Spenden und Helfen

Wirkmechanismus von neuem Medikament gegen Multiple Sklerose entdeckt

Dimethylfumarat blockiert Rezeptor und hemmt die Einwanderung von Entzündungszellen ins zentrale Nervensystem. Das haben Wissenschaftler der Max-Planck-Gesellschaft entdeckt.

 

 

Quelle; MPI f. Herz- und Lungenforschung

Ausschnitt des Rückenmarks von Mäusen unter dem Fluoreszenzmikroskop: DMF wirkt auf die hier rot markierten Immunzellen, deren Aktivität die Schäden an den Nervenzellen verursacht (blau: Zellkerne).

Seit einigen Wochen erst ist Dimethylfumarat in Europa für die Basistherapie von Multipler Sklerose zugelassen. Obwohl dessen Wirksamkeit in klinischen Studien belegt ist, war der zugrunde liegende Wirkmechanismus bislang noch unbekannt.

Wissenschaftlern vom Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim und der Universität zu Lübeck ist es nun gelungen, diesen zu entschlüsseln. Sie hoffen, mit Hilfe dieses Wissens wirksamere Therapeutika entwickeln zu können.

Beteiligt waren Wissenschaftler aus den Arbeitsgruppen von Nina Wettschureck am Max-Planck-Institut für Herz- und Lungenforschung in Bad Nauheim sowie Markus Schwaninger vom Institut für Experimentelle und Klinische Pharmakologie und Toxikologie der Universität zu Lübeck.

Die Forscher verwendeten in ihrer Studie ein standardisiertes Mausmodell für Multiple Sklerose. Bei diesem Modell werden Mäuse mit Bestandteilen von Myelin immunisiert. Dies führt bei den Tieren zu neurologischen Ausfällen ähnlich der Multiplen Sklerose. "Die Mäuse, die wir mit DMF behandelt hatten, konnten sich im Vergleich zur Kontrollgruppe deutlich besser bewegen", so Wettschureck.

Therapeutische Wirkung über den HCA2-Rezeptor

Dem Wirkmechanismus sind die Forscher auf die Spur gekommen, indem sie genetisch veränderte Mäuse in gleicher Weise behandelt haben: "Bei Mäusen, denen das Gen für einen Rezeptor mit dem Namen HCA2 fehlt, konnte DMF das Auftreten von Lähmungserscheinungen nicht verhindern", so Schwaninger. Die therapeutische Wirkung des DMF wird folglich über den HCA2-Rezeptor vermittelt.

Bei HCA2 handelt es sich um einen sogenannten G-Protein-gekoppelten Rezeptor, der unter anderem auf einem bestimmten Typ weißer Blutkörperchen vorkommt, den neutrophilen Granulozyten. "Bei Tieren, die mit DMF behandelt wurden, waren viel weniger Granulozyten in das Nervensystem eingewandert als bei unbehandelten Tieren. Bei den Tieren, denen der HCA2-Rezeptor fehlte, blieb die Zahl der eingewanderten Granulozyten trotz Behandlung mit DMF unverändert hoch", sagte Schwaninger.

In weiteren Experimenten an Zellkulturen fanden die Wissenschaftler heraus, dass die Aktivierung des HCA2-Rezeptors für die Einwanderung der weißen Blutkörperchen in das zentrale Nervensystem verantwortlich ist. DMF blockiert diese Einwanderung und verhindert so die Entzündung. "Mit unserer Studie konnten wir erstmals zeigen, dass die Schutzwirkung von DMF auf dem HCA2-Rezeptor beruht. Wir schließen aber nicht aus, dass es noch weitere Mechanismen gibt", stellte Wettschureck fest.

Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler herausfinden, warum Patienten unterschiedlich gut auf die Behandlung mit DMF ansprechen. "Es könnte sein, dass individuelle genetische Unterschiede die Wirksamkeit von DMF beeinflussen", so Schwaninger. Zukünftig könnten also Therapieverfahren gezielt auf den einzelnen Patienten abgestimmt werden, eine Vorgehensweise, die als personalisierte Medizin bezeichnet wird.

Darüber hinaus wollen die Forscher nach weiteren Substanzen suchen, die an den HCA2-Rezeptor binden. "Idealerweise finden wir einen Stoff mit vergleichbarer oder sogar besserer Wirksamkeit, der aber geringere Nebenwirkungen verursacht", so Wettschureck. Die Bad Nauheimer und Lübecker Wissenschaftler erhoffen sich davon die Entwicklung neuartiger Therapeutika für die Behandlung von Multipler Sklerose mit verbessertem Wirkungs- und Nebenwirkungsprofil.

Quelle: Max-Planck-Institut, MH/HR, 01.04.2014

Redaktion: AMSEL e.V., 01.04.2014