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Zytokine im Gehirn und Immunsignale aus der Darmflora bei Multipler Sklerose

Im Mittelpunkt der diesjährigen Verleihung der Sobek-Forschungspreise standen die Vorträge der beiden aktuellen Preisträger, Prof. Dr. rer. nat. Ari Waisman und Dr. med. Veit Rothhammer sowie der Bericht von Prof. Dr. med. Ralf Gold, Sobek-Forschungspreisträger 2011. - Mit Fotostrecke zu der Veranstaltung in Stuttgart vom 25. November 2016.

Bereits zum 17. Mal zeichnete die Roman, Marga und Mareille Sobek-Stiftung MS-Forscher für ihre herausragenden wissenschaftlichen Leistungen in der Erforschung der Multiplen Sklerose aus. Der Sobek-Forschungspreis 2016 ging an Prof. Dr. rer. nat. Ari Waisman und der Sobek-Nachwuchspreis an Dr. med. Veit Rothhammer. Rund 300 Gäste kamen ins Stuttgarter Neue Schloss und erfuhren die spannenden Forschungsergebnisse aus erster Hand - von den Wissenschaftlern selbst.

Fotostrecke

Ausgezeichnete Wissenschaft. Forscher aus Mainz und München standen bei der 17. Preisverleihung der Sobek-Stiftung am 25.11.2016 im Mittelpunkt.

Prof. Jost Goller, Kuratoriumsvorsitzender der Sobek-Stiftung begrüßte Preisträger und Gäste und lobte: "Die Preisträger haben es sich zur Lebensaufgabe gemacht, komplexe Realitäten des Lebens strukturiert zu entschlüsseln und daraus logische Schlussfolgerungen zu ziehen." Welche das im Falle der diesjährigen Preisträger waren, würdigten ihre Laudatoren.

Ministerialdirektor Ulrich Steinbach, Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst freute sich sehr über die Veranstaltung, die jedes Jahr unter der Schirmherrschaft seines Ministeriums stattfindet. Das Preisgeld in Höhe von 100.000 Euro werde die Forschung über MS vorantreiben. Das gebe Mut und Zuversicht, dass viel getan werde.
Professor Waisman gehöre in die Reihe exzellenter Wissenschaftler auf dem Gebiet der Multiple Sklerose-Forschung. "Er hat mit seiner Arbeit Herausragendes geleistet und damit den Weg für die Entwicklung neuer Therapien geebnet. Dieses Engagement hilft, die Symptome der MS-Erkrankung erträglicher zu machen und den Betroffenen mehr Lebensqualität zu schenken", würdigte Steinbach in seiner Laudatio. Gleichzeitig hob er die große internationale Anerkennung Institutsdirektors für Molekulare Medizin der Universität Mainz hervor, der seine Forschungsergebnisse seit 1990 in über 150 wissenschaftlichen Originalarbeiten publiziert hat - oft in erfolgreichen Kooperationen mit anderen Forscherinnen und Forschern, darunter auch Sobek-Preisträger vergangener Jahre.

Brain Storm(ing) - Wie Zytokine das Gehirn attackieren

Der 55-jährige Immunologe hat tiefere Einblicke in die Rolle und Regulation von Entzündungszellen im Gehirn ermöglicht. Ihm gelang es zu zeigen, wie ein bestimmtes Zytokin das Gehirn attackiert. Im Neuen Schloss erklärte der "israelische Brasilianer", wie sich Prof. Ari Waisman selbst bezeichnete, den Einsatz einer bestimmten Gentechnik, um das Zytokin Il-17 bei verschiedenen Zelltypen zu testen. Mittels des sogenannten "Conditional Gene Targeting" konnten er und sein Team den Rezeptor für Il-17 auf verschiedenen Zellen ausschalten. Es zeigte sich, dass dies bei Zellen des Immunsystems, also hauptsächlich T-Zellen und B-Zellen keine Rolle spielte. Sehr wohl machte der Il-17-Rezeptor bei den Zellen der Blut-Hirn-Schranke einen Unterschied.
Hier waren es vor allem die zahlreichen Endothelzellen, die einen großen Einfluss auf die Stärke der Modell-MS hatten. Sobald der Rezeptor dieser Zellen ausgeschaltet war, verschwand die Krankheit fast völlig. Eine sehr wichtige Erkenntnis, um weitere Ziele für die MS-Therapie in den Fokus zu nehmen - für eine bessere Behandlung und mehr Lebensqualität der Menschen mit Multipler Sklerose. Und nur ein kleiner aktueller Einblick in die MS-Forschungsarbeit von Prof. Dr. rer. nat. Ari Waismann, wenngleich ein bahnbrechender Arbeitsschwerpunkt des aktuellen Sobek-Preisträgers.

