer Baustein, so Prof. Dr. Christof Klötzsch im AMSEL-Expertenchat.

Moderator Patricia Fleischmann: Einen schönen Abend an alle Chatter und ganz besonders an Prof. Dr. Christof Klötzsch, der heute Fragen zur Diagnose beantwortet. Ein weites Feld - wir sind gespannt auf Ihre Beiträge!

Karo: ich habe die diagnose ms 2006 bekommen, war aber vorher schon in der augenklinik wegen doppelbildern und hatte vorher auch schon gleichgewichtsstörungen und taubheitsgefühle, war aber immer nur eingebildet krank. ich befürchte das ich seit der schwangerschaft mit meinem sohn vor 17 jahren an ms leide. kann mir heute ein arzt sagen seit wann ich die ms habe ? mit befunden zb.

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Nein, im Rückblick kann kein Arzt präzise beantworten, wann eine MS begonnen hat. Wenn schon vor 17 Jahren entsprechende Untersuchungen gemacht worden wären, könnte man zumindest die Frage beantworten, ob damals eine MS die Ursache für die körperlichen Beschwerden war.

 
 
prof. christof Klötzsch
 
 
 

Ärztlicher Leiter der Akutneurologie Kliniken Schmieder Allensbach & Neurologische Abteilung im Hegau-Bodensee-Klinikum Singen

  • Facharzt für Neurologie, Zusatzbezeichnungen "Spezielle Neurologische Intensivmedizin", Ausbilder und Seminarleiter Neurosonologie der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM) und der Deutschen Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie (DGKN)
  • gesamtes Spektrum der Akutversorgung neurologischer Erkrankungen

fonty: welche andern krankheiten gilt es bei verdacht auf ms auszuschließen? und wie sehen die diagnoseverfahren aus?

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Die Differentialdiagnostik gehört auf jeden Fall in die Hände eines Neurologen. Welche Erkrankungen von einer MS unterschieden werden müssen hängt von den klinischen Symptomen, den MRT und Liquorbefunden und vom Alter ab.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, Sie können sich auch gern untereinander austauschen über ihre Erfahrungen mit der Diagnose zum Beispiel. Einfach in das Feld "Allgemeiner Beitrag" schreiben und abschicken, dann können die andern antworten.

Pia: Hallo u. guten Abend. ich hatte eine Vorabfrage per mail geschickt. Ist sie angekommen?

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Zumindest bei mir ist keine Voranfrage angekommen.

Pia: Vor kurzem habe ich eine Meldung gelesen, dass jetzt auch Copaxone als Frühtherapie zugelassen ist. Kann ich es also bekommen auch wenn ich seit 3 Jahren "nur" die Verdachtsdiagnose habe, aber große Probleme mit der Belastbarkeit u. immer wieder wechselnde Beschwerden ohne eindeutigen Befund?

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Die Befunde (klinischer Befund, MRT, Liquor) müssen eindeutig mit dem Vorliegen einer MS vereinbar sein, dann kann auch Copaxone in der Frühtherapie eingesetzt werden.

Marina: Guten Abend Herr Prof., mein Neurologe schickte mich nach klassischer MS-Symptomatik zum MRT, bei dem keine Entzündungsherde im Gehirn, sondern im Rückenmark festgestellt wurden. Jetzt möchte er noch eine Lumbalpunktion machen. Wird die Liquor-Diagnostik nicht überbewertet? Vielen Dank vorab!

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Nein, die Liquordiagnostik ist ein wichtiger diagnostischer Baustein, da sich bei 90% der MS-Patienten Zeichen einer chronischen Entzündung mit entsprechenden Eiweissveränderungen im Liquor nachweisen lassen. Darüber hinaus hilft die Liquoruntersuchung bei der Abgrenzung zu Manifestationen einer Neuroborreliose. MRT-Herde bei Neuroborreliose sind im Vergleich zur MS viel seltener, aber die Pat. selbst sind häufig durch Medienberichte stark verunsichert und wünschen dann auch die Abklärung.

Moderator Patricia Fleischmann: @Pia: Schön, dass Sie doch Zeit gefunden haben, persönlich reinzuschauen. Dann brauche ich Ihre Vorabfrage ja nicht mehr einzustellen.

