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Scharfe Kritik an Gesundheitsreform

Der Paritätische warnt vor einem Ausbluten der Gesetzlichen Krankenkassen. Den Privaten fehlten Anreize, sich auch um chronisch Kranke und behinderte Menschen zu kümmern.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisiert den vorliegenden Gesetzesentwurf des Bundesgesundheitsministeriums zur Gesundheitsreform scharf. Die Regierungspläne, der Privaten Krankenversicherung (PKV) weitere Vorteile einzuräumen, ohne sie an den Kosten zu beteiligen, sei ein Schlag ins Gesicht aller chronisch kranken und behinderten Menschen und beschere den gesetzlichen Krankenkassen Verluste in Milliardenhöhe.

Der Verband fordert daher die Einbeziehung der PKV in den Risikostrukturausgleich. "Die staatlich geförderte Rosinenpickerei der Privaten Krankenversicherung auf Kosten der Schwächsten in unserer Gesellschaft ist unerträglich unsozial und muss gestoppt werden", kritisiert Eberhard Jüttner, Vorsitzender des Paritätischen Gesamtverbandes. Es sei ein Skandal, wie die Bundesregierung Gutverdienende und gesunde Versicherte nahezu dazu drängt, sich aus der Solidargemeinschaft in die Private Krankenversicherung zu flüchten.

Sehenden Auges

Der Paritätische rechnet damit, dass mit der Neuregelung über 360.000 besonders gesunde und einkommensstarke Versicherte jährlich in die PKV wechseln werden. Die Bundesregierung nehme damit sehenden Auges ein langsames Ausbluten der Gesetzlichen Krankenversicherung in Kauf. Nach Schätzungen des Verbandes drohten den Gesetzlichen Krankenkassen Finanzverluste von jährlich rund 1,8 Milliarden Euro.

Der Paritätische fordert die sofortige Einbeziehung der Privaten Krankenversicherung in den Risikostrukturausgleich. "Ein fairer Wettbewerb setzt vergleichbare Wettbewerbsbedingungen voraus", so Eberhard Jüttner. Nur so erhielten auch die Privaten Krankenversicherungen einen Anreiz, sich stärker um chronisch kranke und behinderte Menschen zu bemühen.

Kosten auf breitere Schulter verteilen

Mittelfristig sei ein Systemwechsel hin zu einer sozialen Bürgerversicherung notwendig. "Durch die Einführung einer Bürgerversicherung können wir unser Gesundheitssystem zukunftsfest machen und sicherstellen, dass jeder Mensch die medizinische Versorgung erhält, die er braucht. Gesundheit darf in unserem Land nicht zum Luxus werden", so Jüttner. Indem die Kosten auf breitere Schultern verteilt würden, ließen sich die Beiträge insgesamt deutlich reduzieren, so der Verband. Unter dem Dach des Paritätischen engagieren sich 110 Selbsthilfeorganisationen, darunter auch AMSEL e.V., und rund 30.000 gesundheitsbezogene Selbsthilfegruppen chronisch kranker und behinderter Menschen.

Daran dürften auch die Maßnahmen, denen der Bundestag jüngst zugestimmt hat, - das "Gesetz zur nachhaltigen und sozial ausgewogenen Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung" - nichts ändern. Darin ist zwar von einem "unbürokratischen und automatischen Sozialausgleich" die Rede. Bezahlt wird der allerdings aus Steuermitteln, also von der Allgemeinheit. Die privaten Krankenversicherungen bleiben weiter außen vor.

Quelle: Pressemitteilung des Paritätischen, September 2010; Pressemitteilung des Bundesministeriums für Gesundheit, 12.11.2010

Redaktion: AMSEL e.V., 24.11.2010