Darmflora und Zytokine

Stoffwechselprodukte aus der Darmflora und Zytokine im Zentralen Nervensystem (ZNS) stehen im Fokus der Forschungen des Sobek-Nachwuchspreisträgers 2016, Dr. med. Veith Rothhammer. Ihn stellte Prof. Dr. med. Klaus V. Toyka vor. Das zentrale Forschungsthema Rothhammers, so der Vorsitzende des wissenschaftlichen Beirats der Sobek-Stiftung, seien atypische T-Zellen bei der Experimentellen autoimmunen Enzephalomyelitis und der MS. Dies sind Zellen, die an der Schnittstelle des angeborenen und erworbenen Immunsystems stehen und in der Lage sind, auf Umweltfaktoren zu reagieren und dadurch Entzündungsvorgänge zu modulieren. Zur Zeit führe Rothhammer mit einem Stipendium der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) seine Forschungen in Boston weiter. Mit seinen bisherigen Ergebnissen habe der Sobek-Nachwuchspreisträger eine bahnbrechende wissenschaftliche Leistung geboten, die neue therapeutische Strategien zur Behandlung entzündlicher Erkrankungen des Zentralen Nervensystems (ZNS) nahelegt.

In seinem Kurzvortrag erläuterte Dr. med. Veit Rothhammer (37) von der Neurologischen Klinik der Technischen Universität München, wie Vorgänge im Darm über freigesetzte Botenstoffe und Stoffwechselprodukte direkt Astrozyten des Gehirns beeinflussen können. Astrozyten, auch Stern- oder auch Spinnenzellen genannt, bilden die Mehrheit der Gliazellen im zentralen Nervensystem. Rothhammer konnte am Erkrankungsmodell den Weg zeigen, wie Stoffwechselprodukte von Darmbakterien über freigesetzte Botenstoffe Astrozyten des Gehirns dahingehend beeinflussen, dass sie weniger entzündungsfördernde Mediatoren bilden. Dies ist für die Entzündung bei MS günstig. Der Sobek-Nachwuchspreis ist mit 10.000 Euro Preisgeld dotiert.

MS und chronische Polyneuritis

Prof. Dr. med. Ralf Gold, Bochum, der 2011 mit dem Sobek-Forschungspreis ausgezeichnet worden war, gab einen Überblick über seine Forschungen der vergangenen 5 Jahre. Sie galt u.a. der chronischen Polyneuritis, einer "oft stiefmütterlich" behandelten Erkrankung des peripheren Nervensystems. Sowohl MS als auch die Polyneuritis sind Autoimmunerkrankungen, die entweder schubförmig oder chronisch progredient verlaufen. Zielzellen der Zerstörung sind bei der MS die Oligodendrozyten, bei der Polyneuritis die Schwann-Zellen. Gold untersuchte, inwiefern die Substanzen Fumarat und Fingolimod Nervenfasern des peripheren Nervensystems vor dem Untergang geschützt werden können. Im Tierversuch zeigte sich, dass beide Wirkstoffe Entzündung verringern und Nervenfasern schützen.

Gernot Kaes, Vorsitzender der Sobek Stiftung dankte in seinem Schlusswort allen, die zur Preisverleihung beigetragen haben, "inhaltlich, musikalisch, organisatorisch". Die musikalische Umrahmung der feierlichen Veranstaltung boten die "Renninger Xylophoniker".

Die Sobek-Stiftung mit Sitz in Renningen lobt seit dem Jahr 2000 den Sobek-Forschungspreis aus. Gründer sind die Darmstädter Eheleute Roman und Marga sowie ihre Tochter Mareille, die an MS erkrankt war. Die 1994 gegründete Stiftung vergibt jährlich den mit 100.000 Euro dotierten Sobek-Forschungspreis und den mit 10.000 Euro dotierten Sobek-Nachwuchspreis.

Redaktion: AMSEL e.V., 29.11.2016