Jimi (vorab): Ich habe seit 1992 MS mittlerweile SPMS. Ic herhalte momentan Mitoxinfusionen in der UNI Würzburg. Eine grundlegende Besserung meiner Symptome wie Gehfähigkeit, Sehen, Gefühsstörungen, Spastik gab es bis jetzt noch nicht. Allerdings bin ich stabil geblieben, Größere weitere Ausfälle gab es nicht mehr. Hat es Sinn die Therapie weiterzuführen, mittlerweile habe ich 67 mg KOF oder sollte ich wieder auf die Behandlung mit Interferonen zurückkehren (ich spritzte sieben Jahre lang REBIF 44)? Vielen Dank für Ihre Antwort.

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Wenn trotz Interferongabe die MS stark progredient ist, sollte eskaliert werden. Mitox bietet sich durch den verhältnismäßig raschen Wirkungseintritt dafür an. Wenn nach einem Jahr Behandlungsdauer keine weitere Verschlechterung eingetreten ist, dann ist das auf jeden Fall ein Therapieerfolg. Wenn auch die Zahl der Herde stabil geblieben ist, kann man überlegen nach 1 Jahr Mitox auf Copaxone umzustellen. Dazu gibt es gerade auch bei den Würzburger Kollegen gut Erfahrungen. Ich persönlich würde in einem solchen Fall nicht auf Interferon zurückgehen, da die Verschlechterung unter Interferon aufgetreten ist. Das gilt natürlich auch für die umgekehrte Situation mit Copaxone.

Moderator Patricia Fleischmann: Wie gesagt: Sie können sich auch gern untereinander austauschen über ihre Erfahrungen mit der Diagnose zum Beispiel. Einfach in das Feld "Allgemeiner Beitrag" schreiben und abschicken.

Marina: Vielen Dank! Noch eine Frage, da sich mein Neurologe hier sehr bedeckt hält, um wahrscheinlich keine Panik zu schüren. Aber kann man MS denn nicht jetzt schon ausschließen, wenn es keine Läsionen im Gehirn-MRT gibt? Oder muss da nochmal eine MRT-Aufnahme in ein paar Monaten erfolgen?

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Es gibt MS-Verlaufsformen bei denen über Jahre hinweg ausschließlich spinale Herde auftreten. Wenn mehrere Herde im Rückenmark zu unterschiedlichen Zeitpunkten auftreten, der Liquor typische Veränderungen zeigt und vielleicht auch noch eine Sehnervbeteiligung durch VEP nachweisbar ist, kann man die Diagnose stellen und sollte eine Therapie einleiten. Wenn ein Patient einen einzigen spinalen Herd und sonst gar nichts hat, dann kann es sich auch um eine virus-vermittelte Myelitis handeln. Dann sind Verlaufskontrollen mit dem MRT (Schädel + Rückenmark) das Richtige.

Pia: Gut dann also das Ganze noch einmal. ich hatte vor 3 Jahren eine Querschnittmyelitis. Entlassungsdiagnose CIS mit dringlichem Verdacht auf MS. Im Liquor gering erhöhte ZZ, gering erhöhtes Eiweiß, Keine oligoklonalen Banden. Keine BHR erhältlich, EVP z.T. verzögert, Parästhesien in Beiden Beinen bis zur Hüfte mit Fremdkörpergefühl in den Füßen. Vörrübergehende Beeinträchtigung der Blasenfunktion. Im MRT 10. BWK 5x5mm gr. Herd, HWS streifenförmige Signalunregelmäßigkeiten. Ich hatte Probleme mit dem Gleichgewicht, musste mich auf das Laufen sehr konzentrieren. Nach etwa 9 Monaten war im MRT nichts mehr zu sehen. Ich habe aber bis heute Beschwerden, wie extrem schnelle Ermüdbarkeit,Schmerzen, nicht lange Laufen können,Probleme mit Gedächtnis u. Konzentration ect. Die MRT`s wurden immer mit 1,5 Tesla gemacht. Ist es mgl. das eine stärkere Feldstärke angewendet werden müßte, um etwas zu sehen? In letzter Zeit habe ich oft Probleme mit der Blase. Wie kann ich endlich erfahren, was mit mir los ist? Danke.

Prof. Dr. Christof Klötzsch: 1 eindeutiger Herd im Rückenmark, keine oligoklonalen Banden, im Verlauf Normalisierung des MRT Befundes. In einem solchen Fall kann man die Diagnose einer MS nicht stellen, vielmehr muss man mit den gegenwärtigen Informationen von einer (Virus-)Myelitis mit Restsymptomen ausgehen. Generell heißt höhere Feldstärke beim MRT nicht, dass unsichtbare Herde sichtbar werden. Ich würde das MRT, die VEP, SEP, MEP sowie Liquor (!) kontrollieren.

