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Rechtsansprüche durchsetzen – Teil 4

Die Anspruchsvoraussetzungen für einzelne Leistungen sind in zahlreichen Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien etc. geregelt. Doch so unterschiedlich die Leistungen der einzelnen Rechtsbereiche auch sind, viele der allgemeinen Rahmenbedingungen und rechtlichen Grundlagen sind identisch. Die Beachtung dieser allgemeinen Regeln kann für die Durchsetzung der eigenen Ansprüche von großer Bedeutung sein.

Die mehrteilige „together“-Serie gibt einen Überblick über die Rechtsansprüche MS-Erkrankter. Teil 1 „Recht auf Beratung“, Teil 2 „Das Wunsch- und Wahlrecht“, Teil 3 „Antragstellung“.

Verfahrensdauer

Die Leistungsträger sollen über Anträge grundsätzlich so schnell wie möglich entscheiden. Dennoch können sich Antragsverfahren über Wochen und Monate hinziehen. Dafür gibt es verschiedene Gründe. Häufig sind die Antragsunterlagen nicht vollständig und es müssen Informationen nachgereicht werden. Oft müssen auch erforderliche Unterlagen bei einer anderen Stelle oder beim behandelnden Arzt angefordert werden. Ein weiterer Grund für zeitliche Verzögerungen ist das Einholen von Gutachten. Bei Anträgen auf Leistungen zur Teilhabe gem. § 4 SGB 9 stellt der Rehabilitationsträger innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang fest, ob er für die Leistung zuständig ist (§ 14 SGB 9). Falls nicht, leitet er den Antrag weiter. Ist er zuständig, muss er innerhalb von drei Wochen nach Antragseingang entscheiden. Allerdings nur, wenn kein Gutachten einzuholen ist. Wird ein Gutachten benötigt, ist die Entscheidung zwei Wochen nach Vorliegen des Gutachtens zu treffen.

Für den Bereich der Pflegeversicherung gibt es klare gesetzliche Regelungen hinsichtlich der Bearbeitungsdauer. Die Pflegekasse muss spätestens fünf Wochen nach Antragseingang entscheiden. In bestimmten Fällen, z.B. bei stationärem Aufenthalt, auch früher. Insgesamt hat der Antragsteller selbst nur sehr begrenzte Möglichkeiten auf eine Beschleunigung des Verfahrens hinzuwirken („Antragstellung“ together 3/19). Verzögert sich aber eine Bearbeitung unverhältnismäßig lange, ohne dass dafür ein besonderer Grund vorliegt, kann man Beschwerde einlegen. Unter bestimmten Voraussetzungen kann man die notwendige Leistung auch selbst beschaffen und dann Kostenerstattung vom zuständigen Träger fordern.

Fristen

Fristen zum Einlegen eines Widerspruchs oder zur Einreichung einer Klage sind unbedingt einzuhalten. In sozialrechtlichen Angelegenheiten beträgt diese Frist häufig einen Monat und beginnt mit dem Zugang der Entscheidung. Zum Nachweis des terminlichen Zugangs ist es ratsam, den Briefumschlag mit dem Poststempel aufzubewahren. Zur Wahrung der Frist ist es erforderlich, dass der Widerspruch oder die Klage bei der zuständigen Stelle, bzw. dem Gericht spätestens am letzten Tag vor Ablauf der Frist schriftlich vorliegt. Auch hier ist der Posteingang ent- scheidend, nicht das Versanddatum. Wurde eine Frist versäumt, ist die Entscheidung bestandskräftig und kann nicht mehr angefochten werden. Falls möglich, kann man einen neuen Antrag stellen. Bei unverschuldeter Fristversäumnis besteht auch die Möglichkeit der sogenannten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Man wird dann so behandelt als hätte man die Frist nicht versäumt. Bei Sorgfaltspflichtverletzungen ist dies aber nicht möglich. Zur Sorgfaltspflicht zählt auch die Sicherstellung einer regelmäßigen Kontrolle des eigenen Posteingangs, insbesondere auch bei längerer Abwesenheit.

Akteneinsicht

Die Behörde hat den Beteiligten Einsicht in die das Verfahren betreffenden Akten zu gestatten, soweit deren Kenntnis zur Geltendmachung oder Verteidigung ihrer rechtlichen Interessen erforderlich ist. So steht es in § 25 SGB 10. Jeder Bürger hat also die Möglichkeit, in einem Verwaltungsverfahren in eigener Sache Einsicht in die Akten zu verlangen. Diese Akteneinsicht kann nur in Ausnahmefällen verweigert werden, wenn die Vorgänge wegen der berechtigten Interessen der Beteiligten oder dritter Personen geheim gehalten werden müssen. Ein solches Geheimhaltungsinteresse besteht aber nur selten, so dass in der Regel die Akteneinsicht gewährt wird.

Aber warum überhaupt Akteneinsicht? Hierzu muss man wissen, dass alle Behörden ja letztlich nach Aktenlage entscheiden. Auch wenn vor- her Gutachten eingeholt werden, die Entscheidungen treffen letztlich die Sachbearbeiter der Behörden. Die Entscheidung des Sachbearbeiters ist aber immer nur so gut, wie die Informationen in den Akten sind. Deshalb kann es durchaus wichtig sein zu wissen, was der Gutachter oder der Arzt im eigenen Fall geschrieben hat und ob dies aktuell, vollständig und inhaltlich richtig ist. Wenn man also eine Entscheidung verstehen oder sich dagegen wehren möchte, ist es immer wichtig zu prüfen, was steht in den Akten.

Selbst beschaffte Leistungen

Das Recht, sich eine Leistung selbst zu beschaffen, besteht insbesondere auch dann, wenn eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbracht werden kann oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt wurde. Der Leistungsträger ist dann zur Kostenerstattung verpflichtet (§ 18 SGB 9). Der Antragsteller muss in diesen Fällen aber nachweisen, dass die Leistung tatsächlich unaufschiebbar war (weil sonst z.B. gesundheitliche Nachteile konkret gedroht hätten) oder dass die Leistung zu Unrecht verweigert wurde. Gelingt dieser Nachweis nicht, bleibt der Antragsteller auf seinen Kosten sitzen. Deshalb sollte man immer genau abwägen, ob man das mit der Selbstbeschaffung einhergehende Risiko eingehen möchte und kann.

Genehmigungsfiktion

Seit Januar 2018 erfasst die Genehmigungsfiktion ausdrücklich auch Leistungen zur Teilhabe (§ 18 SGB 9). Ein Leistungsantrag kann unter bestimmten Voraussetzungen dann als genehmigt betrachtet werden, wenn ohne Begründung des Kostenträgers die Bearbeitungsfrist von zwei Monaten ab Antragseingang abläuft und keine Entscheidung mitgeteilt wurde.

 

Bei Fragen zu Rechtsansprüchen und weiteren Themen rund um die MS hilft auch gerne das Beratungsteam der AMSEL weiter. Hier finden Sie alle Kontaktmöglichkeiten.

 

Quelle: together 4.19

Redaktion: AMSEL e.V., 05.01.2020