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Vom Glück, der Arbeit und der Dummheit

Einen Großteil der Zeit verbringen Menschen - ob gesund oder an Multiple Sklerose erkrankt - mit Arbeit. Ist das ihr Glück? Maximilian Dorners Gedanken dazu in seiner Kolumne in Together 01/16.

"Dumm sein und Arbeit haben: Das ist das Glück", schrieb der Dichter Gottfried Benn. In dem Vers steckt eine gehörige Portion Herablassung, gegenüber der engen Bürowelt der Angestellten, gegenüber den Abstumpfungen des Arbeitsalltags. Aber man hört auch ein bisschen Sehnsucht des Dichters heraus: Das Glück mag es eben nicht, wenn man es zu klug seziert... und bestraft den Dichter dann gerne damit, ihn einen ganzen Tag ohne eine einzige Idee vor ein leeres Blatt Papier zu setzen.

Als Arzt war Benn täglich mit Menschen konfrontiert, die auch aus körperlichen Gründen keine Arbeit mehr hatten. Er wusste also genau, wie sehr das alles zusammenhängt: das Arbeiten und das Glück, und dass der Preis dafür die "Dummheit", der Alltag, ist.

Wahrscheinlich muss man für ein paar Jahre aus einem geregelten Arbeitsleben ausgestiegen sein, um die Wonnen eines Büroalltags wieder schätzen zu lernen. Für einige, im Rückblick zu viele Jahre, habe ich von zu Hause aus gearbeitet. Jeden Tag wieder vor die Herausforderung gestellt, aufzustehen, sich anzuziehen und sich mit einer Tasse Kaffee zur richtigen Zeit vor den Computer zu setzen.

Maximilian Dorner

seit 2000 Autor, Regisseur und Literaturlektor

  • geboren und wohnhaft in München
  • Studium der Dramaturgie an der Bayerischen Theaterakademie
  • u.a. Tätigkeiten als Film- und Hörspielproduzent, Theaterkritiker, Dozent und Dramaturg
  • 2007 Bayerischer Kunstförderpreis für sein Romandebüt "Der erste Sommer"
  • www.maxdorner.de

Seit letztem Mai fahre ich jetzt wieder vier Tage in der Woche in ein Büro, und jeden Tag freue ich mich darauf, auch wenn ich vor mich hin fluche, wenn es regnet oder schneit. Oder die Straßen verstopft sind. Diese Wertschätzung hat mich die Krankheit gelehrt, auch für die kleinen Dinge, die Gespräche in der Kaffeeküche, die Bürogerüchte, die unsinnigen Abläufe, die sich wohl überall einstellen. Für mich ist das Arbeiten wie ein langgezogener Kindergeburtstag: Man kennt alle Spiele, auch die anderen Kinder, auch die zwangsweise aufkommende Langeweile, den Wunsch nach echtem Abenteuer. Sei’s drum!

Egal wie viel ich leisten kann, die Arbeit hält mich aufrecht. Vielleicht meinte Gottfried Benn also: Sei nicht dumm, wenn du Arbeit hast: Denn die ist dein Glück.

Quelle: AMSEL-Nachrichtenmagazin "together" 01/16; Kolumne: Maximilian Dorner; Bild © Christine Schneider

Redaktion: AMSEL e.V., 22.04.2016