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Effizienter forschen - MS-Patienten schneller helfen

Weltweit beträgt die Entwicklungszeit eines Medikamentes zur Behandlung der Multiplen Sklerose bis zu 40 Jahre. Eine Kooperation zwischen Hertie-Stiftung und der Myelin Repair Foundation (MRF) setzt auf ein neues Forschungsmodell, das die Entwicklung beschleunigen soll.

Der Weg vom Labor bis zum Patienten

Von rund 10.000 Molekülen, die am Anfang einer Medikamentenentwicklung als Wirkstoff in Frage kommen, schafft meist nur eine Substanz den langen Weg vom Labor bis zum Patienten.

Nach vielen Schritten und Jahren der Wirkstoffoptimierung treten im Schnitt gerade mal 12 der 10.000 Hoffnungsträger den Weg in die präklinische Phase der menschlichen Zellen und Tierversuche an, bevor es 8,6 Kandidaten in die Klinische Phase I mit Tests an gesunden Menschen schaffen. Davon wiederum 4,6 in die Klinische Phase II zur Erprobung mit wenigen Betroffenen. Nur durchschnittlich 1,6 Wirkstoffe erreichen am Ende die Klinische Phase III, in der die für eine künftige Zulassung entscheidenden Studien an meist mehreren tausend Betroffenen durchgeführt werden. Bis eine Zulassung beantragt und erteilt wird, vergehen im Schnitt ebenfalls noch einmal weitere 2,5 Jahre1. Der Weg dorthin ist langwierig und kann über Jahrzehnte dauern.

Ein Netzwerk aus MS-Wissenschaftlern entsteht

Um den Prozess der Medikamentenentwicklung zu beschleunigen, setzen die neuen Kooperationspartner Hertie-Stiftung mit Sitz in Frankfurt und die Myelin Repair Foundation (MRF) aus Kalifornien, USA, auf ein neues Forschungsmodell. Führende Wissenschaftler, die sich auf MS spezialisiert haben, bündeln ihr Fachwissen und arbeiten von Anfang an besonders eng zusammen. Gegenseitige konkrete Vorgaben, klare Ziele mit Deadlines und ein ständiger Austausch über Ideen und Ergebnisse gehören zu den Rahmenbedingungen.

Schritt für Schritt werden so parallel verschiedene Forschungsprojekte durchgeführt. Außerdem sollen vielversprechende Ergebnisse in einem eigenen Labor der MRF unter industriellen Bedingungen repliziert werden. Der intensive Kontakt der Wissenschaftler zu Kollegen der Pharmaindustrie sorge dafür, dass die replizierten Ergebnisse schneller in die Phase der klinischen Studien gelangen und damit letztlich rascher zum Patienten.

Im Rahmen des langfristig angelegten Projekts werden nun zunächst in Deutschland ausgewählte Wissenschaftler für das Konzept gewonnen. Für die Aufbauphase 2014 starten MRF und Hertie-Stiftung mit einem Budget von 500.000 Euro. "Neben der finanziellen Förderung bringen wir vor allem unser engmaschiges Experten-Netzwerk, in das Ärzte, Wissenschaftler und MS-Verbände eingebunden sind, sowie unser gewachsenes Wissen über die MS-Forschung ein", erklärt Dr. h.c. Frank-Jürgen Weise, Vorstandsvorsitzender der Hertie-Stiftung.

Lücken schließen in der Medikamentenentwicklung

Während jährlich gerade einmal rund 30 neue Substanzen als Medikament zugelassen werden, bringt die Medizinforschung immer mehr neue Ergebnisse hervor, die in zahlreichen Fachartikeln veröffentlicht werden. Nach Dr. Weise werde die Übertragung der Ergebnisse aus der Grundlagenforschung in vorklinische und klinische Studien aber eher selten angestrebt.

Zudem müssen erfolgversprechende Ergebnisse zunächst mehrfach und unter höchsten Standards bestätigt werden, um wirklich als aussichtsreich für die weitere Medikamentenentwicklung zu gelten. Dies geschieht bislang in unabhängigen Auftragsforschungsinstituten oder der Pharmaindustrie selbst. "Leider aber zu selten und nicht systematisch", bedauert Scott Johnson, Gründer der MRF, der selbst seit 36 Jahren an MS erkrankt ist. Verschiedene Studien haben außerdem ergeben, dass eine Bestätigung der Forschungsergebnisse in bis zu 89 Prozent nicht unter den Bedingungen möglich ist, welche für die Medikamentenentwicklung notwendig sind.

In den USA engagiert sich die MRF mit diesem Ansatz schon seit 2004 in der MS-Forschung. "Ich freue mich, gemeinsam mit der Hertie-Stiftung diese Idee nun auch in Deutschland und später in ganz Europa verbreiten zu können", erklärt der 58-Jährige Johnson. "Mein Wunsch ist es, Mittel zur Regeneration beschädigter Nervenschutzhüllen (Myelinscheiden) zu finden, damit auch bereits an MS erkrankten Menschen geholfen werden kann."

Quellen: Pressemeldung der Gemeinnützigen Hertie-Stiftung vom 11.08.2014;

1Zahlen der Wirkstoffentwicklung nach Paul S.M. et al., Nature Reviews Drug Discovery 9, 203-214 (2010)

Redaktion: AMSEL e.V., 12.08.2014