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Bei Multipler Sklerose den Darm mitbehandeln ?

Zumindest im Tiermodell der MS ist auch die Darmwand betroffen. Schwedische Forscher befürworten daher, dass neue Therapien sich nicht nur auf das ZNS konzentrieren sollten.

Forscher an der Universität Lund haben die Rolle der Darmbarriere in der Autoimmunerkrankung Multiple Sklerose untersucht. Der Darm als möglicher Entstehungsort von Immunkrankheiten wie MS ist schon lange im Gespräch - Bei genetisch vorbelasteten Menschen können eigentlich nützliche Darmbakterien möglicherweise Immunzellen aktivieren und so Multiple Sklerose auslöse, wie Forscher um Hartmut Wekerle etwa 2011 berichteten. Die schwedischen Forscher konnten am Mausmodell der MS jedoch zeigen, dass die Darmfunktion auch während der Erkrankung angegriffen ist.

Entzündungen und Veränderungen in der Barrierefunktion des Darms waren bei den Mäusen schon früh im Verlauf der Erkrankung messbar. Die Durchlässigkeit des Darms ist bei entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis Ulcerosa erhöht, auch bei einigen anderen Autoimmunkrankheiten wie Typ-1-Diabetes.

Schon zu Beginn der EAE, einer Art künstlicher Tier-MS, konnten die Forscher einen durchlässigen und entzündeten Darm feststellen. Während der Erkrankung nahmen die Symptome sogar noch zu.

Dr. Lavasani und seine Kollegen an der Universität Lund hatten bereits gezeigt, dass probiotische Bakterien einen gewissen Schutz gegen MS geben könnten. Das war der Anlass, Entzündungszellen und Prozesse im Darm während der Tier-MS zu untersuchen.

"Zu unserer Überraschung sahen wir strukturelle Veränderungen in der Schleimhaut des Dünndarms und eine Erhöhung der entzündlichen T-Zellen, auch bekannt als Th1 und Th17. Gleichzeitig sahen wir eine Reduktion der immunsuppressiven Zellen, auch regulatorische T-Zellen genannt. Diese Veränderungen werden oft mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen in Bezug gebracht und man nimmt an, dass biologisch aktive Moleküle, die von Th1 und Th17 hergestellt werden, hinter dieser Darmschädigung stecken. "

Bei Multipler Sklerose geht man von neuroinflammatorischen Prozessen aus, die zu Beschädigungen und Undichtigkeiten in der Blut-Hirn-Schranke führen, die eigentlich das zentrale Nervensystem schützen und den Transport von Zellen regulieren soll. Die schwedischen Forscher haben nun ähnliche Schäden in der Darmbarriere beobachtet, insbesondere auf engen Verbindungen, die die Zellen in der Schleimhaut des Darms zusammenhalten, und haben gezeigt, dass diese mit krankheitsspezifischen T-Zellen verbunden sind.

"In den meisten Fällen wissen wir nicht, was löst Autoimmunerkrankungen, aber wir wissen, dass pathogene Zellen den Darm erreichen und ihn stören. Eine undichte Darmwand ermöglicht schädlichen Bakterien und Giftstoffen den Eintritt in den Körper, was noch mehr Entzündung schafft. Unsere Ergebnisse unterstützen den Ansatz, dass eine beschädigte Darmbarriere den Körper daran hindern kann, eine Autoimmunreaktion in der üblichen Weise zu beenden, was wiederum zu einer chronischen Krankheit wie MS führen könnte", so Dr. Lavasani.

Shahram Lavasani und seine Kollegen glauben, dass zukünftige Arzneimittel zur Behandlung dieser Art von Erkrankungen vielleicht nicht nur auf das zentrale Nervensystem fokussieren sollten, sondern auch auf den Darm, indem man die Darmbarriere repariert und wiederherstellt.

"Auf lange Sicht hoffen wir, dass unsere Erkenntnisse zu einem besseren Verständnis von dem führen werden, was tatsächlich in der Entwicklung der Multiplen Sklerose passiert. Noch weiter in die Zukunft blickend hoffen wir auf die Entwicklung einer besseren Therapie, die auf die Darmbarriere als neues therapeutisches Ziel. gerichtet ist."

Quelle: PLoS ONE, 03.09.2014; Universität Lund, 04.09.2014

Redaktion: AMSEL e.V., 09.09.2014