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Therapieansätze, die Mut machen

Der chronisch entzündlichen Erkrankung Multiple Sklerose durch erfolgsversprechende Therapieansätze entgegentreten - eine Vortragsreihe in Ulm

Rund 12.000 Menschen in Baden-Württemberg leiden an der Multiplen Sklerose (MS). Weit verbreitet ist das Vorurteil, dass diese chronisch entzündliche Erkrankung des Nervensystems zwangsläufig zu einem Leben im Rollstuhl führt. Mut machen jedoch neue und erfolgversprechende Therapieansätze, die im Rahmen einer Vortragsreihe des Selbsthilfeverbands "AMSEL" im Ulmer Stadthaus erläutert wurden.

Neue Therapieansätze, die Mut machen

Die Ursachen der Multiplen Sklerose sind noch nicht vollständig geklärt, wie der Ulmer Neurologe und Psychiater

Dr. Michael Lang in seinem Referat über "Aktuelle Aspekte und moderne Behandlungskonzepte aus schulmedizinischer Sicht" berichtete. Vermutet wird ein wohl vererbter Defekt im Immunsystem, der nach einer krankhaften Infektreaktion zur Bildung von Antikörpern führt. Diese Antikörper und Abwehrzellen zerstören die weiße Substanz im Gehirn und Rückenmark, vor allem die sogenannten Myelinscheiden. Das Myelin ist eine fetthaltige Isolationshülle, die unsere Nerven spiralförmig umwickelt und für die störungsfreie Weiterleitung der elektrischen Impulse am Nerv entlang verantwortlich ist. Durch ihre Zerstörung kommt es zur "Entmarkung", gefolgt von einer elektrischen Leitungsblockade und neurologischen Symptomen.

Der Rollstuhl ist nicht unausweichlich

Je früher die Diagnose gestellt und mit einer konsequenten Behandlung begonnen wird, umso größer sind die Chancen, dem Zellschwund und damit verbundenen Degenerationspro-zessen vorzubeugen und so irreversible Behinderungen zu vermeiden. "Die Diagnose Multiple Sklerose bedeutet das Leiden an einer chronischen Krankheit, aber keine unausweichliche Schwerstbehinderung!", betonte der Facharzt. Obwohl die Multiple Sklerose bislang nicht heilbar ist, zeichnen sich neue und erfolgversprechende Therapieansätze ab. Beispiele hierfür sind die Schubtherapie mit Cortison oder auch die Immuntherapie mit Interferonen. Nach dem deutschen Heilmittelgesetz noch nicht zugelassen sind die sogenannten Immunglobuline, "hilfreiche Substanzen, die wir hier leider nicht anwenden dürfen. In anderen Ländern sind sie schon erlaubt", erläuterte Dr. Lang. Die häufig im Zusammenhang mit MS genannte Stammzelltransplantation ist für ihn derzeit nicht diskutabel. Das Problem sei, wie und wohin transplantiert werden solle. Auch das Entartungsrisiko der transplantierten Stammzellen sei nicht geklärt.

Bei der Therapie der MS treten häufig Schwierigkeiten auf. Medikamentöse Behandlungen werden beispielsweise zu früh und unnötig abgebrochen. Darüber hinaus werden MS-Patienten nach Meinung des Facharztes zu früh berentet. Und nur bei jedem fünften Patienten erfolge ein Rehabilitationsversuch, bemängelte Lang.

Eine erfolgreiche MS-Therapie erfordert heute den frühestmöglichen und konsequenten Einsatz der verfügbaren Medikation und die aktive Mitarbeit eines informierten Patienten. Zur Bewältigung der Krankheit ist zudem eine begleitende Betreuung und Therapie hilfreich. Hier setzt z.B. die Ulmer Patientenakademie "NeuroPoint" an: Ein Arzt moderiert den Gedanken- und Erfahrungstausch von betroffenen Patienten. Durch Information soll den Patienten die Angst vor der Krankheit genommen werden. Das Vertrauen in Behandlungsmöglichkeiten wird geweckt und gestärkt, für den Alltag werden Perspektiven aufgezeigt.

Alternative Behandlung

Rund zwei Drittel aller MS-Patienten wenden im Laufe ihrer Erkrankung auch alternative Therapien an. "Alternative und schulmedizinische Behandlungskonzepte dürfen nicht primär gegensätzlich eingestuft werden und können sich sinnvoll ergänzen", weiß Dr. Lang aus langjähriger Erfahrung. Allerdings gebe es in diesem Bereich auch viele unseriöse "Heiler", die sich zu Unrecht Alternativmediziner nennen würden.

Als seriöses, die Schulmedizin unterstützendes Konzept hat sich die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) erwiesen,

über die der Ulmer Arzt Dr. Ulrich März im Rahmen der Vortragsreihe referierte. In der Therapie der Multiplen Sklerose finden parallel zum Einsatz "westlicher" Medikamente die verschiedenen Therapiemethoden der TCM ihre Anwendung. Außer der klassischen Nadel-Akupunktur oder der modernen Laser-Akupunktur werden je nach Symptomlage auch Arzneimittelrezepturen verschrieben, diätetische Ratschläge nach chinesischer Syndromdiagnostik gegeben, manuelle Therapie als Tuina oder Akupressur angewendet oder Qigong-Übungen als heilgymnastische Ergänzung gelehrt. Gemeinsamer "Angriffspunkt" mit der westlichen Medizin ist die Modulation des Immunsystems: Durch den fachkundigen Einsatz der TCM kann bei jedem Patienten für dessen individuelles Beschwer-debild eine Therapiestrategie entwickelt werden, die ein optimales Milieu schafft, um ge-meinsam mit der westlichen Medizin dem Fortschreiten der chronischen Erkrankung Einhalt zu gebieten.

Erleichterung bei vielen Beschwerden

Die verschiedenen Symptome der Multiplen Sklerose und ihre Behandlungsmöglichkeiten zeigte Prof. Dr. med. Horst Wiethölter, Stuttgart, auf, der als Mitglied des ärztlichen Beirats der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft e.V. fungiert. Muskelverkrampfungen und erhöhte Muskelspannung, Schmerzen, Blasen- und Darmentleerungsstörungen, Schluck- und Sprechstörungen, Zittern, Gleichgewichtsstörungen oder neuropsychologische Symptome wie Depression oder das Müdigkeits-Syndrom (Fatigue): Die Schulmedizin erreicht heute durch Medikamente, Verhaltenstherapie und unterstützende technische Hilfsmittel bei vielen Symptomen der Multiplen Sklerose Erleichterung und Besserung.

26. März 2004

Redaktion: AMSEL e.V., 26.03.2004