Pia: Wie kann ich mich an eine MS-Ambulanz wenden? Brauche ich unbedingt eine Überweisung vom Neurologen, oder kann dies auch der HA machen? Meine Neurologin ist mittlerweile der Meinung die verbliebenen Beschwerden seien psychosomatisch. Ich habe ihr aber damals beim ersten Schub einige Sachen nicht erzählt (z,b. Blasenstörungen) weil es mir einfach peinlich war u. ich sicher auch unter Schock stand. Jetzt scheint sie die ganze Sache nicht mehr so ernst zu nehmen. Ich traue mich nicht, sie um diese Überweisung zu bitten.

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Ich glaube ihre Neurologin wird sie unterstützen, wenn sie eine 2.Meinung in einem MS-Zentrum einholen wollen. Wenn die dortigen Kollegen die Einschätzung ihrer Neurologin teilen, sollten sie sich aber auch auf eine Behandlung der psychosomatischen Störung einlassen. Der Leidensdruck ist schließlich bei körperlichen und psychosomatischen Störungen gleich, nur letztere kann man nicht selten viel besser behandeln !

Pia: Wäre es denn sinnvoll, mit Copaxone zu beginnen, wenn zwar ständige Beschwerden da sind, aber im MRT nichts eindeutig zu finden ist? Angeblich kann man doch damit eine Manifestation zur sicheren MS evtl. verzögern, oder sogar vermeiden?

Prof. Dr. Christof Klötzsch: habe ich an anderer Stelle schon beantwortet.

dagmar: hallo herr dr. Klötzsch.. auch ich habe eine frage. Seit einigen Jahren laborier ich mit einer fraglichen MS rum??? Die Banden sind positiv, IGG und Albumine im Liquor ebenso....im marklager hochparietal rechts und links sind läsionen...ebenso im Mesenscephalon. Und kein Neuro kann oder will mir sagen, ob diese "Symptome" reichen um eine MS zu diagnostizieren. Wohl aber habe ich "Schübe, sprich 2-3mal im Jahr deutliche neurologische Ausfallserscheinungen. ICh bin etwas verzweifelt...da eine andere Neuro(meine war krank als ich den Termin hatte, und eine Vertretungsneuro saß hinter dem SChreibtisch) meinte...."Und warum spritzen sie nicht...." Quasi ob ich bescheuert wäre meine Gesundheit so aufs Spiel zu setzen. Aber fakt ist..ich weiß nicht mal ob ich eine MS habe. Was meinen Sie dazu Liebe Grüße Dagmar

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Also ich habe noch nie versucht meinen Pat. auszureden eine 2.Meinung einzuholen. Ich würde ihnen deshalb dringend raten, ihren Fall in einer neurologischen Fachabteilung in ihrer Nähe noch einmal aufrollen zu lassen. Dies sollte in Heimatnähe erfolgen, um auch die Weiterbetreuung zu gewährleisten. Als die Interferone auf den Markt kamen vertrat man die Ansicht: Teure Therapie, warten wir erst mal ab und wer schlechter wird, kann dann immer noch Interferon erhalten. Heute ist bewiesen, dass der frühzeitige Therapiebeginn einen maßgeblichen Einfluss auf den späteren Zustand hat.

Marina: Entschuldigung, ich bin da nicht so firm. Wie sieht eine VEP-Untersuchung genau aus? Muss diese stationär oder kann sie auch ambulant erfolgen? Danke!!

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Sorry, VEP: Visuell-evozierte Potentiale, der Pat. schaut auf ein Schachbrettmuster und dabei wird die Hirnaktivität über dem Sehzentrum abgeleitet. Indirekt kann man Funktionsstörungen des Sehnerven nachweisen, selbst wenn der Pat. die Seheinschränkung gar nicht wahrnimmt.

dagmar: nochmal ich...ich habe vergessen zu sagen: SEP VEP waren o.B. Auch keine Doppelbilder, dafür eine Blasenschwäche und Parese des re. Arms und eine Bradydiadochokinese...und der Radiologe meinte...die Läsionen würden nicht zu einer MS passen? Was meinte dann aber die Vertretungsneuro? Dagmar

Prof. Dr. Christof Klötzsch: War das ein Radiologe oder ein Neuroradiologe ? Nur der Einschätzung eines Neuroradiologen würde ich Bedeutung beimessen. Es gibt auch bei jungen Menschen seltene Erkrankungen der kleinen Blutgefäße, die winzige Durchblutungsstörungen im Gehirn verursachen und gelegentlich mit einer MS verwechselt werden.

