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Mit welcher MS-Therapie starten?

Was ist besser: Gleich eine möglichst starke Therapie wählen oder erstmal "sanft" einsteigen? Eine dänisch-schwedische Forschergruppe hat die zwei Behandlungsstrategien miteinander verglichen.

Nach der Diagnose Multiple Sklerose haben Betroffene und ihre Ärzte die Qual der Wahl: Für die Schubförmige MS sind mittlerweile über ein Dutzend Wirkstoffe zugelassen. Sie unterscheiden sich im Grad ihrer Wirksamkeit aber auch in ihren Nebenwirkungen. Um die Sache zu vereinfachen lassen sich zwei Behandlungsstrategien unterscheiden:

  1. Zunächst mit einem milderen Mittel zu beginnen, um gegebenenfalls, d. h. wenn zum Beispiel trotz Therapie weitere Schübe entstehen, auf ein stärkeres Medikament umzusteigen, also zu eskalieren.
  2. Oder gleich von Anfang an ein Medikament mit einem hohen Wirksamkeitsgrad zu wählen. Dafür aber möglicherweise auch seltene aber schwere Nebenwirkungen in Kauf zu nehmen.
     

Welcher von beiden Ansätzen besser für den Durchschnitt der Patienten ist, das zu beantworten war das Ziel einer dänisch-schwedischen Nachbeobachtungsstudie. Es verhält sich nämlich so, dass in den beiden Ländern unterschiedliche Behandlungsstrategien bei der Ersttherapie vorherrschen. Während ein MS-Patient in Dänemark zu Beginn eher mit einem milden bis moderaten Mittel behandelt wird, herrscht in Schweden eher die Devise „Hit hard and early“.

Unterschiedliche MS-Therapiestrategien in Schweden und Dänemark

In die prospektive Beobachtungsstudie waren Patientendaten von fast 5.000 Patienten mit schubförmiger MS eingeschlossen. Während über 92 % von den rund 2.200 Betroffenen aus Dänemark zu Beginn eine milde oder moderate Behandlung erhielten, lag der Anteil der initial mild-moderaten Therapie der 2.700 erkrankten Schweden bei nur 65 %. In Dänemark wurden nur 7,6 % gleich zu Beginn mit einer hochwirksamen Therapie behandelt, während dieser Anteil unter den schwedischen MS-Patienten bei 34,5 % lag.

Gemessen wurde nun, wie sich diese unterschiedlichen Behandlungsansätze in den durchschnittlich vier Jahren Nachbeobachtungszeit auf die Behinderungsprogression der Patienten auswirkte. Primärer Endpunkt war die Zeit bis zu einer mindestens ein halbes Jahr anhaltenden Verschlechterung der Behinderung. Unter den sekundären Endpunkten war die Zeit bis zu einem Schub, die jährliche Schubrate, eine Therapieumstellung oder das Erreichen eines Behinderungsgrades auf der EDSS-Skala von 3 und 4.

Vorteil für Schweden mit initial starker Therapie

Es zeigte sich, dass die schwedischen Patienten im Durchschnitt mit der initial stärkeren Therapiewahl bessere Ergebnisse hatten. Hier erreichten 24 % weniger einen EDSS-Wert von 3 und 25 % weniger einen Wert von 4. 29 % weniger erreichten eine Behinderungszunahme.

Und was ist mit den Nebenwirkungen? Interessanterweise ergab die Beobachtungsstudie unabhängig vom Wirkungsgrad der Therapie einen ähnlichen Anteil an Behandlungsabbrüchen aufgrund von Nebenwirkungen: Während in der dänischen Kohorte 33,8 % der Patienten, die ihre Therapie abbrachen, unerwünschte Nebenwirkungen als Grund angaben, waren es in der schwedischen Kohorte 34,5 %.

Es scheint also alles für eine „Hit hard and early“-Strategie zu sprechen. Große, randomisierte Studien sind alllerdings nötig, um die Ergebnisse dieser skandinavischen Beobachtungsstudie zu bestätigen.

Quelle: JAMA Neurology, 01.10.2021.

Redaktion: AMSEL e.V., 09.11.2021