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MS zentrales Thema auf Neurologenkongress

20.06.05 - Am vergangenen Samstag begann in Wien der Europäische Neurologenkongress. MS sei viel komplexer als bisher vermutet, berichtete Hans Lassmann, Preisträger des ersten Sobek-Forschungspreises, zum Auftakt des Kongresses.

Das Team um den Vorstand des Zentrums für Hirnforschung der Wiener Medizinuni entdeckte jüngst einige Faktoren, die zu Entstehung und spezifischem Verlauf der Krankheit beitragen.

Eine der wichtigsten Erkenntnisse: Die Basis- Entzündungsreaktion im Nervensystem, vorwiegend durch T-Lymphozyten gesteuert, wird oft durch andere zerstörerische Mechanismen überlagert: durch Antikörper oder dadurch, dass das Zielgewebe im Nervensystem selbst Probleme hat. Patienten mit dieser Gewebebesonderheit erleiden schwerere Verlaufsformen der MS als andere. Dies bedeute laut Lassmann, "dass neben der gegenwärtig durchgeführten entzündungshemmenden Basistherapie zusätzliche therapeutische Maßnahmen, die die individuellen Unterschiede berücksichtigen, notwendig sind."

Was steckt hinter diesen Unterschieden?

"Wir konnten bereits bestimmte Gene ausmachen, die eine entscheidende Rolle spielen." Eines davon ist "ApoE": Menschen mit dieser Genvariante haben schwerere und destruktivere Nervenschädigungen als andere. Weitere Unterschiede bestehen bei "Neurotrophin-Genen", die Zellen vor Schädigungen schützen sollten.

Mit zunehmender Kenntnis über genetische und andere Gründe der MS könnten effizientere Therapien entwickelt werden. So lasse sich etwa durch die Identifikation bestimmter Antikörper eine präzisere Voraussage treffen, wie aggressiv der Krankheitsverlauf werden kann - und wann interveniert werden muss. "Das Wissen hilft auch herauszufinden, welche Paienten von welcher Therapie überhaupt profitieren." Etwa von der Stammzelltherapie: Sie könnte einst Nervenschäden reparieren. "Wir haben herausgefunden, dass manche Betroffene spontan solche Reparaturmechnismen entwickeln. Bei ihnen wäre eine Stammzellentherapie nicht sinnvoll. Bei anderen, denen die natürlich Regenerationsfähigkeit fehlt, sehr wohl." Der Neuropathologe warnt jedoch vor voreiligem Jubel: Diese Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung bräuchten Jahre, um in die klinische Praxis eingebaut zu werden.

Quelle:
Der Standard, 18./19.06.05

Redaktion: AMSEL e.V., 21.06.2005