Pia: Aber wenn die Myelitis durch einen Virus verursacht ist, kann sie dann wie bei mir auch zu extremer Wärmeempfindlichkeit, dieser fiesen Müdigkeit ect. führen u. jahreandauernden Beschwerden führen? Ich hatte auch Jahre zuvor schon Probleme mit den Füßen (ungefähr 6 Monate) u. etwa 6 Monate vor der Myelitis Fremkörpergefühl in der Bauchdecke. Mein HA stellte damals alle mgl. intenistischen Untersuchungen ohne Befund an. Ich ignorierte dann noch etwa 6 Mo. diese Beschwerden, bis es endlich weg war. Irgendwann fängt man an zu zweifeln! Ich möchte nur endlich wieder körperlich belastbar werden. Ich gehe zwar arbeiten (bin Krankenschwester;-))), aber nach Feierabend ist mit mir nichts mehr los u. ich habe zwei kleine wilde Kinder!!! Ist es mgl. das auch früher schon dieser eine Herd aktiv war u. heute so verheilt ist, das nichts mehr im MRT zu sehen ist??

Prof. Dr. Christof Klötzsch: habe ich an anderer Stelle schon beantwortet.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, nach 20 Uhr rast die Zeit uns immer wieder davon. Daher: Wenn Ihnen weitere Fragen unter den Nägeln brennen, dann bitte gleich heraus damit...

Pit: Hallo, meine Frau hat Diagnose MS mit >20 Läsionen im MRT beim ersten (und bisher einzigen) Schub in 08/2007. Damals hauptsächlisch Augenbeschwerden. Nun treten seit einigen Wochen "Kribbelgefühle" am Arm auf, wo bisher noch nie Störungen aufgetreten sind. Laut Neurologe wird von "Schub" erst bei Störungen im Alltag gesprochen. Wenn nun leichte Störungen an neuer Stelle auftreten, sind das evtl. Anzeichen für schleichende Verlaufsform?

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Also wenn neue Störungen über mehr als 1-3 Tage anhalten, dann ist das ein neuer Schub, egal ob die Störung alltagsrelevant ist oder nicht. Bei >20 Herden zum Zeitpunkt der Diagnosestellung rennt man dem Geschehen hinterher. Ich würde dringend eine Kontrollbildgebung empfehlen, um dann entscheiden zu können, ob die aktuelle Therapie ausreicht oder eskaliert werden muss.

Pia: Muss ich mich also damit abfinden, mich tgl. schlecht zu fühlen u. nichts dagegen tun zu dürfen, bis eine eindeutige Diagnose steht? Ich denke früher Therapiebeginn ist so wichtig. Ich kann jetzt schon kaum noch eine halbe Stunde ohne Beschwerden laufen. Die Kraft in den Beinen wird bei Sport weniger statt mehr ect.

Prof. Dr. Christof Klötzsch: habe ich an anderer Stelle schon beantwortet.

Lisa: Guten Abend Dr. Klötzsch, ich erlebe in jüngster Zeit eine deutliche Verschlimmerung der Syptome der MS. Mein rechtes Bein wird zunehmend auch pelzig und taub, bisher war vor allem mein linkes Bein betroffen, ich kann es aus der Leiste heraus nur eingeschränkt bewegen, auch die Finger der rechten Hand lassen sich nun seit etwa einem Monat nicht mehr frei bewegen. Bei einem MRT des Kopfes und des Rückenmarks der HWS mit Kontrastmittel konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass die MS aktiv ist. Nun meine Frage: Kann man nun sicher sein , dass die MS gerade nicht aktiv ist, oder ist es möglicherweise nur nicht feststellbar. Ich fühle mich zur Zeit auch eher sehr müde. Dies noch zur Information. Ich habe eine PPMS. Es ist rückblickend ein langer schleichender Prozess. Bisher wurde nur ein MRT von der HWS des Rückenmarks gemacht. Wäre es nicht wichtig die Situation vom ganzen Rückenmark zu wissen ?

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Bei den chronisch progredienten Verlaufsformen der MS beobachten wir immer wieder Verschlechterungen ohne dass Kontrastmittelaufnahme erkennbar ist. Über die Zeit zeigt sich aber, dass alte Herde größer werden oder schleichend weitere Herde dazugekommen sind. Die Verschlechterung der Hand spricht dafür, dass entweder das Halsmark oder das Gehirn der Ort der Schädigung sind. Deshalb muss jetzt kein MRT der unteren Wirbelsäule gemacht werden.

