Impfung gegen MS?

10.03.06 - Eine kleine Testreihe in den USA soll erfolgreich verlaufen sein. Experten warnen vor übersteigerten Hoffnungen.

Eine neue therapeutische Impfung gegen Multiple Sklerose soll das Immunsystem dazu bringen, seine eigenen Truppen anzugreifen: Amerikanischen Forschern ist es Pressemeldungen zufolge gelungen, die Körperabwehr auf genau die Immunzellen anzusetzen, die für die Gewebezerstörung bei der Nervenerkrankung verantwortlich sind. Die Entwickler hoffen, so das Fortschreiten der MS deutlich vermindern wenn nicht sogar stoppen zu können.

Nach ersten Studien mit einigen wenigen Freiwilligen soll die neue Impfung nun an einer größeren Patientengruppe getestet werden, berichtet das Wissenschaftsmagazin "New Scientist". Bei Multipler Sklerose wendet sich das Immunsystem gegen eigenes Körpergewebe, anstatt nur eindringende Mikroben und fremdes Gewebe zu bekämpfen. Hierbei wird die Isolationsschicht um die Nervenfasern in Gehirn und Rückenmark, das Myelin, zerstört, welches für die reibungslose Übertragung von Nervenimpulsen sorgt.

Ist diese Hülle defekt, kommt es bekanntlich zu Kurzschlüssen zwischen den Nervenfasern und zu fehlgeleiteten Signalen. Muskelkoordination, Sprachfähigkeit und Sehvermögen sind dann beeinträchtigt. Die derzeit zugelassenen Therapien bekämpfen entweder nur die Symptome oder verzögern lediglich das Fortschreiten der Krankheit. Die neue Behandlung der amerikanischen Biotech-Firma PharmaFrontiers soll helfen, die Ursache der Nervenzerstörung zu beseitigen.

In dem Verfahren isolieren die Forscher aus dem Blut von MS-Patienten diejenigen Immunzellen, welche das Myelin angreifen (myelin-spezifische T-Zellen), vervielfältigen sie im Labor und bestrahlen sie, auf dass sie sich nicht mehr teilen können. Werden die so behandelten Zellen dem Patienten anschließend wieder verabreicht, erkennt das Immunsystem sie als beschädigt und beginnt, alle Zellen dieser Sorte systematisch zu zerstören. Auf diese Weise werden nicht nur die labortechnisch veränderten nervenzerstörenden Zellen abgetötet, sondern auch jene, die im Körper verblieben sind.

Mit ihrer Impfung soll es den Wissenschaftlern bereits gelungen sein, in einer Testreihe mit 15 Teilnehmern die Rate neuer MS-Schübe um 92 Prozent zu verringern, wie der "New Scientist" berichtet. "Wenn sich das bestätigt, dann ist es umso besser, je früher wir nach der Diagnose damit anfangen", sagt David McWilliams von PharmaFrontiers. In der noch diesen Monat anlaufenden Studie sollen 100 Patienten mit dem Impfstoff und 50 mit einer Scheinbehandlung therapiert werden. Sollte sich die Wirksamkeit bestätigen, würden in Zukunft möglicherweise vier bis fünf Impfungen pro Jahr genügen, um die MS aufzuhalten oder gar zu stoppen, hoffen die Forscher.

MS-Experten warnen allerdings vor allzu großen Hoffnungen. Bislang hat kein Impfstoff die MS gestoppt. Ein Test mit nur 15 Patienten ist keine Basis für medizinisch seriöse Erkenntnisse. Auch mögliche Nebenwirkungen sind erst nach einer größeren randomisierten Doppelblindstudie abzuschätzen.

Quellen: New Scientist (09.03.06, englisch)

Redaktion: AMSEL e.V., 10.03.2006