Der Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte sowie der Bundesverband Selbsthilfe Körperbehinderter (BSK) sind mit ihrer Verbandsklage gegen das Eisenbahn-Bundesamt vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig gescheitert. Die Leipziger Richter entschieden am 5. April, dass Bahnunternehmen nicht verpflichtet seien, behindertengerechte Zugänge zu Bahnsteigen anzubieten oder diese zu erhalten (Aktenzeichen 9 C 1.05 und 9 C 2.05).
Ausgang des Verfahrens enttäuscht
„Das Behindertengleichstellungsgesetz erweist sich damit als zahnloser Tiger“, so Katja Kruse, Rechtsexpertin beim Bundesverband für Körper- und Mehrfachbehinderte. „Statt Menschen mit Behinderung eine selbstbestimmte Lebensführung zu ermöglichen, erlaubt es das Beseitigen eines Bahnsteiges, der bislang für Rollstuhlfahrer/innen zugänglich und damit barrierefrei war.“
Durch das im Mai 2002 in Kraft getretene Behinderten-Gleichstellungsgesetz (BGSG) war unter anderem auch eine Vorschrift der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) geändert worden. Kernpunkt des Rechtsstreits war die Frage, ob sich aus dieser Vorschrift konkrete Anforderungen an die Barrierefreiheit beim Umbau einzelner Bahnsteige ergeben. Die Richter verneinten dies. „Damit ist jetzt der Gesetzgeber aufgerufen, die EBO nachzubessern“, fordert Kruse.
„Die Beseitigung behindertengerechter Zugänge zu Bahnsteigen schränkt die Mobilität ein und verhindert die gleichberechtigte Teilhabe von behinderten Menschen am Leben in der Gesellschaft. Im Eisenbahnrecht muss deshalb ein ausdrückliches Verschlechterungsverbot verankert werden.“
Negativ-Beispiel Oberkochen
Hintergrund für die Verbandsklage ist der Umbau des Bahnhofes in Oberkochen (Baden-Württemberg). Der bislang ebenerdig zugängliche Bahnsteig ist nach dem Umbau nur noch über zwei Treppen sowie eine Fußgängerunterführung erreichbar. Der Einbau von Aufzügen soll nach den Richtlinien der Deutschen Bahn erst dann erfolgen, wenn die Station täglich von mehr als 1.000 Fahrgästen genutzt wird.
Durch § 13 des am 1. Mai 2002 in Kraft getretenen Behinderten-Gleichstellungsgesetzes ist es anerkannten Bundesverbänden behinderter Menschen erstmals möglich, bei Verstößen gegen bestimmte Vorschriften des Behinderteng-Geichstellungsgesetzes eine Verbandsklage zu erheben. Sie ist dann zulässig, wenn das Anliegen von allgemeiner Bedeutung ist.
Redaktion: AMSEL e.V., 10.04.2006