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MSIF-Profil des Monats: Mai 2010

20.05.10 - Blasenstörungen sollten einen nicht davon abhalten, Dinge zu unternehmen, findet der Australier John Blades. Mitsamt seinem Rollstuhl erklomm er bereits den Eifelturm.

John Blades

Land: Australien
Jahr der Diagnose: 1982
Art der MS: Sekundär progredient
Beruf: Bauingenieur

Ich bin 50 Jahre alt und seit 17 Jahren sitze ich im Rollstuhl und seit 11 Jahren benötige ich einen motorisierten. Sieben Jahre lang habe ich den Rollstuhl mit meinem Kinn bedient.

1982 war das beste Jahr meines Lebens, als fünf prägende Ereignisse stattfanden:

  • Ich graduierte an der Universität von Sydney als Ziviltechniker.
  • Ich begann als Bauingenieur zu arbeiten- 16 Jahre lang arbeitete ich in der Planung für Gebäude und Brücken.
  • Ich begann für das Regionalradio "MBS FM" in Sydney zu arbeiten. Momentan arbeite ich als Radioproduzent und -moderator. Ich co- moderiere ein Programm namens Hintergrund Geräusche.
  • Ich gründete gemeinsam mit einem Freund eine experimentelle Musikgruppe, The Loop Orchestra. Seit damals hatten wir mehr als 45 live Auftritte, brachten eine Schallplatte und einige CDs in Australien, Europa und China heraus.
  • Ich wurde MS diagnostiziert.

Was waren Ihre ersten Symptome?

Ende 1981, als ich auf Urlaub in West- Australien war, hatte ich mit Sehproblemen zu kämpfen. Ich konnte weder Autokennzeichen lesen noch Busbeschriftungen. Es war als müsste ich durch angebrochenes Glas mit kleinen Punkten sehen. Ich dachte Staubkörner in den Augen zu haben.

Wieder zurück in Sydney ging ich zu meinem praktischen Arzt, der mich zu einem Augenarzt überwies, der mich zu einem Neurologen überwies. Der Neurologe diagnostizierte eine Störung des Sehnervs eine so genannte Optikusneuritis. Ich ging wieder zum Neurologen, als ich Sensibilitätsstörungen in meinen Fingern und Füßen hatte. Es wurde davon gesprochen, dass dies Zeichen einer MS sein könnten, an der auch meine Mutter erkrankt war, die 25 Jahre mit dieser Krankheit lebte und die sie in einer milden Form hatte. Durch eine Lumbalpunktion wurde der Verdacht bestätigt.

Die Optikusneuritis verschwand und tauchte nie mehr auf, die Gefühlsstörungen in Händen und Beinen blieben.

Wie hat die MS Ihr Leben beeinflusst?

Während der 1980iger Jahre wurden die Nerven, die meine Muskeln kontrollierten, mehr und mehr beschädigt. 1988 bekam ich einen Gehstock, 1990 Krücken und 1993 benötigte ich bereits einen handbetriebenen Rollstuhl.

In der Anfangsphase war es ein Kampf: meine Vorlesungen für mein Masterstudium besuchen zu können, auf meinen müden Beinen, nach einem anstrengenden Tag im Büro. Offensichtlich war auch, dass ich an dem Fatigue-Syndrom litt - aber hätte ich es mich stoppen lassen, hätte ich nichts erreicht. Ich überließ mein Leben nicht der MS.

Meine Haltung war und ist es, der MS nur eine Nebenrolle zu geben, und einfach weiterzuleben. Als ich 1991 Europa besuchte, erreichte ich auch in einem Rollstuhl die Spitze des Eifelturms. Meine Reise wurde neben Fatigue auch von der unangenehmsten Seite der MS begleitet: einer Blasen- und Stuhlschwäche. Aber man muss der MS nicht nachgeben - zu leicht kann man sich nach Blasenunfällen trocknen und nach Stuhlunfällen säubern, außerdem kann man Einlagen tragen oder was auch immer notwendig ist, aber man darf sich nicht davon abhalten lassen, Dinge zu unternehmen.

Während der 90iger Jahre wurde zunehmend mein Arm in Mitleidenschaft gezogen. Einfachste Sachen wurden zu Hürden: Umblättern, Schreiben, Essen. In meiner Arbeit könnte ich nicht mehr die volle Leistung bringen und mir wurde nahe gelegt, aufzuhören. Aber dies war nur das Ende eines Kapitels, während ein anderes begann.

Wie leben Sie heute mit MS?

Ich lebe mit meinem Bruder, einem jener unbesungenen Heroen, die die Pflegearbeit übernehmen, neben einem Fünf- Tages- Job. Das Heinpflege Service von Neu Süd Wales versorgen mich zusätzlich mit allem was ich benötige.

Mein Stimmcomputer ist meine Verbindung zur Welt. Der Computer- neben meiner Entdeckung einer fettarmen Diät und Nahrungsmittelergänzungen- veränderte mein Leben und rettete mich aus einer tiefen Depression, die mich befiel, genau wie die anderen 70 Prozent aller MS- Betroffenen, die davon betroffen sind.

Ich führte ein kulturell aktives leben, mit experimenteller Musik, Film und Ausstellungen. Ich kuratierte einige spezielle Experimentalmusik und Kunstevents.

2009 gestaltete ich meine wichtigste Radiosendung für die Australian Broadcasting Corporation, über Behinderungen und Sexualität, ein Thema das zu lange von den Medien ignoriert worden ist. Ich nannte es "als zu schwierig abgestempelt" (Original "the too hard basket"), weil die Menschen glaubten, mit diesem Problem nicht umgehen zu können. Ich forderte alle auf zuzuhören, vor allem alle mit MS.

Es gibt gute Unterstützung für Menschen mit MS in Australien. Die australische MS- Gesellschaft ist sehr aktiv, sie sammelt Spenden um die Forschung zu unterstützen und sucht nach Möglichkeiten, das Leben der Betroffenen zu verbessern. Ich danke ihnen für ihre wunderbare Arbeit, indem ich versuche mehr Bewusstsein für diese Krankheit zu schaffen.

Es gibt viel, das wir für uns tun können. Im wesentlichen kann ich mich nichts unterhalb meines Halses bewegen, aber ich kann Ihnen versichern, da gibt es viel Hals aufwärts. Wenn ich das mit meinen Grad der Behinderung kann, kann das jede(r). Und wo ein Wille ist, ist bestimmt ein Weg.

Also, lebe das Leben intensiv und übernimm die Führung über die MS!!

Hören Sie die Radioshow von John "Als zu schwierig abgestempelt" (The too hard basket):

Lesen Sie ein Interview mit John auf der BBC Webseite:

 

 
MSIF dankt Margot Sepke von der MS-Gesellschaft Wien für die Übersetzung dieses Textes.
 

Quelle: MSIF, Mai 2010

Redaktion: AMSEL e.V., 12.04.2010