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Schmerzen werden gerne ignoriert

21.10.04 - Und sind doch ein häufiges Symptom bei MS. 61 Prozent klagen darüber, wie bereits seit Jahren bekannt ist.

Schmerzen bei MS - das ist ein Thema in der Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe (MSTKG) im Ärztlichen Beirat des DMSG Bundesverbandes. Bereits 1999 widmete sich eine Studie an der Marianne-Strauß-Klinik am Starnberger See unter Dr. Walter Pöllmann der Einjahresprävalenz von Schmerzen.

Studie

Untersucht wurden dort 157 konsekutiv stationär aufgenommene Patienten mit klinisch eindeutiger Multipler Sklerose, darunter 90 Frauen und 67 Männer im Alter zwischen 19 und 85 Jahren und einem Behinderungsgrad (EDSS) zwischen 1,0 und 8,5. Die Datenerfassung erfolgte persönlich und standardisiert mit Klassifizierung der Schmerzsyndrome, wobei in die Auswertung nur schwere Schmerzen (VAS mindestens 4/ 10) aufgenommen wurden, die innerhalb der vergangenen 12 Monate mindestens dreimalig und/ oder über einen Zeitraum von einer Woche kontinuierlich aufgetreten waren.

Ergebnisse

61% der 157 Patienten litten an 176 Schmerzsyndromen: am häufigsten wurden beklagt Kopfschmerzen (40%), schmerzhafte Missempfindungen (19%), Kreuzschmerzen (17%) und schmerzhafte Spastik (11%). 12% der Schmerzen wurden als schlimmstes MS-Symptom benannt, bei 68% wurde die Versorgung durch vorbehandelnde Ärzte als unbefriedigend angesehen. Dies galt überraschenderweise auch für den am häufigsten diagnostizierten Schmerz, die Migräne, wo klare Therapieempfehlungen existieren. Somit besteht dringender ärztlicher Handlungsbedarf zu einer verbesserten Wahrnehmung von Schmerzen bei MS-Patienten, schlossen die Wissenschaftler aus dem Ergebnis.

Konsensuspapier 2004

Folgendes steht zusammenfassend zu Schmerzen bei Multipler Sklerose in den "Empfehlungen zur Symptomatischen Therapie" der Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe (MSTKG) im Ärztlichen Beirat des DMSG Bundesverbandes:

"Schmerzen bei Multiple Sklerose sind ein bisher immer noch zu wenig beachtetes Symptom. Sie können MS-bedingt sein; häufig kommt es aber auch zu Überschneidungen mit anderen Erkrankungen, z.B. bei Kopf- und Rückenschmerzen. Schmerzen bei MS lassen sich in vier Kategorien unterscheiden:

· Schmerz als direkte Folge der MS (z.B. durch
Sehnervenentzündung, Kopfschmerzen durch Herde im
Hirnstamm, Sensibilitätsstörungen),
· Schmerz als indirekte Folge der MS (z.B. Gelenk- oder
Muskelschmerzen infolge Fehlhaltung, Spastik,
Kontrakturen, Druckschmerz, Schmerzen durch Blasen-
oder Darmstörungen),
· Schmerzen unter medikamentöser Therapie
(Spritzenbeschwerden, grippeähnliche Symptome bei
Interferonbehandlung),
· MS-unabhängige Schmerzen (Rückenschmerzen, diese
können aber auch durch Fehlhaltungen wegen MS bedingt
sein; Osteoporose, primäre Kopfschmerzen).

Therapieziele

Schmerzreduktion und damit eine geringere Beeinträchtigung von Mobilität, Leistungsvermögen und seelischer Belastung sowie die Verbesserung der Lebensqualität.

Therapieempfehlungen

· Wichtig ist eine gezielte Befragung der Patienten nach
Schmerzen, da diese von vielen Patienten nicht sofort
berichtet werden; Dokumentation in einem
"Schmerztagebuch" als Basis für die Therapiebeurteilung
sowie Unterscheidung des Schmerztyps ist anzuraten.
· Bei schmerzhaften Missempfindungen Amitryptilin oder
Carbamazepin (Typ-A-Empfehlung), alternativ Gabapentin
(Typ-B-Empfehlung).
· Bei Gelenk-, Schulter- oder Nackenschmerzen: Aufklären
über Fehlhaltungen, Erlernen alternativer Strategien, ggf.
Hilfsmittelversorgung. Individuell überwachte
Physiotherapie (Typ-A-Empfehlung). Medikamentöse
Therapie entsprechend Arzneimittelkommission (Typ-B/C-
Empfehlungen).
· Bei grippalen Symptomen und Muskelschmerzen unter
Interferontherapie Paracetamol oder andere nichtsteroidale
Rheuma-Medikamente (Typ-B-Empfehlung), bei lokalen
Schmerzen Kühlung an den Einstichstellen (Typ-U-
Empfehlung), bei verstärkten Kopfschmerzen Anwendung
der Empfehlungen der DGN bzw. der Deutschen Migräne-
und Kopfschmerzgesellschaft.
· Bei Kreuzschmerzen Physiotherapie (Typ-A-Empfehlung),
Massagen (Typ-B/ C-Empfehlung), medikamentöse
Therapie entsprechend Arzneimittelkommission der
Deutschen Ärzteschaft (Typ-B/ C-Empfehlungen).
· Neu auftretende Schmerzen sollten nicht automatisch auf
die MS zurückgeführt, sondern müssen entsprechend
abgeklärt werden.
· In der Regel ist bei Schmerzen eine langfristige
multidisziplinäre Behandlung erforderlich."

Redaktion: AMSEL e.V., 21.10.2004