Spenden und Helfen

Multiple Sklerose-Symposium der AMSEL - zweiter Tag

AMSEL.DE-Besucher haben bereits im Vorfeld Ihre Fragen an die Experten gerichtet. Auch den Gästen vor Ort antworteten die Referenten.

Individuelle Fragen MS-Kranker standen an Tag 2 des Stuttgarter MS-Symposiums im Mittelpunkt. "Vom Alltag der Forscher zu erfolgreichen Therapien der Multiplen Sklerose" lautete das Thema. Die Referenten deckten alle vier Säulen der Multiple Sklerose-Therapie ab. Die Videos der Vorträge finden Sie hier:

 

Fotostrecke

MS-Symposium und 30 Jahre Schrimherrin Ursula Späth - 2. Tag: Vom Alltag der Forscher zu erfolgreichen Therapien der Multiple Sklerose - mit Livestream-Premiere

Hier nur ein ganz grober Überblick über die vier 40-minütigen Vorträge. Wer die Möglichkeit hat: Die Videomitschnitte des Livestreams geben Referate und Publikumsfragen im Detail wider. Die einzelnen Vorträge sind per Sprungmarke, gekennzeichnet durch Punkte, anwählbar.

Können Cannabinoide Schübe abschwächen?, wurde Prof. Dr. med. Horst Wiethölter vorab von "Bastian" online gefragt. Nein, so die klare Antwort Prof. Wiethölters. Spastik und Schmerzen werden gelindert, jedoch rein symptomatisch. Ob nicht grundsätzlich Cortisonspritzen ins Rückenmark gegeben werden sollten, da sei das Corti doch am richtigen Platz?, vermutete eine Zuschauerin. Überhaupt nicht grundsätzlich!, die definierte Antwort des Neurologen. Das gelte nur für lokal eindeutig auf den unteren Rücken begrenzte Läsionen.

Bei höherer Dosierung, so der ehem. Direktor der Neurologischen Abteilung des Bürgerhospitals / Klinikum Stuttgart auf eine weitere Publiskumsfrage hin, könne durch die Schubtherapie kurzfristige Kurzsichtigkeit ausgelöst werden, die jedoch nach dem Absetzen wieder verschwinde.

Es gibt eine Unmenge an Symptomen, viele von ihnen bleiben unbehandelt, obwohl es Therapiemöglichkeiten gibt, führte Dr. Martin Rösener in seinem Vortrag zu "Symptomatische Therapie der MS" aus. Deshalb sei es erforderlich, dass ein Patient seine Symptome in eigenen Worten seinem behandelnden Arzt beschreibe. Dies gelte vor allem für die oft mit Scham ausgeklammerten Blasen- und Darmstörungen sowie sexuelle Störungen, obwohl es für alle Behandlungsmöglichkeiten gebe.

Für die Behandlung der Fatigue sei ein pausenstrukturierter Tag die wichtigste "Behandlung", körperliche Fitness vermindere außerdem die Grenze zur Erschöpfung. Fampyra zur Verbesserung der Gehstrecke sollte man nicht abends einnehmen, sondern am besten morgens und nochmals am frühen Nachmittag, wenn die Wirkung der 1. Tablette nachlasse. 2 Tabletten seien die absolute Höchstdosis, sonst riskiere man schwere Nebenwirkungen.

Zur Immunmodulatorischen MS-Therapie der MS betonte Prof. Dr. Peter Flachenecker das optimale therapeutische Fenster für die Wirksamkeit der aktuell zugelassenen Basistherapien: die Frühphase der Erkrankung. Die meisten "Likes" im AMSEL.DE-Frageportal hatte Greg erhalten: Er wollte wissen, ob eine Hyposensibilisierung gegen Allergene unter laufender Interferontherapie möglich sei. Problemslos! Auch bei Copaxone, so Prof. Flachenecker, wenngleich es keine Studien dazu gäbe. Lediglich bei einer Immunsuppression sei die gleichzeitige Therapie nicht zu empfehlen. Hier könne sich ein Teil der Wirkung aufheben.

Diverse Vorabfragen zielten auf einen Wechsel von der zu spritzenden Basistherapie auf Fumarsäure ab (wenn sie denn als Basistherapie zugelassen wird). Hier ließ der Chefarzt des Rehazentrums Quellenhof das Publikum abstimmen, und das lag tendenziell richtig: Schmerzen an der Einstichstelle beklagte etwa Regina, Ansonsten sei sie unter Copaxone seit Jahren schubfrei. Wechsel zu Fumarsäure? 95:5 Stimmen im Publikum sprachen sich gegen einen Wechsel aus. Never change a winning team, lautete nämlich die vielzitierte Parole auf dem MS-Symposium.

Die Eskalationstherapie der Multiplen Sklerose ist nicht das Ende aller Hoffnungen, sondern die Therapieanpassung an eine aktuelle Situation, stellte Prof. Dr. Mathias Mäurer klar. Sie sei mit deutlich mehr Risiken verbunden, die aber aufgrund des MS-Verlaufs vertretbar seien. Natalizumab beispielsweise sei ein extrem wirksames Mittel, dessen Einnahme in den ersten 24 Monaten problemlos sei. Danach gebe es ein individuelles Risiko für die Entwicklung der lebensbedrohlichen PML, das in jedem Einzelfall abzuschätzen sei.

Wie bei Claudia, schubfrei und voll berufstätig, die nach 50 Tysabrigaben (Natalizumab) und positiver JCV-Antikörper-Test fragt, ob sie das Mittel nun absetzen müsse. Nein, lautet die Antwort. Weiter engmaschig kontrollieren. Wobei der Chefarzt der Neurologie, Caritas Krankenhaus Bad Mergentheim, einräumt dass er jedem noch so schubähnlichen Anzeichen unter Tysabri genau nachgehen würde, denn eine PML wäre der Supergau, und die Symptome ähneln denen eines Schubes leider sehr. Fingolimod sei ein ebenfalls hochpotentes Mittel, dessen Gabe aufgrund möglicher bedrohlicher Nebenwirkungen besonders überwacht werden müsse.

Fazit: Die vier Referenten - allesamt Mitglieder des Ärztlichen Beirates der AMSEL - gingen ganz genau auf die Patienten ein, virtuell mittels Onlinefragen ebenso wie live vor Ort. Mehr als 300 Betroffene und Angehörige verfolgten die Veranstaltung in der Alten Reithalle in Stuttgart. Rund 2.000 Menschen klinkten sich online ein und sahen die Vorträge per Livestream. Information und Aufklärung mit nahezu allen Mitteln - für Ursula Späth hätte es keine angenehmere Feier ihres 30-Jahre Dienst-Jubiläums als AMSEL-Schirmherrin geben können !

Redaktion: AMSEL e.V., 10.10.2012