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Myelin auch ohne Neuregulin

01.09.08 - Max-Planck-Forscher machten eine überraschende Entdeckung: Im Hirn und im Rückenmark scheint der Wachstumsfaktor Neuregulin verzichtbar zu sein.

Gehirn und Rückenmark bestehen bekanntlich aus Milliarden von Nervenzellen, die über Nervenfasern miteinander in Verbindung stehen und elektrische Signale austauschen. Diese als Axone bezeichneten Verbindungen sind, ähnlich wie Stromkabel, elektrisch isoliert. Dies geschieht durch spezielle Membranen, die sogenannte Myelinscheide.

Myelin wird von hochspezialisierten Gliazellen produziert, die entlang der Nervenfasern lokalisiert sind. Myelinisierte Axone leiten die elektrischen Impulse extrem schnell. Der Verlust des Myelins führt zu schweren neurologischen Komplikationen, etwa bei Patienten mit Multipler Sklerose. Ein wichtiges Forschungsziel ist es deshalb, die molekularen Signale besser zu verstehen, die während der Entwicklung des Gehirns zur Bildung von Myelin benötigt werden.

Neuregulin bildet Myelin im peripheren Nervensystem

Für die peripheren Nerven, die unsere Muskeln steuern, etwa in Armen und Beinen, war bereits bekannt, dass die Axone selbst einen speziellen Wachstumsfaktor (das sogenannte Neuregulin) auf ihrer Oberfläche tragen. Neuregulin ist für die Bildung des Myelins im peripheren Nervensystem unverzichtbar. Es wurde daher allseits vermutet, dass der gleiche Wachstumsfaktor auch eine zentrale Rolle bei der Myelinbildung im Gehirn spielt.

In Zusammenarbeit mit Forschern aus Berlin, Cambridge und San Diego (USA) haben nun Wissenschaftler um Professor Klaus-Armin Nave am Göttinger Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin mit Hilfe von neuartigen Mausmutanten die Funktion von Neuregulin bei der Myelinbildung im Gehirn und Rückenmark (dem zentralen Nervensystem, kurz ZNS) genau untersucht. Tatsächlich konnte im Gehirn transgener Mäuse, deren Nervenzellen mehr Neuregulin als üblich produzieren, die Myelinbildung angeregt werden.

ZNS kommt auch ohne Neurgulin klar

Völlig überraschend war dagegen die Beobachtung, dass Mausmutanten, die in Nervenzellen des Gehirns überhaupt kein Neuregulin mehr produzieren konnten, vollkommen normal myelinisierte Nervenbahnen aufwiesen. Die Fähigkeit des Gehirns, Axone in Abwesenheit dieses Wachstumsfaktors mit Myelin zu umhüllen zeigt also, dass während der Evolution des Gehirns neuartige Mechanismen zur neuronalen Kontrolle von Gliazellen entstanden sein müssen. Darüber hinaus ermöglichen diese Beobachtungen ein besseres Verständnis therapeutischer Ansätze für Multiple Sklerose, die eine körpereigene Reparatur des Myelins zum Ziel haben.

Quelle: Neuregulin-1/ErbB signaling serves distinct functions in myelination of the peripheral and central nervous system, Neuron 59, 581-595, August 28, 2008; Max-Planck-Institut für Experimentelle Medizin, Göttingen; 01.09.08

Redaktion: AMSEL e.V., 01.09.2008