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Schmerzfrei, aber langsam?

Marihuana verschlechtert die Kognition bei Multiple-Sklerose-Betroffenen zusätzlich. Medizinische Cannabinoide unterdrücken diese "Nebenwirkung".

Ob Schmerzen, Spastik oder beides: Dass Marihuana diese MS-Symptome unterdrückt, haben einige Betroffene herausgefunden und sich zu Nutze gemacht. Noch sind Cannabinoide nicht gegen Spastik bei MS zugelassen, also warum nicht Marihuana rauchen oder schlucken?

Ganz einfach: Weil Marihuana-Konsum die kognitiven Fähigkeiten zusätzlich herabsetzt, so das Ergebnis einer kanadischen Studie. Mit Erinnerungsstörungen, Langsamkeit und kleinem Arbeitsgedächtnis haben viele Multiple-Sklerose-Kranke ohnehin schon zu tun. Die meisten ereilen kognitive Störungen irgendwann in ihrer MS-Laufbahn. Marihuana allerdings steigert diese Störungen noch, wie kanadische Forscher herausgefunden haben. Die Ergebnisse sind nun in Neurology veröffentlicht.

Dazu verglichen sie je 25 Menschen mit Multipler Sklerose zwischen 18 und 65. 25, die Marihuana regelmäßig konsumierten, und 25 "Matches" - MS-Betroffene, deren Alter, Geschlecht, Intelligenz vor Diagnose, Dauer der Erkrankung und Behinderungsgrad zu der Konsumentengruppe passte.

Die Kognitionstests sprachen sich deutlich gegen den Konsum von Marihuana aus: Aufmerksamkeit, Denktempo, Reaktion und visuelle Aufnahmefähigkeit waren deutlich herabgesetzt gegenüber der "cleanen" Gruppe. Die Informationsverarbeitung war um ein Drittel geringer. Marihuana-Konsumenten wurden doppelt so häufig als "global kognititiv behindert" eingeordnet wie Nicht-Konsumenten (global kognitiv behindert bedeutet, dass mindestens zwei Aspekte der kognitiven Funktionen beeinträchtigt sind).

"Nachdem ohnehin 40 bis 60 % der Patienten Probleme mit der Kognition haben, ist jede Droge, die diese Last vergrößert, ein Anlass zur Sorge", sagt Studienautor Anthony Feinstein, MPhil, MD, PhD, Sunnybrook Health Services Center und University of Toronto in Ontario, Kanada. Die Vorteile müssten gegenüber den Nachteilen abgewogen werden. Also schmerzfrei und dafür langsam oder Schmerzen bei schnellem Reaktionsvermögen? Die Studie wurde von der Multiple Sclerosis Society of Canada gefördert.

So viel zur Droge Marihuana und zu der kanadischen Studie mit nur wenigen Teilnehmern. Was ist jedoch mit medizinischen Auszügen aus der Pflanze, den "Cannabinoiden", die zum Beispiel als Mundspray unter dem Markennamen "Sativex" bereits in einigen Ländern Europas und vermutlich noch 2011 in Deutschland bei MS-bedingter Spastik zugelassen wird? Als Nebenwirkung sind hier mitunter Rauschzustände angegeben, jedoch geht man davon aus, dass diese selten vorkommen und sie sind natürlich auch nicht Ziel der Behandlung. Eine Abhängigkeit ist nicht zu befürchten. Inwiefern Cannabinoide ebenfalls einen Einfluss auf die kognitiven Fähigkeiten haben könnten und wie groß dieser Einfluss wäre, bleibt abzuwarten.

Quelle: AAN / Neurology, 28.03.2011

Redaktion: AMSEL e.V., 30.03.2011