Marina: Okay, verstehe! Dann habe ich die Untersuchung wohl schon hinter mir. Sehstörungen wie z.B. wenn "rot" auf "blau" Geschriebenes unangenehm "blinkt" könnten hier auch ein Hinweis sein oder ist das eher Zufall? Liegen denn die Diagnosen Myelitis und MS öfters nah beieinander? Kann aus einer Myelitis unbehandelt eine MS entstehen?

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Farbwahrnehmungsstörungen können Hinweis für eine Sehnervschädigung sein, deshalb prüft der Neurologe mit der Ishihara-Tafel (bunte Punkte zeigen Zahlen/Buchstaben vor buntem Hintergrund). Eine Myelitis kann durch Viren, Bakterien (Borrelien) oder autoimmunologisch (MS) entstehen. Nur die MS macht wiederholte Herde an unterschiedlichen Stellen.

dagmar: es war ein neuroradiologe. zum Thema jung..ich bin 38. :-) sind bei durchblutungsstörungen die Banden im Liquor dann auch positiv? Dagmar

Prof. Dr. Christof Klötzsch: jein! Eine Gefäßentzündung kann positive oligoklonale Banden im Liquor und Durchblutungsstörungen im Gehirn verursachen. Andere mikroangiopathische seltene Erkrankungen wie CADASIL oder Pseudoxanthoma elasticum verursachen keine Liquorveränderungen.

Pia: Können sie sich vorstellen, das diese Myelitis durch eine chronisch hohe Hg-Belastung ausgelöst wurde, was vielleicht auch die jahrelangen Beschwerden vor dem Schub erklären könnte. Mittlerweile ist es aber nur noch bei 8 Microgramm ( vorher 450) Aber wenn das Hg ausgeleitet ist, müssten doch auch die Beschwerden weggehen, oder???

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Für die anderen Leser: Mit Hg meinen sie offensichtlich Quecksilber. Diplomatisch ausgedrückt ist die Bedeutung von Quecksilber bei der MS umstritten. Es gibt überhaupt keine einzige wirklich seriöse Studie von MS-Experten die einen Zusammenhang zwischen Quecksilber und MS stützt. Aber das Thema bietet ein weites Betätigungsfeld für selbst ernannte Experten, die zum Teil auch kommerzielle Interessen verfolgen.

Pia: Tritt eine virusbedingte Myelitis immer akut auf, oder kann sie sich auch über Monate einschleichen u. dann eskalieren?

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Die in unseren Regionen auftretenden Virusmyelitiden manifestieren sich akut und nicht schleichend.

Pia: Für wie wichtig halten sie Omega 3- FS zur Vorbeugung der Entzündungsprozesse?

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Ehrlich gesagt halte ich davon garnichts.

Pia: Bei mir hat sich der Schub aber über etwa 3 Monate eingeschlichen. Spricht doch dann eher gegen eine solche,oder?

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Offensichtlich gibt es in ihrem Fall diagnostische Probleme. Ohne Befunde sollte man sich als Arzt dann nicht auf das Feld der Spekulation begeben. Ich empfehle ihnen die Vorstellung in einer auf MS spezialisierten Abteilung in Wohnortnähe.

Lisa: Ich würde gerne noch eine Frage stellen. Wie gehen Sie mit einer PPMS therapeutisch um. Geben Sie Medikamente. Außer Krankengymnastik und kein Stress !!! tue ich eigentlich nichts dagegen. Mein Neurologe meinte, die einzige Möglichkeit sind Cortisoninfusionen alle 3 Monate, aber der Erfolg ist sehr fraglich, und eigentlich ist er nicht dafür.

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Wenn die Pat. durch die PPMS zunehmend von den Beinen kommen, diskutieren wir eine Mitox-Gabe über ein Jahr als Heilversuch. Ein gewisser Prozentsatz an Pat. profitiert davon, die Datenlage insgesamt ist aber schlecht. Dasselbe gilt für die intermittierende Cortisonpulstherapie. Ich persönlich würde es bei starker Behinderung mit Mitox probieren und wenn das nicht hilft auch die Cortisonpulstherapie versuchen.

Moderator Patricia Fleischmann: Puh, gleich 20:10 Uhr und noch acht offene Fragen. An dieser Stelle möchte ich auf den Beratungsservice der AMSEL hinweisen, der von einem Psychologen, einem Sozialarbeiter und einer MS-Schwester betreut wird. Hier können Sie jederzeit, also auch zwischen den Chats, per E-Mail Fragen stellen - einfach an beratungsteam@amsel.de schreiben.

