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Den Placebo-Effekt ausblenden

Fast alle kennen ihn: den Placebo-Effekt. Je mehr wir von etwas überzeugt sind, desto positiver fällt unser Urteil aus. - Prof. Mäurer erklärt, warum Wissenschaftler ihn auszublenden versuchen.

Wäre doch schön: Wenn wir ein gesundheitliches Problem haben, brauchen wir keine Nachteile eines Medikamentes oder sonstiger Therapien mehr in Kauf zu nehmen, sondern verlassen uns künftig auf den Placebo-Effekt. Nur feste dran glauben, dann wird das schon wieder!

So einfach ist das leider nicht. Der Placebo-Effekt "wirkt" nämlich nicht wirklich, sondern er macht uns nur glauben, dass etwas wirkt. Nichts gegen positives Denken. Hoffnungsvoll in die Zukunft zu blicken, auch dann, wenn die Gegenwart vielleicht gerade kein allzu rosiges Licht auf kommende Tage wirft, ist etwas zutiefst Menschliches. Und macht sich in vielen Fällen auch bezahlt. Und tatsächlich "tut" sich doch "etwas" in unseren Gehirnen, auch wenn es sich "nur" um ein Placebo handeln sollte. Man vermutet dahinter das Schmerz- und Belohnungszentrum im Gehirn.

Placebo-Effekt: Augen zu und durch?

Der Placebo-Effekt, je nachdem, wie groß der ausfällt und wie lange er anhält, kann also durchaus genutzt werden. Um eine mehr oder minder kurze Phase zu überwinden, bei ungefährlichen Erkrankungen, insbesondere bei Schmerzen von kurzer Dauer manchmal sogar eine gute Lösung. Eine Art Placebo-Effekt (plus Ablenkung) erzielen auch Pflaster bei kleinen Kindern, die mehr aus Schreck weinen, hingefallen zu sein, als wegen des kaum sichtbaren Kratzers. Ein Pflaster, besonders ein buntes, stillt hier oft die Tränen, wie Eltern und Großeltern wissen.

Doch bei einer chronischen Erkrankung wie der Multiplen Sklerose? Will man da wirklich warten, bis die Symptome doch wieder spürbar sind oder schlicht: Bis wir uns eingestehen, dass es sich bei der anfänglichen Verbesserung vielleicht doch nur um eine subjektive Täuschung gehandelt hat?  Und solange womöglich auf andere Therapien, seien es (symptomatische) Medikamente oder Physiotherapie, verzichten?

Und was heißt schon "ohne Nebenwirkungen"? Wenn man zig-tausend Euro zahlen muss, um möglicherweise nur einen Placebo-Effekt zu erzielen, der bald wieder "nachlässt", ist das auch eine teure Nebenwirkung.

Klare Aussagen anstatt von vagem "Wissen"

Wissenschaft arbeitet ohne Täuschung. Sie möchte ganz klar benennen, was wirkt und was nicht. Darum werden beispielsweise Wirkstoffe in Studien auch (neben anderen Wirkstoffen) im Vergleich zu Placebo getestet. Weder Ärztinnen und Ärzte noch Patientinnen und Patienten wissen, wer ein Placebo einnimmt und wer den Wirkstoff. Um eben Glaube und Täuschung, um möglichst alles Vage und Unklare, sämtliche subjektive Erwartung, um reines Wunschdenken von vornherein auszuschließen.

Bei einer Tablette oder einer Infusion lassen sich Wirkstoff und Placebo leicht randomisieren und verblinden. Deutlich schwieriger wird es zum Beispiel beim Vergleich von Diäten. Schließlich merkt der Proband/ die Probandin ja, ob sie ein Stück Schinken oder Brokkoli isst, ob der Teller halb oder ganz gefüllt ist. Interessant wird es werden (sicher aber nicht unmöglich), wenn ein Elektrodenanzug wie der Mollii Suit randomisiert und verblindet getestet wird. Das würde sich Prof. Mathias Mäurer vom Hersteller des Anzuges wünschen. Um danach ganz klar sagen zu können: wirkt oder wirkt nicht. Mehr dazu in seinem

Quelle: MS-Docblog, 29.01.2024

Redaktion: AMSEL e.V., 29.01.2024