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Neurone auf dem "Jacobsweg"

06.03.08 - Nicht allein die Calciumdosis ist für den Ausbau oder das Stilllegen von Synapsen verantwortlich, wie Magdeburger Neurobiologen herausfanden.

 

Noch ein, zwei Drehungen am Focus des Mikroskops, und dann tritt aus dem grünlichen Nebel ein strahlend heller grüner Stern hervor eine lebende Nervenzelle, 40fach vergrößert und sichtbar gemacht durch ein fluoreszierendes Protein aus Quallen.

Nervenzellen sind komplizierte Gebilde, anders als die meisten Körperzellen besitzen sie fein verzweigte grazile Fortsätze, die einem Antennenwald gleich ihre Umgebung nach Signalen abhören. Bis zu 10.000 Kontakte kann so ein nur wenige Mikrometer großes Neuron mit anderen Zellen unterhalten, und jeder dieser Kontakte hat vermutlich eine ganz eigene Stimme im Gesamt-Konzert der Synapsen.

Soviel Pluralität erfordert Ordnung in der Kommunikation mit der "Zentrale", denn dort, im Zellkern des Neurons, müssen die Signale aus der Peripherie in eine zelluläre Invest-Strategie übersetzt werden: viel genutzte, aktive Synapsen werden ausgebaut und verstärkt, und die weniger aktiven Kontaktstellen werden vorübergehend stillgelegt oder abgebaut das ist "synaptische Plastizität". Das Komplizierte daran - an allen Synapsen ist der Indikator für Aktivität derselbe: einströmende Calcium-Ionen, und wenn ihre Konzentration besonders hoch ist, kann das auch durch Übererregung zum Sterben der Zelle führen. Plastizität oder Tod? Macht allein die Calcium-Dosis den Unterschied?

Jacob-Protein gelangt in den Zellkern

Ganz offensichtlich nicht. Auf der Suche nach Molekülen, die als Signalmittler die unterschiedlichen Botschaften der Synapsen zum Zellkern bringen können, hat der Magdeburger Neurobiologe Michael R. Kreutz gemeinsam mit seinem Team ein neues molekulares Tandem gefunden: der erste Partner, genannt Jacob, ist der Bote zwischen Synapse und Zellkern. Das Jacob-Protein kann aus den neuronalen Fortsätzen über ein molekulares Erkennungssignal in den Zellkern hineingelangen, wo es Prozesse in Gang setzt, die zu Abbauvorgängen an den Synapsen führen. Der zweite Partner, genannt Caldendrin, spürt in den aktiven Synapsen die eingeströmten Calcium-Ionen auf, bindet dann an Jacob und verhindert so dessen Einwandern in den Zellkern und den damit verbundenen Synapsen-Rückbau - der "Jacobs-Weg" ist unterbrochen.

Dieser neu entdeckte Mechanismus stellt ein interessantes Modell dar, wie Nervenzellen unterscheiden können, ob Signale von physiologisch aktivierten Kontaktstellen kommen oder durch pathophysiologische Ursachen wie Ischämie oder Schlaganfall hevorgerufen sind. Solche Schädigungen des ZNS können zum massiven Verlust von Neuronen führen, aber die detailierten Prozesse, die dabei in den Zellen ablaufen, waren bisher noch nicht bekannt. Nun ist man der Lösung des Rätsels ein ganzes Stück näher gekommen. Ob die Erkenntnis auch der MS-Forschung als Hintergrundsinformation nützlich sein könnte, bleibt abzuwarten.

Quelle: Leibniz-Institut für Neurobiologie; idw, 27.02.08

Redaktion: AMSEL e.V., 13.03.2008