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Der Kalium-Kanal und die Blut-Hirn-Schranke

Aggressive Immunzellen können über einen bislang unbekannten Kanal ins Gehirn eindringen. Das berichten Forscher aus Münster und Würzburg in "Nature Medicine".

Wie entsteht Multiple Sklerose? Dazu Professor Christoph Kleinschnitz, einer der Leiter der Klinischen Forschungsgruppe für Multiple Sklerose an der Universität Würzburg über den Krankheitsprozess: "Als erstes werden die schädlichen Immunzellen fälschlicherweise aktiviert. Dann durchdringen sie die Blut-Hirn-Schranke – das ist eine Barriere des Gehirns, die sie normalerweise nicht überwinden können. Und schließlich lösen sie in Gehirn und Rückenmark Entzündungen aus."

Kalium-Kanal als Schleichweg

Für das Eindringen ins Gehirn brauchen die Immunzellen offenbar einen bislang unbekannten Kanal, wie Kleinschnitz mit Kollegen von der Universität Münster in "Nature Medicine" berichtet. Der Kanal (TREK-1) sitzt in den Zellen, die die kleinen Blutgefäße auskleiden, und ist normalerweise dafür zuständig, Kalium-Ionen aus den Zellen hinaus ins Blut zu schaffen.

Allerdings sorgt der Kanal auch dafür, dass sich die schädlichen Immunzellen an der Blutgefäßwand anheften und durch sie hinweg ins Gehirn einwandern können. Genau diesen Prozess haben die Forscher nun in verschiedenen Tiermodellen erfolgreich gestört. Der Effekt: Die Symptome der Multiplen Sklerose wurden schwächer.

Angriffspunkt für bessere Wirkstoffe

Die Entdeckung eröffnet neue Perspektiven für die Behandlung der Multiplen Sklerose. Als nächstes wollen die Wissenschaftler weitere Wirkstoffe entwickeln, die noch gezielter und stärker an den Kanälen angreifen. "Möglicherweise ergibt sich aus dieser Arbeit eines Tages ein Medikament, mit dem sich die Therapie der Multiplen Sklerose weiter verbessern lässt", so Dr. Stefan Bittner und Professor Sven Meuth, die beiden federführenden Autoren des Artikels.

Ihre Hoffnung ist berechtigt: Die Wirksamkeit der Strategie, die Immunzellwanderung durch die Blut-Hirn-Schranke zu blockieren, ist prinzipiell belegt. Diese Arbeiten wurden unter anderem im Würzburger Sonderforschungsbereich 688 (Mechanismen und Bildgebung von Zell-Zell-Wechselwirkungen im kardiovaskulären System) von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert.

Prof. Dr. Dr. Sven Meuth erhielt für seine Forschungen zu MS und dem Kaliumkanal bereits 2009 eine Preis (AMSEL.DE hat berichtet).

Quelle: "Endothelial TWIK-related potassium channel-1 (TREK1) regulates immune-cell trafficking into the CNS", Stefan Bittner, Tobias Ruck, Michael K Schuhmann, Alexander M Herrmann, Hamid Moha ou Maati, Nicole Bobak, Kerstin Göbel, Friederike Langhauser, David Stegner, Petra Ehling, Marc Borsotto, Hans-Christian Pape, Bernhard Nieswandt, Christoph Kleinschnitz, Catherine Heurteaux, Hans-Joachim Galla, Thomas Budde, Heinz Wiendl & Sven G Meuth. Nature Medicine, 11. August 2013, DOI 10.1038/nm.3303

Redaktion: AMSEL e.V., 12.08.2013