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Böse T-Zellen transportieren guten Neuro-Schutz

Münchner Forscher machen sich die Autoimmunität zunutze. Damit haben sie möglicherweise einen neuen Weg entdeckt, die Multiple Sklerose zu behandeln.

Das Böse zum Guten bekehren – was nach Wunschtraum und Märchen klingt, ist einer MS-Forschungsgruppe um Prof. Dr. Ralf Gold, Vorstandsmitglied des Kompetenznetzes Multiple Sklerose (KKNMS) und seinem Arbeitsgruppenleiter Dr. Ralf Linker jetzt gelungen. T-Zellen, die sich bei MS-Patienten gegen die eigenen Nervenzellen richten und sie zerstören, wurden von den Forschern so manipuliert, dass sie ein Neuronen-schützendes Protein, den sogenannten brain-derived neurotrophic factor (BDNF), durch die Blut-Hirn-Schranke schleusten, ohne die Immunantwort zu beeinflussen. Außerdem konnten sie nachweisen, dass die bereits etablierte Therapie der schubförmigen MS mit Glatirameracetat die BDNF-Produktion in Immunzellen begünstigt.

"Obwohl wir diese Ergebnisse zunächst in der experimentellen autoimmunen Enzephalomyelitis (EAE) erzielt haben, rückt das Neurotrophin BDNF dennoch stärker in den Fokus zukünftiger Therapiemöglichkeiten der MS", erklärt Gold. Die EAE ist ein Tiermodell, das mit Mäusen arbeitet und wird in der Medizin häufig eingesetzt, weil sie der menschlichen MS am nächsten ist.

Neurotrophinen wie dem BDNF wird schon länger eine Neuronen-schützende Wirkung nachgesagt. Der Nachweis war bisher jedoch schwierig, da Organismen sterben, wenn BDNF fehlt. Aus diesem Grund hat Golds Team ein Tiermodell entwickelt, bei dem BDNF nur in manchen Zelltypen nicht vorkommt. Auf diese Weise konnten die Forscher belegen, dass Nervenschäden zunehmen, wenn BDNF aus T-Zellen und Makrophagen verbannt wurde.

Positive Wirkung von Glatirameracetat bestätigt

In einem zweiten Schritt wollten die Forscher wissen, welche Auswirkungen die bewährte Therapie mit Glatirameracetat auf die BDNF-Produktion der Immunzellen hat. Golds Team konnte belegen, dass Galtirameracetat nicht nur die Produktion entzündungshemmender Zellen fördert, sondern auch die BDNF-Produktion begünstigt und damit der Axonverlust gedämpft wird.

T-Zellen als BDNF-Transporter

Zuletzt überprüften die Wissenschaftler, ob es darüber hinaus möglich ist künstlich hergestelltes BDNF von außen ins Gehirn einzuschleusen. Solche Versuche scheitern in der Regel an der Blut-Hirn-Schranke, eine Schutzfunktion des Gehirns gegen körperfremde Eindringlinge wie z.B.
Krankheitserreger. Die Forscher nutzten daher T-Zellen als Transportmittel, die mit dem erzeugten BDNF präpariert wurden – mit Erfolg. Die T-Zellen passierten nicht nur die Blut-Hirn-Schranke, auch das zugeführte BDNF entfaltete seine Neuronen-schützende Wirkung.

Der vollständige Forschungsbericht ist in der aktuellen Ausgabe von "Brain" erschienen (doi: 10.1093/brain/awq179). Die Arbeit der Wissenschaftler wurde im Rahmen des krankheitsbezogenen Kompetenznetzes Multiple Sklerose (Verbund UNDERSTANDMS) vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützt.

Quelle: Kompetenznetz Multiple Sklerose, 17.08.10

Redaktion: AMSEL e.V., 17.08.2010