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Regeneration des Sehnervs

21.08.09 - Im Tiermodell funktioniert die Injektion des Rezeptor-Agonisten "Pam3Cys" bei Sehnervverletzungen. Ob dies auch auf Multiple Sklerose zutrifft, scheint derzeit unklar.

Schädigungen des Sehnervs, die zum Beispiel durch Unfälle, Tumore oder verschiedene neurodegenerative Erkrankungen ausgelöst werden können, sind in der Regel immer mit einem irreversiblen funktionellen Verlust des Sehens verbunden. Auch beim grünen Star (Glaukom), der einer der häufigsten Ursachen für Erblindungen in unserer Gesellschaft darstellt, ist durch eine Schädigung des Sehnervens bedingt.

Die Ursache dafür, dass Sehnervschädigungen nicht mehr repariert werden können, liegt daran, dass die Axone von den Retinalen Ganglienzellen, die die visuellen Signale von der Netzhaut zum Gehirn weiterleiten, bei Sehnervverletzungen durchtrennt werden. Eine Regeneration dieser Axone kann unter normalen Umständen nicht erfolgen, da die Retinalen Ganglienzellen zum einen ihre Fähigkeit zum axonalen Wachstum nach der Geburt größtenteils einbüßen und darüber hinaus im Sehnerven inhibitorisch wirkende Faktoren zu finden sind, die eine axonale Regeneration ebenfalls erschweren. Wenige Tage bis Wochen nach Sehnervtraumata beginnen die geschädigten, nicht-regenerierenden Retinalen Ganglienzellen abzusterben.

Vor einigen Jahren haben Professor Dietmar Fischer (Experimentelle Neurologie der Universität Ulm) und andere entdeckt, dass durch eine Verletzung der Linse des Auges der Zelltod von verletzten Retinalen Ganglienzellen stark verzögert wird und diese Zellen in einen aktiven regenerativen Zustand übergehen. Dieser regenerative Zustand erlaubt es den retinalen Nervenzellen Axone zurück in den verletzten Sehnerven zu regenerieren. Die Arbeitsgruppe Fischers konnte in den letzten Jahren zeigen, dass diese starken neuroprotektiven und regenerationsfördernden Effekte einer Linsenverletzung indirekt über die Aktivierung von Astrozyten und Müller Zellen in der Netzhaut vermittelt werden, die als Folge die beiden Faktoren ciliary neurotrophic factor (CNTF) und leukemia inhibitory factor (LIF) freisetzen. Sowohl CNTF als auch LIF besitzen starke regenerationsfördernde Eigenschaften auf Axone von Retinalen Ganglienzellen. Da eine Verletzung der Linse allerdings immer zu deren Verlust führt, ist diese Methode zur Induktion der Neuroprotektion oder Stimulation zur axonalen Regeneration beim Menschen nicht denkbar.

In der international renommierten ophthalmologischen Zeitschrift Investigative Ophthalmology and Visual Science berichtet nun die Arbeitsgruppe von Professor Fischer, dass die positiven Effekte einer Linsenverletzung über die Injektion des spezifischen Toll-like-Rezeptor-Agonisten Pam3Cys nicht nur imitiert, sondern zudem noch deutlich übertroffen werden können, so dass ein Einsatz dieser Substanz zur Neuroprotektion und Regenration des Sehnerven und so zum Beispiel zur Behandlung von bisher nicht-therapierbaren Formen des Glaukoms möglich sein könnte. Ob eine Anwendung auch bei Sehnervschädigungen aufgrund von Multipler Sklerose infrage kommt, wird von der Pressemitteilung der Universität Ulm leider nicht erwähnt.

Bei dem Ansatz, der bislang allerdings nur im Tiermodell durchgeführt wurde, bleibt die Linse des Auges unbeschädigt und der Glaskörper des Auges klar, so dass der Lichteinfall auf die Netzhaut durch diese Anwendung nicht wesentlich beeinträchtigt wird. Diese Eigenschaften sind aus opthalmologischer Sicht von höchster Relevanz. Ob und in wieweit Pam3Cys bei Patienten angewendet werden kann, die an den Folgen einer Schädigung des Sehnervens leiden, muss in Zukunft untersucht werden.

Quelle: idw, 19.08.09

Redaktion: AMSEL e.V., 21.08.2009