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Neue Erkenntnisse in der Neurologischen Rehabilitation

Dass Bewegung gut tut und sich auch positiv auf Multiple Sklerose auswirken kann, zeigen viele Untersuchungen. Fachkompetenzleiterin der Kliniken Schmieder Sabine Lamprecht stellt in Together 04/11 wichtige neue Erkenntnisse für die Physiotherapie dar.

Ein wichtiger Grundsatz in der Rehabilitation ist das repetitive Üben. Dies bedeutet, dass man Bewegungsmuster, die man verbessern will, möglichst oft wiederholen muss. Als weitere Erkenntnis gilt, dass es ein klares Dosis-Wirkungsprinzip gibt. Dies heißt, je mehr man motorisch aktiv ist, desto deutlichere Verbesserungen kann man erzielen. Eine dritte wichtige Feststellung ist der erlernte Nichtgebrauch. Dieser Begriff meint, dass motorische Aktivitäten, die nicht genutzt werden, durch diesen "Nichtgebrauch" verloren gehen können. Dieses Phänomen sieht man bei MS-Patienten z.B. wenn sie zu wenig gehen. Dies kann dann dazu führen, dass das Gehen, auch ohne Schub, immer schlechter wird. Auch bei der Rumpfmuskelaktivität wird dieses Phänomen deutlich. Der Rumpf wird dann immer schwächer, sobald man im Rollstuhl sitzt und die Rumpfaktivität nicht mehr abgerufen und trainiert wird.

Warum sind Geräte und Medizinische Trainingstherapie wichtig?

Diese und andere Erkenntnisse haben dazu geführt, dass in der neuen neurologischen Rehabilitation der Einsatz von Geräten immer wichtiger wird.

Durch Geräte wie medizinische Trainingsgeräte, Laufband, Bewegungstrainer und Stehgeräte können die oben genannten Prinzipien erreicht werden. Hier kann der Patient häufige Wiederholungen durchführen, er kann die Dosis der Therapie (Physiotherapie) klar erhöhen und er kann den Abbau von Funktionen verhindern.

Wie und was wird in der Medizinischen Trainingstherapie trainiert?

Über Krafttraining, Ausdauertraining und Gleichgewichtstraining gibt es klare wissenschaftliche Nachweise, dass diese Trainingsarten Muskelfunktionen verbessern und Spastik lösen können. Krafttraining kann mit verschiedenen Geräten, mit Bewegungstrainern und Kletterwand durchgeführt werden. An der Kletterwand wird dann nur eine kleine Sequenz geübt z.B. sich eine Griffhöhe hochziehen/drücken. Dies kräftigt den ganzen Körper sehr gezielt. Ausdauertraining ist effektiv mit Ausdauergeräten, wie z.B. Bewegungstrainern (mit Motorunterstützung) am besten für Arme und Beine. Wichtig ist dabei möglichst aktiv zu treten, eine passive Nutzung ist bei ausgeprägten Paresen ebenso möglich. Gleichgewichtstraining kann auf ganz verschiedene Art durchgeführt werden. Es gibt sehr gute Feedback-gestützte Gleichgewichtsgeräte oder auch für Rollstuhlfahrer geeignete Balance-Stehtrainer.

Autorin: Sabine Lamprecht

  • 1982 Physiotherapie-Examen in Berlin
  • Physiotherapeutin in der Neurologischen Fachklinik Christophsbad Göppingen, ab 1985 Leitung der Physiotherapie
  • 1987 Eröffnung einer eigenen Praxis
  • bis 2008 Aufbau eines interdisziplinären Therapiezentrums mit Massage, Ergotherapie, Logopädie, Medizinischer Trainingstherapie und Physiotherapie
  • 2006 Abschluss Master of Science Neurorehabilitation an der Donauuniversität Krems/Österreich
  • seit September 2011 Fachkompetenzleitung der Kliniken Schmieder

Warum ist das Stehen so wichtig und wie wird es trainiert?

Für Rollstuhlpatienten ist das Stehen sehr wichtig. Dies ist in der Regel bei jedem Rollstuhlpatienten möglich und für den weiteren Verlauf der Erkrankung eine der wichtigsten Aktivitäten. Um entsprechend lange zu stehen, braucht man einen Stehtrainer. Empfohlen wird für alle Patienten, die nicht mehr selbständig stehen können, mindestens eine Stunde täglich "Stehtraining" im Stehtrainer. Ein Stehtrainer, in dem die Möglichkeit gegeben ist, sich noch aktiv zu bewegen oder bewegt zu werden, fördert vermehrt Gleichgewicht und Rumpfaktivität. Stehtrainer haben ebenfalls positive Auswirkungen auf Spastik, Blasenund Darmstörungen, verhindern Kontrakturen und beugen Osteoporose und Druckgeschwüre vor. Stehtrainer und auch Bewegungstrainer können vom Arzt verordnet werden und werden von den Krankenkassen zur Dauernutzung zur Verfügung gestellt.

Wie kann man das Gehen verbessern?

Das Gehen kann nur verbessert werden, indem man Gehen übt. Dabei wird das Laufbandtraining immer wichtiger, da dort oft das Gehen leichter, länger und ausdauernder durchgeführt werden kann. Bei der Hippotherapie senkt man nicht nur die Spastik, sondern die Rumpf- und Beinmuskulatur wird auch noch gangtypisch gekräftigt. Auch Rollstuhlpatienten können therapeutisches Klettern, Krafttraining, von Therapeuten unterstütztes Laufbandtraining und Hippotherapie durchführen. Zusammengefasst sollten heute in der neurologischen Rehabilitation gerade von MS-Patienten, egal wie schwer betroffen sie sind, folgende Ausstattung und Angebote nicht fehlen:

  • Laufbandtraining
  • Krafttraining
  • Ausdauertraining
  • Bewegungstrainer
  • Stehtrainer – möglichst mit Bewegungsmöglichkeit
    Therapeutische Kletterwände (große Griffe und man klettert nur ein kurzes Stückchen hoch und runter und wiederholt dies dann)
  • Hippotherapie

Doch auch hier gilt: Es nützt nur, wenn man es tatsächlich tut.

Übrigens ist "Bewegung und Sport bei MS" AMSEL-Schwerpunktthema 2012. Daher wird es zahlreiche Fachvorträge und Seminare dazu geben. Schauen Sie doch gleich mal, ob nicht auch für Sie was Passendes dabei ist - im Jahresprogramm 2012.

Together - Das Nachrichten-Magazin der AMSEL

Redaktion: AMSEL e.V., 04.01.2012