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233 Genvariationen für MS entdeckt

Kann man bei einem einzelnen Menschen eine Multiple Sklerose voraussagen? Warum sind Frauen so viel häufiger betroffen als Männer? – Ein internationales Forschungsnetzwerk liefert mögliche Antworten.

Bei der Multiplen Sklerose liegt ein Fehler des eigenen Immunsystems vor. Darum spricht man auch von einer Autoimmunerkrankung. Das Immunsystem erkennt körpereigenes Gewebe als Feind und greift es an. Im Fall von MS richten sich die Angriffe gegen Nervenzellfortsätze und damit gegen die Nervenzellen.

Wüsste man die Ursache für das Entstehen einer Multiplen Sklerose, dann könnte man sie leichter behandeln und womöglich sogar vermeiden, bevor sie entsteht. Damit eine MS, also eine chronische, das eigene Nervensystem angreifende Krankheit entsteht, müssen nach bisherigem Wissen zwei Dinge zusammenkommen: zum einen die genetischen und damit erblichen Voraussetzungen, zum zweiten so genannte Umweltfaktoren, sei dies nun eine bestimmte Vireninfektion oder auch Vitamin-D-Mangel. (Weil alleine die erblichen Voraussetzungen nicht genügen, um eine MS zu entwickeln, gehört sie auch nicht zu den Erbkrankheiten. Siehe die AMSEL-Reihe Irrtümer über MS.)

Individuelle Genvariationen für Multiple Sklerose

Beides, sowohl die genetische Voraussetzung als auch nicht erbliche Bedingungen sind noch nicht entschlüsselt. Es mehren sich jedoch Hinweise auf einzelne Faktoren. Dazu trägt auch die aktuelle Studie bei, die genetische Daten von rund 50.000 MS-Patienten und rund 70.000 Kontrollpersonen repliziert hat.

Das International MS Genetics Consortium erforscht bereits seit zehn Jahren das menschliche Genom nach Hinweisen auf Erkrankungsfaktoren. Insgesamt hat es 233 Genvariationen definiert, die einen Menschen anfälliger für MS machen.

Die aktuelle Studie zeigte zum einen, dass diese Genvariationen eine große Menge an Immunzellen beeinflussen und damit eine Fehlfunktion des gesamten Immunsystems, welches das Gehirn angreift, auslösen anstatt nur einen einzelnen Zelltyp zu beeinflussen. Hier spielen den aktuellen Forschungsergebnissen zufolge vor allem die sogenannten Mikroglia eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Multiplen Sklerose (nicht jedoch andere Zellen des Gehirns wie Neurone oder Astrozyten). Das könnte ein Hinweis darauf sein, dass bei MS nicht das gesamte Immunsystem falsch arbeitet, sondern gerade die Immunzellen des Gehirns.

MS-Genvariante auf X-Chromosom - Grund für häufigere MS-Diagnose bei Frauen?

Zum anderen fanden die Wissenschaftler, zu denen auch ein Wissenschaftlerteam um Professor Frauke Zipp, Universitätsmedizin Mainz, gehört, dass eine der genetischen Varianten für MS auf dem X-Chromosom liegt. Alle Frauen tragen zwei X-Chromosome, Männer hingegen nur ein X-Chromosom. Das könnte eine Erklärung dafür sein, warum Frauen rund doppelt so häufig an MS erkranken wie Männer.

Ein Ziel des Wissenschaftlernetzwerkes ist es, das individuelle MS-Risiko zu bestimmen. Wüsste man im Vorfeld, wer erkrankt, könnte man sehr frühzeitig behandeln, eines Tages womöglich den Ausbruch einer Multiplen Sklerose verhindern.

Quellen: Science, 27.09.2019; Pressemitteilung der Universitätsmedizin Mainz, 12.02.2020.

Redaktion: AMSEL e.V., 21.02.2020