Moderator Patricia Fleischmann: Außerdem können Sie die Mitglieder des Ärztlichen Beirates der AMSEL über expertenrat@amsel.de erreichen.

Pia: Ich habe schon vor etwa 8 Jahren bemerkt, das die Kraft in den Beinen bei Belastung schneller nachläßt ect. Kann es auch eine schleichende MS mit aufgesetztem Schub sein u. deshalb keine eindeutigen Befunde???? Vielen dank für den Chat!!!!

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Eindeutige Herde im MRT gehören zwingend zur Diagnose der MS, alles andere ist Spekulation.

Marina: Vielen, lieben Dank!! Sie haben mir sehr geholfen!! Alles Gute für Sie!!

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Besten Dank,

Moderator Patricia Fleischmann: @ Pia & Marina: Was den Chat angeht: sehr gerne, dafür sind wir da. Und die AMSEL-Onlineredaktion ist sehr froh darüber, so kompetente Neurologen wie Prof. Klötzsch dafür gewinnen zu können!

Pit: im MRT 4 Monate nach Beginn Betaferon-Therapie wurde eine leichte Verkleinerung der Herde festgestellt. Wenn neue Beschwerden auftreten, heißt das, dass Betaferon nicht ausreicht? Wie kann man schleichenden von schubförmigen Verlauf unterscheiden?

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Die Interferon-Wirkung entwickelt sich über 2-3 Monate, dann kann man erst den vollen Effekt erwarten. Dieser besteht in Minderung der Schubhäufigkeit und Schubschwere, nicht in der Rückbildung der Herde. Bei einem Teil der Pat. keine Schubfreiheit erzielt, trotzdem würde es den Pat. ohne Immunmodulation noch schlechter gehen. Schubförmiger Verlauf heißt, dass sich innerhalb weniger Tage Verschlechterungen entwickeln, die sich dann über Wochen ganz/teilweise oder garnicht zurückbilden.

dagmar: nun gut...ich werde wohl den 3ten neurologen bitten eine Meinung zu bilden. Mir ists fast egal wie das Kind heißt...nur tuen sollte ich was..sonst habe ich bald keine Tassen mehr im Schrank ;-) denn die sind dank Ataxie und Tremor schon den Bach runter..Danke für ihre Meinung. Liebe Grüße Dagmar

Prof. Dr. Christof Klötzsch: ja, bleiben sie am Ball, sie müssen schließlich auch die Konsequenzen der Erkrankung ertragen.

Pit: Vielen Dank für die Antworten!

Prof. Dr. Christof Klötzsch: o.k.

Moderator Patricia Fleischmann: @ Pia: Noch ein persönlicher Hinweis, da ich sehe, wieviel Sie hier posten. Es ist höchst unangenehm, Symptome wie Mattigkeit etc. zu verspüren, das Gefühl zu haben, den Alltag nicht mehr bewältigen zu können und dafür keine "Lösung", wenigstens in Form einer eindeutigen Diagnose zu haben. Je nach Verlauf kann sich die Diagnose sehr in die Länge ziehen. Prof. Klötzsch kann hier nur auf die einzelnen Schilderungen eingehen, die Sie beschreiben. Ein umfassendes Bild, und daraus eines Tages eine genaue Diagnose kann natürlich nur das persönliche Vorstellen bei Neurologen ergeben. Ein Ja oder Nein auf die Frage, ob es MS ist, kann dieser Chat sicher nicht bieten. Eine Zweitmeinung ist ein gangbarer Weg, wie Prof. Klötzsch bereits angemerkt hat. - Ich wünsche Ihnen jedenfalls alles Gute und drücke die Daumen, dass Sie bald eine Lösung finden und die akzeptieren können.

Moderator Patricia Fleischmann: Liebe Chatter, bitte sehen Sie von weiteren Fragen ab, da der Chat offiziell um 20.30 Uhr schließt. Danke für Ihre rege Teilnahme und allen noch einen schönen restlichen Abend! Dank vor allem natürlich an Prof. Klötzsch für sein Engagement hier im AMSEL-Chat!

Lisa: Ich bedanke mich für Ihre Antworten und verabschiede mich.

Prof. Dr. Christof Klötzsch: Gern geschehen!

Redaktion: AMSEL e.V., 17.02.2009