Spenden und Helfen

Unterdrückt KBV innovative MS-Therapien?

24.07.07 - Ginge es nach der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, dann würden innovative Multiple Sklerose-Therapien wohl kaum verschrieben. Der Ärztliche Beirat der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG), Bundesverband e.V. widerspricht in einer Stellungnahme.

Sind es Sparmaßnahmen, einmal mehr auf Kosten chronisch Kranker, oder steckt Schluderei dahinter? In einer Publikation der Kassenärztlichen Bundesvereinigung "Wirkstoff AKTUELL" (Juni 2007) zu Natalizumab (Tysabri®) und Azathioprin (Imurek®) jedenfalls werden Empfehlungen zur wirtschaftlichen Verordnungsweise gegeben, die weder den Leitlinien der Multiple Sklerose Therapie Konsensus Gruppe (MSTKG), noch denen der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) entsprechen.

Es wird darin behauptet, dass Azathioprin als kostengünstige Basistherapie bei der schubförmigen MS (RRMS) wirksam sei. Dabei gilt Azathioprin, welches unter dem Handelsnamen Imurek zur Behandlung der Multiplen Sklerose zugelassen ist, lediglich als Mittel der zweiten Wahl und wird nur bei den Patienten eingesetzt, die sicher nicht mehr spritzen wollen. Obendrein ist das Risiko für Tumore bei Dauertherapie mit Azathioprin relativ hoch.

Natalizumab behandelt die Publikation sehr einseitig, verweist bei Nebenwirkungen an erster Stelle auf die progressive multifokale Leukenzephalopathie (PML), ohne dies in Relation zu tatsächlichen PML-Fällen (bislang ausschließlich in Kombinationstherapie) oder den Einschränkungen bei der Verschreibung zu setzen. Natalizumab wird in "Wirkstoff AKTUELL" nur ein marginaler zusätzlicher Nutzen zugeschrieben, ohne dafür Daten zu liefern, obgleich mit einer Reduktion der Schubrate um 68% über 2 Jahre und einer klaren Verringerung der Progression gemessen durch den EDSS die Behandlungsergebnisse sehr ausgeprägt und keineswegs marginal sind.

In Zeiten der knappen Kassen ausgerechnet beim evidenzbasierten, medizinisch-wissenschaftlichen Fortschritt zu sparen, entspreche nicht dem Behandlungsauftrag, so der AEB. Würden die niedergelassenen Kollegen der aktuellen KBV-Empfehlung folgen und den Patienten bei entsprechender Indikation die Verordnung innovativer immmunmodulatorischer Präparate vorenthalten, so handelten sie nicht nur gegen die medizinisch-wissenschaftlich belegte Meinung, sondern bewegen sich auch nach dem Auftrag des SGB 5 auf juristisch dünnem Eis.

Der Ärztliche Beirat der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG), Bundesverband e.V. appelliert daher an die Entscheidungsträger bei den einzelnen Kassenärztlichen Vereinigungen und den Krankenkassen, sich nicht dem medizinischen Fortschritt in Bereichen der Therapie chronisch behindernder Erkrankungen zu verschließen, sondern für die Beurteilung von Therapieverfahren den Expertenrat der medizinischen Fachgesellschaften zur Grundlage ihrer Entscheidungen und Empfehlungen zu machen.

Redaktion: AMSEL e.V., 25.07.2007